Pietro Mingotti
M. war Intendant einer italienischen Operngesellschaft, die durch Deutschland und angrenzende Länder zog, um in größeren Städten gegen Eintrittsgeld einfachen Bürgern oder fürstlichen Hofgesellschaften Opern darzubieten. 1736 bekamen M. und sein Bruder Angelo das Recht, zehn Jahre in Graz zu spielen. Angelo Mingotti beschäftigte ebenfalls eine Gruppe von Sängern. In einigen Städten traten beide gemeinsam auf. Es ist daher nicht geklärt, ob die Brüder zwei Operngesellschaften leiteten oder die Mitglieder eines Unternehmens auf zwei Truppen aufgeteilt wurden. In jedem Fall zählten sie zu den künstlerisch bedeutenden Operntruppen ihrer Zeit. Dabei reisten nur Tänzer und etwa acht Sängerinnen und Sänger mit M., während die Instrumentalisten vor Ort verpflichtet wurden. Auf seinem Programm standen v.a. Opere serie, einige Opere buffe und Singspiele, meist von Komponisten der neapolitanischen Schule. M. nutzte sein Grazer Spielrecht nur bis 1742. In diesem Jahr wurde
Paolo Scalabrini in seiner Gruppe Kapellmeister. Wenig später, am 13.11.1743, stellte M. die damals noch unbekannte Sopranistin Regina Valentini ein, die er Anfang Januar 1747 heiratete. 1744 und 1751 spielte M. während der Leipziger Messe, 1745 und 1747 auch gemeinsam mit Angelo. In der Bürgerstadt errichteten sie ein hölzernes Theater im Reithaus am Rhannischen Thor am Zwinger (heute Tröndlingring). Von Mai bis September 1747 weilten M. und seine Truppe in Dresden, wo sie ihre Vorstellungen zunächst in einem von Angelo erbauten provisorischen Theater am Zwinger und später auf Schloss Pillnitz darboten. Im Garten von Pillnitz spielten sie anlässlich der per procura vollzogenen kurfürstlich-königlichen Doppelhochzeit der sächsischen Kurprinzessin Maria Anna mit dem bayerischen Kurfürsten
Maximilian III. Joseph bzw. des sächsischen Thronfolgers Friedrich Christian mit der bayerischen Prinzessin Maria Antonia Walburga. Zur Aufführung kam
Christoph Willibald Glucks Oper „Le nozze d’ercole e d’ebe“. Für seine Vorstellungen zur Doppelhochzeit erhielt M. vom sächsischen Kurfürsten eine großzügige Bezahlung von 3.100 Talern. M.s Frau Regina, durch die Rolle des „Ercole“ bekannt geworden, wurde aufgrund des großen Erfolgs an die Hofoper engagiert, wo sie zur erbitterten Rivalin der Faustina Hasse avancierte. In Anerkennung seiner Dienste ernannte Friedrich August II. (König August III. von Polen) M. am 17.7.1748 zum „Comission Rath“. Während seiner Zeit in Dresden erhielt M. vermutlich auch das Angebot, an den Kopenhagener Hof zu gehen. Dort versuchte er am kurz zuvor errichteten Haus „Det kungelige Theater“ eine dauerhafte italienische Operntradition zu etablieren. Trotzdem setzte er seine Konzertreisen in verschiedene deutsche Städte, darunter Lübeck (1746, 1752, 1753) und Hamburg (1743-1754), fort. Im September 1748 wurde Gluck Kapellmeister von M.s Operngesellschaft, nachdem er bereits seit 1746 Vertreter Scalabrinis gewesen war, der nun Kapellmeister am dänischen Hof wurde. Schon im Frühjahr 1749 trennte sich Gluck jedoch vermutlich von M., und an seine Stelle trat 1755
Giuseppe Sarti. Während zur Blütezeit der Operntruppe Mitte der 1740er-Jahre berühmte Interpreten wie die Sopranistinnen
Giovanne della Stella und
Rosa Costa und die Kastraten
Filippo Finazzi und
Settimio Canini M.s Erfolg garantierten, nahm seit etwa 1750 die Qualität seiner Gruppe merklich ab. 1756 ging M. in Konkurs und lebte fortan von einer kleinen Pension des dänischen Königs, bevor er völlig verarmt verstarb.
Literatur J. F. Schütze, Hamburger Theater-Geschichte, Hamburg 1794, S. 193-207; M. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 2 Bde., Dresden 1861-1862 (ND Leipzig 1979); E. H. Müller, Angelo und Pietro Mingotti, Dresden 1917; O. Landmann, Quellenstudien zum Intermezzo Comico per Musica und zu seiner Geschichte in Dresden, Diss. Rostock 1972, S. 103-108; K. H. Viertel, Anmerkungen zum Dresdner Opernpublikum während der Direktionszeit Johann Adolf Hasses, in: G. Stephan/H. John (Hg.), Dresdner Operntraditionen, 9. Sonderheft, Dresden 1985, S. 108-118; S. Dahms, „Le nozze d’ercole e d’ebe“ und das Gastspiel der Mingotti-Truppe in Dresden und Pillnitz, in: ebd., 11. Sonderheft, Dresden 1987, S. 439-449. – DBA III.
Nicole Preuß
25.5.2009
Empfohlene Zitierweise:
Nicole Preuß, Artikel: Pietro Mingotti,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22338 [Zugriff 2.11.2024].
Pietro Mingotti
Literatur J. F. Schütze, Hamburger Theater-Geschichte, Hamburg 1794, S. 193-207; M. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 2 Bde., Dresden 1861-1862 (ND Leipzig 1979); E. H. Müller, Angelo und Pietro Mingotti, Dresden 1917; O. Landmann, Quellenstudien zum Intermezzo Comico per Musica und zu seiner Geschichte in Dresden, Diss. Rostock 1972, S. 103-108; K. H. Viertel, Anmerkungen zum Dresdner Opernpublikum während der Direktionszeit Johann Adolf Hasses, in: G. Stephan/H. John (Hg.), Dresdner Operntraditionen, 9. Sonderheft, Dresden 1985, S. 108-118; S. Dahms, „Le nozze d’ercole e d’ebe“ und das Gastspiel der Mingotti-Truppe in Dresden und Pillnitz, in: ebd., 11. Sonderheft, Dresden 1987, S. 439-449. – DBA III.
Nicole Preuß
25.5.2009
Empfohlene Zitierweise:
Nicole Preuß, Artikel: Pietro Mingotti,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22338 [Zugriff 2.11.2024].