Walter Reißmann
R. gehörte zum Kreis der Leipziger Reformpädagogen und etablierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg als der führende Geografiedidaktiker der DDR. In der Lehrerausbildung an der Universität Leipzig war er bis zur Mitte der 1960er-Jahre die prägende Persönlichkeit. – R. besuchte 1914 bis 1920, unterbrochen durch den Kriegsdienst, das Lehrerseminar in Leipzig und legte damit den Grundstein seiner erfolgreichen Laufbahn als Lehrer und Pädagoge. Nach der Reife- und Schulamtskandidatenprüfung wirkte R. zunächst als nichtselbstständiger Lehrer an der 25. Volksschule in Leipzig, wechselte aber nach Ablegung der Wahlfähigkeitsprüfung zum Winterhalbjahr 1923/24 an die 54. Volksschule in Leipzig-Connewitz, eine 1921 eröffnete und besonders vom Leipziger Lehrerverein getragene Versuchsschule. Dem einflussreichen, bereits 1846 gegründeten Leipziger Lehrerverein, der als maßgebliche Plattform der Reformpädagogik in Sachsen fungierte, war R. als aktives Mitglied sehr verbunden. Nach vorübergehender Tätigkeit an der Volksschule Colditz folgten 1933 und 1943 von den NS-Behörden verordnete Strafversetzungen, letztere nach Kattowitz (poln. Katowice) in Oberschlesien. – Nach seiner Rückkehr nach Leipzig stellte sich R. unmittelbar dem Schuldienst zu Verfügung und wirkte in den ersten Nachkriegsmonaten an mehreren Schulen in leitender Position. R. wurde 1946 nach der Durchsetzung der „demokratischen Schulreform“ in der SBZ gemeinsam mit anderen antifaschistisch und reformpädagogisch ausgerichteten Lehrern zum Dozenten an das Schulwissenschaftliche Institut Leipzig berufen. An dem bereits Ende 1945 von der Landesverwaltung Sachsen eingerichteten und von
Roman Roth geleiteten Institut wurden in speziellen Acht-Monats-Kursen die Neulehrer für die Volks- und Mittelschulen im Land Sachsen ausgebildet. Auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 205 vom 12.7.1946 wurde diese Aufgabe kurz darauf den neu gegründeten Pädagogischen Fakultäten an den Universitäten in Berlin, Halle, Jena, Leipzig und Rostock sowie an der TH Dresden übertragen. R. erhielt daraufhin 1947 die Berufung zum Dozenten für Methodik des Geographieunterrichts an die Pädagogische Fakultät der Universität Leipzig, konnte aber aufgrund einer schweren Tuberkuloseerkrankung erst zum Sommersemester 1948 den Dienst aufnehmen. Neben der Geographiedidaktik vertrat R. auch die Lehrbereiche „Methodik der Heimatkunde Sachsens“ und zeitweilig die „Methodik des Geschichtsunterrichts“. 1948 bis 1952 war er zudem verantwortlich für die Durchführung der Berufspraktika und die gesamte schulpraktische Arbeit der Lehramtskandidaten und leitete 1953 bis 1955 das Institut für Unterrichtsmethodik. Nach der zum Wintersemester 1955/56 erfolgten Auflösung der Pädagogischen Fakultät und deren Überführung in das Institut für Pädagogik der Philosophischen Fakultät wirkte R. als Leiter der Abteilung Unterrichtsmethodik, in der die einzelnen Fachdidaktiken zusammengefasst waren. Seine Promotion über „Das Lehrbuch im Erdkundeunterricht“ erfolgte 1957, die Ernennung zum Professor für Methodik des Geographieunterrichts 1958. Die von R. vertretene Schule der Geografiedidaktik war in den 1950er- und 60er-Jahren maßgebend für die gesamte DDR. Ein langfristiges Forschungsvorhaben unter seiner Leitung untersuchte u.a. „Formen der selbständigen Tätigkeit der Schüler in verschiedenen Unterrichtsfächern und Schulformen“. 1964 wurde R. emeritiert. – Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit übernahm R. auch zahlreiche politische und ehrenamtliche Funktionen, v.a. innerhalb der Leipziger Universität. Seine parteipolitische Arbeit begann bereits 1928 in der SPD und fand nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der SBZ ab 1946 eine Fortsetzung in der SED. R. engagierte sich 1948 bis 1952 in deren Fakultätsparteileitung, war Vorsitzender der Universitätsgewerkschaftsleitung (1957-1959) und Vorsitzender des Disziplinarausschusses für Studierende der Universität Leipzig. – Seit Ende der 1940er-Jahre beteiligte sich R. an der Bearbeitung der Erdkundelehrpläne und der Lehrbücher für die verschiedenen Klassenstufen und war in mehreren Kommissionen des Ministeriums für Volksbildung und des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts vertreten. Seit 1957 hatte er den Vorsitz der beim Staatssekretariat für Hochschulwesen eingerichteten Methodikkommission inne und beeinflusste somit die Grundlagen der Lehrerausbildung und Hochschuldidaktik in der DDR. – Als führender Geografiedidaktiker in der DDR übernahm R. leitende Funktionen innerhalb der 1953 gegründeten Geographischen Gesellschaft der DDR. Unter seinem langjährigen Vorsitz (1958-1970) entwickelte sich die Fachsektion Schulgeographie, ab 1967 unter dem Namen Fachverband der Schulgeographen, zu einer mitgliederstarken Vertretung der Geografielehrer in der DDR. Zahlreiche Exkursionen, Tagungen und Lehrerfortbildungen konnten in der gesamten DDR und zum Teil auch im Ausland durchgeführt werden. R. engagierte sich dort, wie in verschiedenen anderen Gremien des Ministeriums für Volksbildung, als Referent, Moderator und Initiator neuer geografiedidaktischer und schulpolitischer Diskussionen. 1970 ernannte der Fachverband der Schulgeographen R. zum Ehrenvorsitzenden. R. wurden darüber hinaus mehrere hohe Ehrungen in der DDR zuerkannt, u.a. wurde er als „Verdienter Lehrer des Volkes“ ausgezeichnet und erhielt den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze, Silber und Gold.
