Robert Oertel
Als hervorragender Kenner der Italienischen Malerei, v.a. der Renaissance, wirkte O. 1939 bis 1946 als Kustos an der Gemäldegalerie in Dresden und zugleich für den „Sonderauftrag Linz“, wodurch er in den nationalsozialistischen Kunstraub involviert war. Nach der Übersiedlung in die westlichen Besatzungszonen setzte er seine Karriere 1948 als Hochschulprofessor in
Freiburg/Breisgau und ab 1958 erneut im Museumsdienst in
München und in
Berlin (West) fort. – Aus einer bildungsbürgerlichen Familie stammend legte O. 1927 an der Leipziger Thomasschule die Reifeprüfung ab. Anschließend studierte er Kunstgeschichte, Geschichte, Klassische Archäologie und Philosophie, zunächst in Leipzig, später in
Wien, München,
Hamburg und Freiburg/Breisgau. Im Februar 1932 wurde er bei Hans Jantzen in
Frankfurt/Main mit einer Arbeit über „Masaccios Frühwerke“ promoviert. April bis Juli 1932 reiste O. nach
Paris. In Freiburg/Breisgau absolvierte er im Herbst 1932 ein Volontariat im Augustinermuseum, das er beendete, weil er Dezember 1932 bis April 1933 ein Stipendium an der Bibliotheca Hertziana in
Rom erhielt. Anschließend wurde er Assistent bei Jantzen an der Universität Frankfurt/Main. Im Oktober 1933 ging O. an die Staatlichen Museen zu Berlin. Als Freiwilliger Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter war er dort zunächst an der Islamischen Abteilung unter Ernst Kühnel, dann an der Frühchristlich-Byzantinischen Sammlung und später im Kupferstichkabinett unter Friedrich Winkler und Willy Kurth tätig. Nach zwei Jahren wechselte er im Oktober 1935 als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an das Deutsche Kunsthistorische Institut in
Florenz (Italien), wo er die Fotosammlung betreute. Er nutzte dabei die Gelegenheit zu zahlreichen Studienreisen durch Italien und setzte seine Arbeiten zur italienischen Wandmalerei fort. Auch schrieb er Rezensionen für die „Zeitschrift für Kunstgeschichte“ und „Pantheon“. Bereits 1937 bewarb sich O. in Dresden um die Kustodenstelle in der Gemäldegalerie. Doch obwohl deren Direktor Hans Posse ihn persönlich kannte und sich für ihn einsetzte und O. 1937 der NSDAP beigetreten war, wurde er erst im August 1939 zum Kustos der Dresdner Galerie ernannt. Durch den Kriegsbeginn wurde die Auslagerung der Bestände zu seiner Hauptaufgabe. Mehrfach übernahm O. stellvertretend direktoriale Aufgaben. Im Januar 1942 wurde er zum „Sachverständigen für Gemälde“ ernannt und hatte von den Nationalsozialisten „sichergestelltes“ Kulturgut aus jüdischem Besitz zu begutachten. Dezember 1942 bis März 1943, in der Zeit zwischen den Direktoraten von Posse und dessen Nachfolger Hermann Voss, leitete O. die Gemäldegalerie kommissarisch. Auch zeichnete er gemeinsam mit Gottfried Reimer für den „Sonderauftrag Linz“ verantwortlich, für den er zuvor bereits Inventarisierungsarbeiten ausgeführt hatte. Doch im Oktober 1944 wurde O. zum Militärdienst einberufen, den er als Artillerist an der Ostfront ableistete. Am Kriegsende geriet er in sowjetische Gefangenschaft, aus der er Ende August 1945 entlassen wurde. – O. kehrte an die Dresdner Sammlungen zurück, wo er als damals einziger wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gemäldegalerie an der Rückführung der ausgelagerten Bestände nach Dresden bzw. Pillnitz mitwirkte. Doch Ende Juli 1946 wurde O. aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft entlassen. Er verließ die SBZ und siedelte im Herbst 1946 nach Freiburg/Breisgau über. An der dortigen Universität habilitierte er sich 1948 bei Kurt Bauch mit „Studien zu Giottos nachpaduanischen Stil“ und erhielt 1949 eine Dozentur. Im August 1955 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Drei Jahre später kehrte O. in den Museumsdienst zurück: Ab Juni 1958 war er als Hauptkonservator an der Alten Pinakothek der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München tätig, 1960 wurde er zum Oberkonservator und 1962 zum Landeskonservator ernannt. Im November 1964 wechselte O. in den Dienst der Staatlichen Museen zu Berlin (West). Dort leitete er die Gemäldegalerie in
Berlin-Dahlem, verantwortete die neue Präsentation der Abteilung der Italienischen Malerei der Renaissance und plante und konzipierte den Neubau der Gemäldegalerie am Tiergarten. In Berlin, wie zuvor bereits in München, war O. weiterhin auch in der Lehre tätig. Nach seiner Pensionierung im Oktober 1972 siedelte er nach
Kirchzarten bei Freiburg/Breisgau über.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Personalakten, Nr. 6178; Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 7032; Bundesarchiv Berlin, R 9361-IX/Kartei/31101224.
