Winfried Wagner
Die geradlinige Karriere W.s als Schauspieler führte ihn - nach ersten darstellerischen Leistungen an der Dresdner Kreuzschule und bei den Kapellknaben der Dresdner Hofkirche - von namhaften Theatern der DDR über eine jahrzehntelange Tätigkeit an der Berliner Volksbühne hin zur Funktion eines amtierenden Intendanten der Volksbühne in der Wendezeit. – Geboren als siebtes von acht Kindern einer Lehrer- und Kantorenfamilie in Sebnitz, besuchte W. ab 1943 zunächst die dortige Volksschule und seit 1948 die Grundschule in Dresden. Dorthin war W., wie seine älteren Brüder
Christian und
Konrad vor ihm, als Mitglied der Kapellknaben gekommen, bei deren Wiederaufbau 1948 er zusammen mit vier weiteren jungen Katholiken den Grundstock bildete. Die Geschichte der Kapellknaben blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück. Als feste Institution waren die Kapellknaben verantwortlich für die musikalische Gestaltung des Hochamtes an der katholischen Hofkirche und eng verbunden mit der Pflege des musikalischen Erbes. W. blieb im Ensemble der Kapellknaben auch während seiner Zeit als Kreuzschüler 1951 bis 1955. Nach dem Abitur verließ W. Dresden, doch blieb er den Kapellknaben verbunden und inszenierte mit seinem Bruder Konrad noch jahrelang (letztmals 1996) deren weihnachtliches Krippenspiel. – W.s Zeit an der Kreuzschule, in der er eine Klasse des altsprachlichen Zweigs besuchte, war in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung für seinen späteren Lebensweg. Es war die humanistische Bildung, die Begegnung mit den Helden der griechischen Tragödie und des Epos, aber auch die Schüleraufführung von
Emanuel Geibels „
Meister Andrea“, in der W. den
Buffalmaco darstellte, die nach W.s eigenen Worten ihn in seiner Berufswahl stark beeinflusst haben. Hinzu kam die Begegnung mit Antonia Dietrich, der Grande Dame des Dresdner Schauspiels, die ihm den Weg zum Schauspiel wies. – Nach bestandenem Abitur studierte W. 1955 bis 1958 an der Theaterhochschule in Leipzig. 1958 führte ihn sein erstes Engagement nach Meiningen und von da im darauffolgenden Jahr an das Nationaltheater in Weimar, wohin ihn sein Leipziger Lehrer Otto Lang holte. 1963 wurde er von
Wolfgang Heinz an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin geholt, der er bis zu seinem Rückzug vom aktiven Theaterleben 2006 treu blieb. In diesen über vier Jahrzehnten arbeitete W. unter verschiedenen Regisseuren und Intendanten, unter ihnen besonders
Benno Besson und
Frank Castorf. In der Wendezeit war er selbst 1990 bis 1992 amtierender Intendant in einem Trio zusammen mit
Marion van de Kamp und
Annegret Hahn. Manche der von ihm während dieser Zeit zu verantwortenden Maßnahmen (wie etwa Entlassungen von Kollegen und Kolleginnen) haben ihn nach eigenen Aussagen „an die äußersten Grenzen der Belastbarkeit gebracht“. – W. spielte zahlreiche Rollen in klassischen und modernen Stücken, die auf der Bühne, in Film und Fernsehen zu sehen sowie auf Schallplatten zu hören waren. Den Kritikerpreis der „Berliner Zeitung“ erhielt er 1980 für die Rolle des Kassierers in „Von morgens bis Mitternacht“ von
Georg Kaiser an der Volksbühne. Zu den erfolgreichsten Inszenierungen an diesem Haus (über 300 Aufführungen) zählte das Stück „
Rameaus Neffe“ von
Denis Diderot (Premiere am 3.12.1973), das ihn an der Seite von
Helmut Straßburger auch auf Gastspielen ins In- und Ausland führte und auch im Fernsehen zu sehen war. Ein weiteres erfolgreiches Stück war der legendäre „Murx“ (Premiere am 16.1.1993), das vom Schweizer
Christoph Marthaler inszeniert wurde. – Ein Charakteristikum von W.s Darstellungen war der Klang und die Musikalität seiner unverwechselbaren Stimme, mit der er auch gesangliche Darbietungen souverän und eindrucksvoll zu gestalten in der Lage war und damit begeisterte Erfolge feierte.
Quellen Auskunft Eckhart und Konrad Wagner.
Literatur Dresdner Kapellknaben feiern, in: Tag des Herrn 48/1998, Nr. 13; G. Diez, Die Legende vom Glück ohne Ende, in: Süddeutsche Zeitung 21.12.2000; R. Schaper, Triumph der Trance, in: Der Tagesspiegel 16.1.2003; E. Uhlich/K. Wachtel (Hg.), Klassenbuch, Radebeul 2015, S. 489-497 (P); J. Jublimow, W., Pascal, in: Junge Welt 25.10.2017, S. 10; [HDS], Barde der Bruchbude, in: Neues Deutschland 25.6.2018; Traueranzeige, in: Berliner Zeitung 23./24.6.2018, S. 22; Traueranzeige Christian Wagner, in: Donaukurier 5.5.2018; K. Wachtel, Winfried W. (1937-2018). Nachruf, in: Jahrbuch des Evangelischen Kreuzgymnasiums, Dresden 2018/19 (in Vorbereitung) (P).
Porträt Winfried W., Fotografie, Privatarchiv K. Wachtel (Bildquelle).
Klaus Wachtel
24.10.2018
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Wachtel, Artikel: Winfried Wagner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28589 [Zugriff 22.12.2024].
Winfried Wagner
Quellen Auskunft Eckhart und Konrad Wagner.
Literatur Dresdner Kapellknaben feiern, in: Tag des Herrn 48/1998, Nr. 13; G. Diez, Die Legende vom Glück ohne Ende, in: Süddeutsche Zeitung 21.12.2000; R. Schaper, Triumph der Trance, in: Der Tagesspiegel 16.1.2003; E. Uhlich/K. Wachtel (Hg.), Klassenbuch, Radebeul 2015, S. 489-497 (P); J. Jublimow, W., Pascal, in: Junge Welt 25.10.2017, S. 10; [HDS], Barde der Bruchbude, in: Neues Deutschland 25.6.2018; Traueranzeige, in: Berliner Zeitung 23./24.6.2018, S. 22; Traueranzeige Christian Wagner, in: Donaukurier 5.5.2018; K. Wachtel, Winfried W. (1937-2018). Nachruf, in: Jahrbuch des Evangelischen Kreuzgymnasiums, Dresden 2018/19 (in Vorbereitung) (P).
Porträt Winfried W., Fotografie, Privatarchiv K. Wachtel (Bildquelle).
Klaus Wachtel
24.10.2018
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Wachtel, Artikel: Winfried Wagner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28589 [Zugriff 22.12.2024].