Paul Werkmeister
W. war 13 Jahre als ein überaus engagierter und international anerkannter Hochschullehrer und Wissenschaftler der Vermessungs- und Instrumentenkunde an der Technischen Hochschule Dresden tätig. In dieser Zeit hat er den guten Ruf der Dresdner Geodätenausbildung verstärken sowie das dortige Geodätische Institut und dessen große Sammlungen weiterentwickeln können. – W. stammte aus Stuttgart, wo er an der Friedrich-Eugens-Realschule die Reifeprüfung ablegte. Seine Begabung für praktisches Rechnen und Zeichnen ließ ihn eine dreijährige Lehre als Vermessungstechniker mit einem Jahr Praxis bei einem Katastergeometer absolvieren. 1897 nahm er ein Studium der Geodäsie und angewandten Mathematik an der Technischen Hochschule Stuttgart auf, das er 1902 mit dem Diplomexamen abschloss. Hier fand W. mit
Ernst Hammer einen hervorragenden Lehrer und Wissenschaftler der Geodäsie, dessen klare und verständliche Art des Unterrichtens ihm in seiner späteren Lehrtätigkeit zum Vorbild werden sollte. Nach einer einsemestrigen Anstellung als Assistent bei Hammer und einer einjährigen Tätigkeit in der Württembergischen Kommission für die Internationale Erdmessung trat W. 1903 in die Topographische Abteilung des Württembergischen Statistischen Landesamts in Stuttgart ein, wo er zuletzt die Nivellementsabteilung leitete. Im Sommersemester 1907 vertrat er den Professor für praktische Geometrie an der Technischen Hochschule Stuttgart. Im selben Jahr folgte er einem Angebot der Kaiserlich Technischen Schule in Straßburg, die Feldmesserausbildung zu leiten und die geodätischen Fächer sowie die angewandte Mathematik zu lehren. 1912 promovierte W. an der Technischen Hochschule Karlsruhe mit einer Dissertation über das württembergische Präzisionsnivellement zum Dr.-Ing. 1915 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger zum Heer und war in den Vermessungstruppen eingesetzt. Mit der Abtretung Elsass-Lothringens an Frankreich am Ende des Ersten Weltkriegs musste W. seine Tätigkeit in Straßburg aufgeben und ging für kurze Zeit als Lehrbeauftragter der Vermessungskunde an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg. 1919 nahm er eine Tätigkeit als Lehrer für Trigonometrie an der Höheren Maschinenbauschule in Esslingen auf und hatte für dieses Fach auch einen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Stuttgart. 1922 habilitierte er sich an Letzterer als Privatdozent für wissenschaftliches Rechnen und lehrte die Nomografie und ihre Anwendung im Vermessungswesen. 1925 wurde W. als Nachfolger von Bernhard Pattenhausen zum Ordinarius für Vermessungskunde und Direktor des Geodätischen Instituts mit Observatorium an der Technischen Hochschule Dresden berufen. In der Reihe der Dresdner Geodäsieprofessoren steht er damit chronologisch an dritter Stelle. Von seinem Amtsvorgänger übernahm er nebenamtlich auch das Direktorat des Mathematisch-Physikalischen Salons im Dresdner Zwinger. Er lehrte die Fächer Vermessungskunde, auch für Studierende des Bauingenieurwesens und der Architektur, Instrumentenkunde, Plan- und Geländezeichnen, Topografie und Kartografie, Ausgleichungsrechnung, Kartenprojektionslehre und astronomische Orts- und Zeitbestimmung. W. sorgte dafür, dass die Photogrammetrie für Vermessungsingenieure zum Pflichtfach wurde. – Den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit legte W. auf die niedere Geodäsie und hier besonders auf die Untersuchung und Begutachtung geodätischer Instrumente. Damit gab er v.a. der Instrumentenkunde vielfache Impulse. Er war ständig bestrebt, die stattliche Instrumentensammlung des Instituts mit Neuentwicklungen der Herstellerfirmen, auch mit photogrammetrischen Geräten, zu bereichern. Daraus und aus der reichen Kartensammlung gestaltete er zur 100-Jahr-Feier der Technischen Hochschule Dresden 1928 eine viel beachtete Ausstellung. – Eine schwere Erkrankung führte auf W.s Bitte hin 1938 zur vorzeitigen Emeritierung und Entpflichtung vom Direktorat des Mathematisch-Physikalischen Salons. Er zog in seine Vaterstadt Stuttgart zurück, wo er sich publizistischen Arbeiten widmete. 1941 kehrte er für kurze Zeit noch einmal in den Lehrbetrieb zurück, um an der Technischen Hochschule Stuttgart vertretungsweise die Vermessungskunde zu unterrichten. – 1918 trat W. in die von Gustav Stresemann gegründete DVP und 1933 in den Nationalsozialistischen Deutschen Frontkämpferbund ein. Von der nationalsozialistischen Bewegung ließ er sich jedoch nicht vereinnahmen. Er war Mitglied im Vorstandsrat des Deutschen Museums in München und des Sächsischen Technischen Oberprüfungsamts. 1930/31 stand er der Bauingenieurabteilung der Technischen Hochschule Dresden vor. Als Mitglied im Beirat für das Vermessungswesen beim Reichsministerium des Innern in Berlin nahm W. maßgeblichen Einfluss v.a. auf das Projekt der Deutschen Grundkarte 1:5000 und auf die Neuordnung des Vermessungsgewerbes. Ebenso war er im Fachnormenausschuss für Vermessungswesen in Berlin tätig. 1939 wurde ihm das Treudienst-Ehrenzeichen erster Stufe verliehen. – W.s publizistisches Schaffen umfasst zahlreiche Aufsätze in verschiedenen Fachzeitschriften im In- und Ausland, darunter in der Zeitschrift für Instrumentenkunde, deren Mitherausgeber er war. Er schrieb mehrere Fachbücher. Seine drei sog. Göschen-Bände zur Vermessungskunde, deren Auflagen nach 1949 zunächst von
Walter Großmann und danach von
Heribert Kahmen noch über viele Jahre weitergeführt wurden, waren in Fachkreisen sehr verbreitet und beliebt. Mit seinem letzten Werk, dem 1943 erschienenen „Lexikon der Vermessungskunde“, gelang ihm noch ein großer publizistischer Erfolg.
