Walter Behrnauer

Die Familie Behrnauer gehört zu den Nachkommen Caspar Peucers und war eine alteingesessene Bautzener Rats- und Bürgermeisterfamilie. Nach dem Schulbesuch in seiner Heimatstadt immatrikulierte sich B. am 30.4.1845 an der Universität Leipzig für die Fächer Philologie und Theologie. Das Studium schloss er mit der Promotion ab, schrieb sich am 23.4.1850 aber erneut für Philosophie und Philologie, v.a. für „morgenländische Sprachen“, ein. Ab 1852 war B. als Hilfsarbeiter an der Wiener Hofbibliothek tätig und wurde dort im Jahr darauf Dritter und 1857 Zweiter Amanuensis (Sekretär). Seit dem 29.7.1857 war er an der Universität Wien auch Privatdozent für Türkische Sprache und Literatur und hielt bis zum Sommersemester 1861 Vorlesungen. In der Hofbibliothek war B. mit der Erschließung der Orientalia beschäftigt. Gustav Flügel dankte ihm 1865 im Vorwort des Verzeichnisses „Die arabischen, persischen und türkischen Handschriften der Kaiserlich-Königlichen Hofbibliothek zu Wien“ für seine Unterstützung bei dessen Erstellung. Durch den Wechsel Ludolf Krehls als Professor für Orientalische Sprachen und als Bibliothekar an die Universität Leipzig 1861 war in der Königlichen öffentlichen Bibliothek Dresden (KÖB) eine personelle Lücke entstanden. Bereits in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatte die KÖB 950 orientalische Handschriften erworben, die einer wissenschaftlichen Bearbeitung bedurften. Der Oberbibliothekar Gustav Klemm beantragte daher 1861, einen Orientalisten anstellen zu dürfen und schlug B. vor, den er bereits als Nutzer kannte. Noch im selben Jahr erhielt B. die Stelle von Franz Louis Bösigk, der Krehl in der Bibliotheksleitung nachgefolgt war. B. sollte den reichen Bestand an orientalischen Handschriften in der KÖB einer Revision unterziehen und die Erwerbung von weiteren Orientalia intensivieren. Schon 1831 hatte der akademische Lehrer Krehls, Heinrich Leberecht Fleischer, mit seinem „Catalogus codicum manuscriptorum orientalium Bibliothecae Regiae Dresdensis“ ein Bestandsverzeichnis der orientalischen Handschriften im Besitz der KÖB herausgegeben. Fleischer gehörte zu den Mitbegründern der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, der B. ab 1850 angehörte. Die „Vierzig Veziere“ von 1851 (die - laut der Widmung an Fleischer - „Erstlingsschrift seiner morgenländischen Studien“, die von der sächsischen Staatsregierung unterstützt wurde) widmete B. seinem Lehrer Fleischer, der auch ein Vorwort dazu verfasst hatte. 1864 wurde B. zum Dritten Bibliothekssekretär ernannt. In seiner Freizeit übertrug er seit 1865 orientalische Handschriften des Historischen Museums Dresden, in dem bis 1868 sein ehemaliger KÖB-Kollege Karl Constantin Kraukling als Direktor amtierte. Der bei seiner Einstellung durch Klemm als „sehr erfahren“ und „kräftig“ bezeichnete B. schied 1873 im Alter von 45 Jahren aus der KÖB aus, nachdem er bereits in den 1860er-Jahren mehrere Erholungskuren benötigt hatte. Anschließend verliert sich B.s Spur fast komplett. Er wohnte in Dresden mit einer Verwandten, Auguste Gabriele Behrnauer, in der Kleinen Plauenschen Gasse, wurde aber 1872 letztmalig als in Dresden wohnend ausgewiesen. Wohin er umzog, ist unbekannt. B. hat noch nach 1872 publiziert und soll nach Angaben der KÖB am 2.4.1890 gestorben sein. – B. veröffentlichte allein in der „Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft“ bis 1869 sieben Artikel. Er schrieb außerdem Beiträge u.a. für die Berliner „Zeitschrift für Ethnologie“ und das „Journal asiatique“. 1867 beantragte er vergeblich, seine Arbeit „Die periodische Presse im Morgenlande“ in die Schriften der Kaiserlichen Akademie in Wien aufnehmen zu lassen. 1878 erschien in der „Revue oriental et americaine“ ein Beitrag von ihm über die Handelssprachen im Orient und in Asien, dem weitere folgten. 1898 wurde in dem fünften Band der Annales de l’Alliance Scientifique Universelle posthum eine ethnografische Studie B.s über Piraterie veröffentlicht. – B. war ab 1857 ordentliches Mitglied der Societe asiatique de Paris sowie korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Ethnographischen Gesellschaft zu Paris und der Bataviaasch Genootschap van Kunsten et Wetenschapen. Er gehörte zu den anerkannten Orientwissenschaftlern seiner Zeit. Seine Übersetzungen werden noch heute verwendet und rezipiert. Seine Briefe finden sich in mehreren Wissenschaftlernachlässen.