Quellen Universität Leipzig, Universitätsarchiv, PA 1108.
Werke Der suchende Lehrer, das schaffende Kind. Ausstellung im Rahmen der 19. Hauptversammlung des Sächsischen Lehrervereins, hrsg. vom Sächsischen Lehrerverein, Leipzig 1925; mit R. Hohl, Lehrbuch für Erdkunde für das 5. Schuljahr. Mitteleuropa, Berlin/Leipzig 1949; mit E. Blume, Lehrheft für das 5. Schuljahr. Deutschland, Berlin 1953; mit E. Neef, Lehrbuch der Allgemeinen physischen Geographie für das 9. Schuljahr, Berlin 1954; Das Lehrbuch im Erdkundeunterricht, Berlin 1957.
Literatur L. Barth, Prof. Dr. Walter R. 65 Jahre, in: Zeitschrift für den Erdkundeunterricht 16/1964, H. 10, S. 376-379 (P); W. Jahn, Walter R. (1899-1978), in: Namhafte Hochschullehrer der Karl-Marx-Universität Leipzig 5/1984, S. 49-57 (Bildquelle); W. Jahn, Prof. Dr. Walter R. Nestor wissenschaftlicher Unterrichtsmethodik und Menschenfreund, in: H.-G. Paul (Hg.), Die Pädagogische Fakultät der Universität Leipzig 1946-1955: Prägende Lehrerpersönlichkeiten, Leipzig 1999, S. 21-25 (P). – DBA II, III.
Bruno Schelhaas
23.11.2009
Empfohlene Zitierweise:
Bruno Schelhaas, Artikel: Walter Reißmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9497 [Zugriff 22.12.2024].
Walter Reißmann
Quellen Universität Leipzig, Universitätsarchiv, PA 1108.
Werke Der suchende Lehrer, das schaffende Kind. Ausstellung im Rahmen der 19. Hauptversammlung des Sächsischen Lehrervereins, hrsg. vom Sächsischen Lehrerverein, Leipzig 1925; mit R. Hohl, Lehrbuch für Erdkunde für das 5. Schuljahr. Mitteleuropa, Berlin/Leipzig 1949; mit E. Blume, Lehrheft für das 5. Schuljahr. Deutschland, Berlin 1953; mit E. Neef, Lehrbuch der Allgemeinen physischen Geographie für das 9. Schuljahr, Berlin 1954; Das Lehrbuch im Erdkundeunterricht, Berlin 1957.
Literatur L. Barth, Prof. Dr. Walter R. 65 Jahre, in: Zeitschrift für den Erdkundeunterricht 16/1964, H. 10, S. 376-379 (P); W. Jahn, Walter R. (1899-1978), in: Namhafte Hochschullehrer der Karl-Marx-Universität Leipzig 5/1984, S. 49-57 (Bildquelle); W. Jahn, Prof. Dr. Walter R. Nestor wissenschaftlicher Unterrichtsmethodik und Menschenfreund, in: H.-G. Paul (Hg.), Die Pädagogische Fakultät der Universität Leipzig 1946-1955: Prägende Lehrerpersönlichkeiten, Leipzig 1999, S. 21-25 (P). – DBA II, III.
Bruno Schelhaas
23.11.2009
Empfohlene Zitierweise:
Bruno Schelhaas, Artikel: Walter Reißmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9497 [Zugriff 22.12.2024].