Werke Masaccios Frühwerke, Marburg 1933; Michelangelo. Die Sixtinische Decke, Burg 1940; Wandmalerei und Zeichnung in Italien. Die Anfänge der Entwurfszeichnung und ihre monumentalen Vorstufen, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz 5/1937/1940, H. 4/5, S. 217-314; Fra Filippo Lippi, Wien 1942; Studien zu Giottos nachpaduanischen Stil, Habil. Freiburg/Breisgau 1948; Die Frühzeit der italienischen Malerei, Stuttgart 1953, 21966; Frühe italienische Tafelbilder. 20 Meisterwerke des Lindenau-Museums in Altenburg, Leipzig 1957, 31966; Italienische Malerei bis zum Ausgang der Renaissance, München 1960; Gemäldegalerie Berlin, Berlin 1969.
Literatur Henning Bock, Prof. O. zum Abschied, in: Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz 11/1973, S. 242f.; Christian Adolf Isermeyer, Robert O. 1907-1981, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 45/1982, H. 4, S. 437-440; Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884-1969), Köln/Weimar/Wien 2010, S. 319-329; dies., Robert O. (1907-1981) - Kustos der Gemäldegalerie Dresden 1939-1946. Eine biografische Skizze, in: Dresdener Kunstblätter 56/2012, H. 1, S. 45-54 (P); Christian Jäger, Robert O. und die Fotografie. Eine wissenschaftliche Untersuchung, Bachelorarbeit Leipzig 2014; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 399-401 (P). – DBA II.
Porträt Robert O., um 1935, Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 6178, o. Pag. (Bildquelle).
Karin Müller-Kelwing
16.3.2022
Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Robert Oertel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29194 [Zugriff 22.12.2024].
Robert Oertel
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Personalakten, Nr. 6178; Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 7032; Bundesarchiv Berlin, R 9361-IX/Kartei/31101224.
Werke Masaccios Frühwerke, Marburg 1933; Michelangelo. Die Sixtinische Decke, Burg 1940; Wandmalerei und Zeichnung in Italien. Die Anfänge der Entwurfszeichnung und ihre monumentalen Vorstufen, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz 5/1937/1940, H. 4/5, S. 217-314; Fra Filippo Lippi, Wien 1942; Studien zu Giottos nachpaduanischen Stil, Habil. Freiburg/Breisgau 1948; Die Frühzeit der italienischen Malerei, Stuttgart 1953, 21966; Frühe italienische Tafelbilder. 20 Meisterwerke des Lindenau-Museums in Altenburg, Leipzig 1957, 31966; Italienische Malerei bis zum Ausgang der Renaissance, München 1960; Gemäldegalerie Berlin, Berlin 1969.
Literatur Henning Bock, Prof. O. zum Abschied, in: Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz 11/1973, S. 242f.; Christian Adolf Isermeyer, Robert O. 1907-1981, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 45/1982, H. 4, S. 437-440; Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884-1969), Köln/Weimar/Wien 2010, S. 319-329; dies., Robert O. (1907-1981) - Kustos der Gemäldegalerie Dresden 1939-1946. Eine biografische Skizze, in: Dresdener Kunstblätter 56/2012, H. 1, S. 45-54 (P); Christian Jäger, Robert O. und die Fotografie. Eine wissenschaftliche Untersuchung, Bachelorarbeit Leipzig 2014; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 399-401 (P). – DBA II.
Porträt Robert O., um 1935, Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 6178, o. Pag. (Bildquelle).
Karin Müller-Kelwing
16.3.2022
Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Robert Oertel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29194 [Zugriff 22.12.2024].