Quellen Universitäts- und Landesbibliothek Halle/Saale, Bibliotheksarchiv, Nachlass August Friedrich Pott, Briefe B.

Werke Die Vierzig Veziere oder weisen Meister. Ein altmorgenländischer Sittenroman, Leipzig 1851; Quellen für Serbische Geschichte. Aus türkischen Urkunden im Originaltext redigirt und ins Deutsche übertragen, Wien 1857; Sulaiman des Gesetzgebers Tagebuch, Wien 1858; Memoire sur les institutions de police chez les Arabes, les Persans et les Turcs, in: Journal Asiatique 15/1860, S. 461-509, 16/1861, S. 114-190; Orientalisches Album, in: Serapeum 28/1867, S. 177-190; mit F. F. Krasselt, Bericht über den Fortgang der Catalogarbeiten der Bibliothek der Kaiserlich Leopoldinischen-Carolinischen Akademie der Naturforscher, Dresden 1864; Les langues du commerce en Asie & en Orient, in: Revue orientale et americaine NF 2/1878, S. 17-34; Les pirates et la piraterie - étude éthnographique, in: Annales de l´Alliance Scientifique Universelle, Bd. 5, Paris 1898.

Literatur H. Neubert, Zur Geschichte der Sächsischen Landesbibliothek, Leipzig 1936, S. 42; W. Bihl, Orientalistik an der Universität Wien, Wien u.a. 2009, S. 24f. – DBA I; W. Haan, Sächsisches Schriftsteller-Lexicon, Leipzig 1875, S. 15f.; K. Bader, Lexikon deutscher Bibliothekare im Haupt- und Nebenamt bei Fürsten, Staaten und Städten, Leipzig 1925, S. 12; W. Kosch (Begr.), Deutsches Literatur-Lexikon, Ergänzungsband 1, Zürich/München 1994, S. 638.

Konstantin Hermann
6.7.2010


Empfohlene Zitierweise:
Konstantin Hermann, Artikel: Walter Behrnauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25008 [Zugriff 21.11.2024].

Walter Behrnauer



Quellen Universitäts- und Landesbibliothek Halle/Saale, Bibliotheksarchiv, Nachlass August Friedrich Pott, Briefe B.

Werke Die Vierzig Veziere oder weisen Meister. Ein altmorgenländischer Sittenroman, Leipzig 1851; Quellen für Serbische Geschichte. Aus türkischen Urkunden im Originaltext redigirt und ins Deutsche übertragen, Wien 1857; Sulaiman des Gesetzgebers Tagebuch, Wien 1858; Memoire sur les institutions de police chez les Arabes, les Persans et les Turcs, in: Journal Asiatique 15/1860, S. 461-509, 16/1861, S. 114-190; Orientalisches Album, in: Serapeum 28/1867, S. 177-190; mit F. F. Krasselt, Bericht über den Fortgang der Catalogarbeiten der Bibliothek der Kaiserlich Leopoldinischen-Carolinischen Akademie der Naturforscher, Dresden 1864; Les langues du commerce en Asie & en Orient, in: Revue orientale et americaine NF 2/1878, S. 17-34; Les pirates et la piraterie - étude éthnographique, in: Annales de l´Alliance Scientifique Universelle, Bd. 5, Paris 1898.

Literatur H. Neubert, Zur Geschichte der Sächsischen Landesbibliothek, Leipzig 1936, S. 42; W. Bihl, Orientalistik an der Universität Wien, Wien u.a. 2009, S. 24f. – DBA I; W. Haan, Sächsisches Schriftsteller-Lexicon, Leipzig 1875, S. 15f.; K. Bader, Lexikon deutscher Bibliothekare im Haupt- und Nebenamt bei Fürsten, Staaten und Städten, Leipzig 1925, S. 12; W. Kosch (Begr.), Deutsches Literatur-Lexikon, Ergänzungsband 1, Zürich/München 1994, S. 638.

Konstantin Hermann
6.7.2010


Empfohlene Zitierweise:
Konstantin Hermann, Artikel: Walter Behrnauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25008 [Zugriff 21.11.2024].