Tirmannus
Vermutlich war T. der Verfasser des Freiberger Stadtrechtsbuchs (1296-1305/07), des ersten säkularen gelehrten Werks dieser Art, das östlich von Saale und Elbe entstanden ist. Belegt ist T. allerdings nur einmal, und zwar 1300 als einer der zwölf Ratsmitglieder Freibergs und noch dazu als „Magister T., notarius domini marchionis“. Der erste Zusatz lässt sich als akademischer Grad im Sinne eines magister universitatis verstehen. Der zweite überrascht insofern, als 1296 die Markgrafschaft samt dem Silberbergbau den Wettinern entzogen und unter unmittelbare Hoheit des Königs gestellt worden war, sodass T. gar nicht mehr Notar, d.h. für allgemeine Kanzleiaufgaben des Markgrafen zuständig sein konnte. Es folgte nämlich die Verpfändung an den böhmischen König, der die Markgrafschaft weitergab, bis sie 1305 zunächst an den deutschen König zurückfiel und sich schließlich 1307 die Wettiner erneut durchzusetzen vermochten. Der Codex entstand inmitten dieser Krisenzeit und wurde Teil des Ringens der Stadt Freiberg um Selbstbehauptung verbunden mit dem Abschluss kommunaler Autonomie. Darüber hinaus stellt das Werk eine der umfassendsten Aufzeichnungen deutscher stadtbürgerlicher Rechtsnormen und -strukturen dieser frühen Zeit dar. – Anzunehmen ist, dass T. die „ars notaria“ an einer Universität wie Bologna studierte, und zwar schon vor der ersten Matrikelüberlieferung 1289, die für die Jahre um 1300 auch Studenten aus dem Meißnischen und aus Thüringen ausweist und 1305 speziell einen aus Freiberg nennt. Auch käme eine der anderen alten Universitäten Italiens oder Frankreichs infrage. 1342 ist ein „notarius montanorum“ in Freiberg, später ein Ratsherrengeschlecht des Namens Tirmannus in Dresden bezeugt.
Quellen Stadtarchiv Freiberg, Stadtrechtshandschrift; G. D. Knod, Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), Berlin 1899.
Werke Das Freiberger Stadtrecht, in: Codex diplomaticus Saxoniae regiae, II. Hauptteil, Bd. 14: Urkunden der Stadt Freiberg, Teil 3, hrsg. von H. Ermisch, Leipzig 1891, S. 1-176.
Literatur M. Bertram, Neuerscheinungen zur mittelalterlichen Geschichte von Stadt und Universität Bologna, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 67/1987, S. 477; M. Unger, Das Freiberger Stadtrechtsbuch der Jahre 1296-1305/07, in: Sächsische Justizgeschichte, Bd. 9: Rechtsbücher und Rechtsordnung in Mittelalter und früher Neuzeit, hrsg. vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz, Dresden 1999, S. 54-80.
Manfred Unger
28.7.2008
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Unger, Artikel: Tirmannus,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22857 [Zugriff 7.10.2024].
Tirmannus
Quellen Stadtarchiv Freiberg, Stadtrechtshandschrift; G. D. Knod, Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), Berlin 1899.
Werke Das Freiberger Stadtrecht, in: Codex diplomaticus Saxoniae regiae, II. Hauptteil, Bd. 14: Urkunden der Stadt Freiberg, Teil 3, hrsg. von H. Ermisch, Leipzig 1891, S. 1-176.
Literatur M. Bertram, Neuerscheinungen zur mittelalterlichen Geschichte von Stadt und Universität Bologna, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 67/1987, S. 477; M. Unger, Das Freiberger Stadtrechtsbuch der Jahre 1296-1305/07, in: Sächsische Justizgeschichte, Bd. 9: Rechtsbücher und Rechtsordnung in Mittelalter und früher Neuzeit, hrsg. vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz, Dresden 1999, S. 54-80.
Manfred Unger
28.7.2008
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Unger, Artikel: Tirmannus,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22857 [Zugriff 7.10.2024].