Rudolf Kolbe

K. war ein Dresdner Architekt der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, dessen Schaffen zwar nicht nur auf Dresden beschränkt blieb, aber sich doch in dieser Stadt konzentrierte. Das vielfältige Œuvre seiner Entwürfe umfasste Einfamilienhäuser, Siedlungen, Kirchen, Grab- und Denkmalarchitekturen und ephemere Ausstellungsarchitekturen. K. richtete sich selten nach dem herrschenden Zeitstil wie z.B. Historismus oder Jugendstil und gehörte auch nicht zu den Wegbereitern der Bauhaus-Moderne, sondern fühlte sich der Reformbaukunst und der Heimatschutzbewegung verpflichtet. So hat er sich statt der neuen Möglichkeiten des Stahlbetons für die traditionellen Materialien Stein und Ziegel entschieden, wodurch seine Entwürfe oft romantisch wirken und immer naturverbunden sind. – K. besuchte nach der Volksschule in Waldheim ab 1888 die Städtische Gewerbeschule in Dresden und anschließend bis 1893 die dortige Königliche Baugewerkeschule. Danach sammelte er für zwei Jahre erste Berufserfahrung im renommierten Dresdner Architektenbüro von Rudolf Schilling und Julius Gräbner. 1895 bis 1898 studierte er Architektur an der Kunstakademie Dresden und war danach bis 1901 Mitarbeiter beim Umbau der Residenz in Dresden, besonders des Georgentors. Erste Erfolge bei Wettbewerbsbeteiligungen hatte K. damals zusammen mit Oskar Menzel. Etwas später eröffnete er ein Architekturbüro in Loschwitz. 1900 heiratete K. Helene Pahlitzsch und baute das eigene Haus ebenfalls in Loschwitz, in dem er später auch sein Büro unterbrachte. Es war der Beginn des Entwerfens und Bauens einer Serie von Wohnhäusern an den Elbhängen, die bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs anhielt und als die glücklichste Zeit im Leben K.s bezeichnet werden kann. 27 herrschaftliche, aber auch kleinere Wohnhäuser für eine wohlhabende Klientel aus dieser Zeit sind erhalten und zeigen, dass für ihn Architektur nicht nur Handwerk, sondern Kunst war. Das Gesamtbild sollte stimmen, deshalb entwarf er Häuser mit plastischem Schmuck und dazu auch Gärten und Zäune, Schuppen und Garagen. – 1906 erhielt K. ein Reisestipendium der Gottfried-Semper-Stiftung Dresden, womit er nach Italien und Ägypten fuhr, was aber wenig Spuren in seinem Werk hinterlassen hat. 1908 wurde er zusammen mit seinem Architektenkollegen Menzel in den Künstlerbund „Die Zunft“ berufen, der die Erneuerung von Kunst und Architektur zum Ziel hatte. Damit war er jetzt mitten im künstlerisch-architektonischen Geschehen Dresdens, was sich u.a. in der Herausgabe von Zeitschriften und Büchern, in denen seine neuen Entwürfe vorgestellt wurden, manifestierte. Ab 1906 war er auch Mitglied im Bund Deutscher Architekten. 1912 lehnte K. das Angebot des Architekten Wilhelm Kreis ab, Lehrer für Architektur an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf zu werden. In dieser Zeit zeigten Beteiligungen an Kunstgewerbe- und Fachausstellungen seine Vielseitigkeit. – Im Ersten Weltkrieg war K. als Künstlerischer Beirat der III. Armee und in der Zivilverwaltung in Frankreich bei Sedan tätig, wo er zahlreiche Entwürfe für Massengräber und Gedenkstätten anfertigte. – Nach dem Krieg war neben dem Eigenheimbau der Siedlungsbau das große städtebauliche Thema, weil Wohnraum für Handwerker- und Arbeiterfamilien gebraucht wurde. Es entstanden von K. entworfene Siedlungen v.a. in Radeberg, wo bis 1922 bereits 45 Zwei- und Vierfamilienhäuser fertiggestellt waren, die Siedlung in Kriebstein und die teilweise Marktbebauung in Hellerau. – Nach einem ersten Kirchenneubau 1909 in Graupa wurde K.s größter Kirchenneubau mit der Heilandskirche (1914-1928) in Dresden-Cotta umgesetzt. Sein dritter Kirchenneubau ist die Luther-Kirche in Ellefeld (1924-1926). Durch diese Bauvorhaben wurde K. zu einem ausgewiesenen Fachmann für evangelischen Kirchenbau. Seit 1909 war er Mitglied des Vereins für kirchliche Kunst in Sachsen und des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz. In den späteren Jahren, in denen weniger Geld zum Bauen zur Verfügung stand und die Aufträge zurückgingen, hat er den Lebensunterhalt durch Kapellenbauten, Kirchenumbauten, Wettbewerbe, mit der Gestaltung von Gräbern oder in Dresden mit Bauaufgaben wie der Turmänderung der Sophienkirche, der Restaurierung der Dreikönigskirche und dem Bau des Gemeindehauses in Dresden-Löbtau bestreiten können. – Die größte Vielfalt an Ideen findet sich in K.s Denkmalsentwürfen, von denen etliche auch umgesetzt wurden und noch existieren. Dabei arbeitete er auch mit Bildhauern zusammen, z.B. mit seinem Bruder Georg Kolbe, mit Paul Polte oder Friedrich Brodauf. – Viele der von K. gestalteten Gräber und Grabanlagen sind auf Friedhöfen Sachsens bis heute erhalten. Auch in seinen späten Jahren entwarf er noch Ehrenanlagen z.B. für die Luftkriegsopfer des Zweiten Weltkriegs auf dem Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz. Seine letzte Arbeit war die Beteiligung am Wettbewerb für die Gestaltung der sowjetischen Massengräber in Zeithain. – Im Alter von 70 Jahren listete K. in einem Brief an seinen Sohn die folgenden von ihm projektierten und ausgeführten Arbeiten auf: „350 Kleinwohnungsbauten, 75 Eigenheime, 25 Wohnhäuser für mehrere Familien, 75 verschiedene Bauten, 30 Kirchen, 15 Gemeindehäuser und 10 Pfarrhäuser, 10 Friedhofsanlagen, 15 Friedhofshallen, 200 Grabmäler, 25 Kriegerehrungen, 25 Gartenanlagen, 10 Ausstellungen, 25 Brunnen und Denkmäler, 35 Raumkunst und Kunstgewerbearbeiten, 25 Wettbewerbserfolge.“ Diese eindrucksvollen Zahlen beinhalten neben den tatsächlich ausgeführten Bauten auch die vielen nicht ausgeführten Wettbewerbsbeteiligungen und die Entwürfe, die alle in dem verhältnismäßig kleinen Architekturbüro K.s entstanden sind.

