Richard Zschille
Z. war ein herausragender Vertreter einer weit verzweigten Großenhainer Unternehmerfamilie. Bedeutung erlangte er allerdings weniger durch seine Tätigkeit als Textilfabrikant, sondern durch seine Leidenschaft für wertvolle Kunstwerke. – 1872 übernahm er mit seinem Vetter die Geschäftsführung der 1813 gegründeten Tuchfabrik „Gebrüder Zschille“. In den folgenden Jahren blühte das Geschäft, was Z. einen aufwändigen Lebensstil und die Heirat mit der Tochter des bekannten Chemnitzer Lokomotivbauers Richard Hartmann erlaubte. In seine Großenhainer Villa ließ er in aller Welt gekaufte Kunstschätze einbauen, z.B. ein gotisches Tor aus dem 15. Jahrhundert, einen Brunnen aus dem 16. Jahrhundert und eine Säule aus Pompeji. Bedeutung erlangte seine umfangreiche Sammlung beweglicher Kunstgegenstände und Altertümer. Neben Möbeln und Porzellan trug er Tausende von Waffen, Glas-, Keramik-, Elfenbein-, Metallstücken und Textilien zusammen. Seine Bestecksammlung war seinerzeit die wichtigste derartige Kollektion in Privatbesitz. - Z. war auch als Publizist tätig; er veröffentlichte (teilweise zusammen mit dem Archäologen
Richard Forrer) Arbeiten über Steigbügel und Sporne und eine Chronik seiner Tuchfabrik. Außerdem beteiligte er sich an der Erstellung der 1887 bis 1892 entstandenen Chronik der Stadt Großenhain. – Öffentliche Wirkamkeit in seiner Heimatstadt erlangte er in den 1880er- und 1890er-Jahren. Zum 400. Geburtstag Martin Luthers stiftete seine Familie ein Fenster für die Großenhainer Marienkirche, und einige Jahre später ließ er in dieser Kirche auf eigene Kosten Restaurierungsarbeiten durchführen. 1889 gestaltete er das neue Großenhainer Stadtwappen. Darüber hinaus war er 1889 bis 1898 Mitglied des Großenhainer Stadtrats. 1893 nahm Z. an der Weltausstellung in Chicago teil. Er gehörte dort der Preisjury für die Gruppe der sächsischen Tuchindustrie an und präsentierte einen Teil seiner Kunstsammlung. Nach Deutschland zurückgekehrt, wurde ihm von König Albert von Sachsen das Ritterkreuz erster Klasse des Albrechtsordens verliehen. – Mitte der 1890er-Jahre geriet Z. durch eine wirtschaftliche Notlage seiner Tuchfabrik in finanzielle Schwierigkeiten. Ab 1897 musste er Teile seiner Sammlung versteigern lassen; drei Jahre später wurde über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. 1901 musste er seine Villa in Großenhain verkaufen und zog nach Klotzsche bei Dresden. Die Tuchfabrik „Gebrüder Zschille“ bestand zwar weiter, wurde jedoch in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ging in den folgenden Jahren zunehmend in den Besitz von Aktionären über, die nicht zur Familie Zschille gehörten. – In seinen letzten Lebensjahren trat Z. als Illustrator hervor. Als finanziell völlig ruinierter und gebrochener Mann beendete er sein Leben. Als offizielle Todesursache wurde Schlaganfall angegeben; tatsächlich beging er jedoch Selbstmord. – Die bekannte Sammlung Z.s wurde in alle Welt verstreut, große Teile haben sich aber bis heute auch in öffentlichen Sammlungen erhalten. So befinden sich z.B. von ihm zusammengetragene Bronzehelme im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin.
Quellen Stadtarchiv Großenhain, Personensammlung-Chronik; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Tuchfabrik Gebrüder Zschille.
Werke Geschichte der Zschille’schen Stamm-Fabrik „Gebrüder Zschille“, Großenhain 1896.
Literatur G. W. Schuberth, Chronik der Stadt Großenhain vom Jahre 1088 bis auf die Gegenwart, Großenhain 1892; J. Hering/R. Groh, Zschille-Grundstück Mozartallee 123 Großenhain, Dresden 1988 [MS]; R. Töppel, Louis Richard Z., in: Archæo 1/2004, S. 40-43 (P); Richard Z. Aufstieg & Fall eines Kunstsammlers, hrsg. vom Museum Alte Lateinschule Großenhain, Großenhain 2006 (P).
Porträt Familienbild, R. Wimmer, um 1880, Ölgemälde, Stadtmuseum Großenhain; Fotografie, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington DC (Bildquelle).
Roman Töppel
25.4.2005
Empfohlene Zitierweise:
Roman Töppel, Artikel: Richard Zschille,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22622 [Zugriff 21.12.2024].
Richard Zschille
Quellen Stadtarchiv Großenhain, Personensammlung-Chronik; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Tuchfabrik Gebrüder Zschille.
Werke Geschichte der Zschille’schen Stamm-Fabrik „Gebrüder Zschille“, Großenhain 1896.
Literatur G. W. Schuberth, Chronik der Stadt Großenhain vom Jahre 1088 bis auf die Gegenwart, Großenhain 1892; J. Hering/R. Groh, Zschille-Grundstück Mozartallee 123 Großenhain, Dresden 1988 [MS]; R. Töppel, Louis Richard Z., in: Archæo 1/2004, S. 40-43 (P); Richard Z. Aufstieg & Fall eines Kunstsammlers, hrsg. vom Museum Alte Lateinschule Großenhain, Großenhain 2006 (P).
Porträt Familienbild, R. Wimmer, um 1880, Ölgemälde, Stadtmuseum Großenhain; Fotografie, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington DC (Bildquelle).
Roman Töppel
25.4.2005
Empfohlene Zitierweise:
Roman Töppel, Artikel: Richard Zschille,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22622 [Zugriff 21.12.2024].