Quellen Stadtarchiv Dresden, 6.4.25.-62.3.2-25 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt Loschwitz, Personenstandsbuch, Eheregister 1900, Nr. 28, 6.4.25-62.2.2-26 Geburtsregister 1901, Nr. 19 (ancestry.de).

Werke Bauwerke (Auswahl): Villa Malve, Loschwitz, Steglichstraße 9, 1905/1906; Villa Rosenhügel, Loschwitz, Sonnenleite 3, 1908/1909; Kirchenbau, Graupa, 1908/1909; Grabmal Familie Petzhold, Friedhof Waldheim, 1913; Heilandskirche, Dresden-Cotta, 1914-1928; Kriegerehrung, Demitz-Thumitz, 1922; Lutherkirche, Ellefeld, 1924-1926; Marktplatzbebauung Dresden-Hellerau, 1929/30. – Schriften: Rudolf K., Ausgeführte Bauten, Innenräume und Entwürfe, Berlin-Schöneberg, 1930.

Literatur Hans-Christian Moosdorf, Die Lutherkirche zu Ellefeld. Baugeschichte und Baubeschreibung, TU Dresden, Wissenschaftliches Praktikum am Institut für Christliche Archäologie und kirchliche Kunst 1986; ders., Rudolf K. - ein sächsischer Architekt an der Schwelle zum neuen Kirchenbau, in: Jens Bulisch (Hg.), Kirchliche Kunst in Sachsen, Beucha 2002, S. 187-195; Ulrich Hübner u.a., Symbol und Wahrhaftigkeit. Reformbaukunst in Dresden, Husum 2005; Andrea Büsing-Kolbe/Hermann Büsing, Der Architekt Rudolf K. Harmonie von Bau und Landschaft, Dresden 2010. – DBA II.

Porträt Rudolf K., Franz Gaudernack, um 1930, Fotografie, Familienbesitz.

Andrea Büsing-Kolbe
13.6.2022


Empfohlene Zitierweise:
Andrea Büsing-Kolbe, Artikel: Rudolf Kolbe,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24641 [Zugriff 19.4.2024].

Rudolf Kolbe



Quellen Stadtarchiv Dresden, 6.4.25.-62.3.2-25 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt Loschwitz, Personenstandsbuch, Eheregister 1900, Nr. 28, 6.4.25-62.2.2-26 Geburtsregister 1901, Nr. 19 (ancestry.de).

Werke Bauwerke (Auswahl): Villa Malve, Loschwitz, Steglichstraße 9, 1905/1906; Villa Rosenhügel, Loschwitz, Sonnenleite 3, 1908/1909; Kirchenbau, Graupa, 1908/1909; Grabmal Familie Petzhold, Friedhof Waldheim, 1913; Heilandskirche, Dresden-Cotta, 1914-1928; Kriegerehrung, Demitz-Thumitz, 1922; Lutherkirche, Ellefeld, 1924-1926; Marktplatzbebauung Dresden-Hellerau, 1929/30. – Schriften: Rudolf K., Ausgeführte Bauten, Innenräume und Entwürfe, Berlin-Schöneberg, 1930.

Literatur Hans-Christian Moosdorf, Die Lutherkirche zu Ellefeld. Baugeschichte und Baubeschreibung, TU Dresden, Wissenschaftliches Praktikum am Institut für Christliche Archäologie und kirchliche Kunst 1986; ders., Rudolf K. - ein sächsischer Architekt an der Schwelle zum neuen Kirchenbau, in: Jens Bulisch (Hg.), Kirchliche Kunst in Sachsen, Beucha 2002, S. 187-195; Ulrich Hübner u.a., Symbol und Wahrhaftigkeit. Reformbaukunst in Dresden, Husum 2005; Andrea Büsing-Kolbe/Hermann Büsing, Der Architekt Rudolf K. Harmonie von Bau und Landschaft, Dresden 2010. – DBA II.

Porträt Rudolf K., Franz Gaudernack, um 1930, Fotografie, Familienbesitz.

Andrea Büsing-Kolbe
13.6.2022


Empfohlene Zitierweise:
Andrea Büsing-Kolbe, Artikel: Rudolf Kolbe,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24641 [Zugriff 19.4.2024].