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Professorenkatalog und -dokumentation (WV), Personalakte; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium für Volksbildung; Kirchenbuchamt Dresden, Lukaskirchengemeinde, Kirchenbuch 1931; Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, Kirchenregisteramt.
Werke Vermessungskunde, Bd. 1, Berlin/Leipzig 1910, 31922, 41926, 51932, 61938, 91949, Bd. 2, Berlin/Leipzig 1910, 21923, 31930, 41939, 71949, Bd. 3, Berlin/Leipzig 21923, 31934, 61949; Praktisches Zahlenrechnen, Berlin/Leipzig 1921, 21929, 31945; Einführung in die ebene Trigonometrie, Stuttgart 1921; Das Entwerfen von graphischen Rechentafeln (Nomographie), Berlin 1923; Einführung in die Ausgleichsrechnung, Stuttgart 1928; Praktische Mathematik und Vermessungskunde, in: M. Foerster (Hg.), Taschenbuch für Bauingenieure, Bd. 1, Berlin 51928, S. 94-117, 551-604; Topographie-Leitfaden für das topographische Aufnehmen, Berlin 1930; Geodätische Instrumente, Leipzig 1940, 21950; (Hg.), Lexikon der Vermessungskunde, Berlin 1943.
Literatur H. Müller, Paul W. (Nachruf), in: Zeitschrift für Vermessungswesen 74/1949, H. 1, S. 27; H. Peschel, Das Geodätische Institut, in: H. Ley (Red.), Festschrift 125 Jahre Technische Hochschule Dresden 1828-1953, Berlin 1953, S. 115-125; ders., Dr.-Ing. Paul W. zum Gedenken an seinem 75. Geburtstag, in: Vermessungstechnik, Beilage zur Zeitschrift Bauplanung und Bautechnik 2/1953, H. 4, S. 29f.; ders., Zum 100. Geburtstag von Professor Dr.-Ing. Paul W., in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden 27/1978, H. 6, S. 1283f.; ders., 150 Jahre Technische Universität Dresden - 150 Jahre Geodäsie in Lehre und Forschung, in: Vermessungstechnik 26/1978, H. 8, S. 279-281 (P); H. Rößler, Aus der Geschichte des Geodätischen Instituts der Technischen Universität Dresden, in: Geodäsie im Wandel - Einhundertfünfzig Jahre Geodätisches Institut, Dresden 2002, H. 1, S. 7-36 (P). – DBA I; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 1031f.
Porträt Porträtfoto, Audiovisuelles Medienzentrum der Technischen Universität Dresden, Archiv (Bildquelle).
Horst Rößler
28.7.2008
Empfohlene Zitierweise:
Horst Rößler, Artikel: Paul Werkmeister,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23446 [Zugriff 24.11.2024].
Paul Werkmeister
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Professorenkatalog und -dokumentation (WV), Personalakte; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium für Volksbildung; Kirchenbuchamt Dresden, Lukaskirchengemeinde, Kirchenbuch 1931; Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, Kirchenregisteramt.
Werke Vermessungskunde, Bd. 1, Berlin/Leipzig 1910, 31922, 41926, 51932, 61938, 91949, Bd. 2, Berlin/Leipzig 1910, 21923, 31930, 41939, 71949, Bd. 3, Berlin/Leipzig 21923, 31934, 61949; Praktisches Zahlenrechnen, Berlin/Leipzig 1921, 21929, 31945; Einführung in die ebene Trigonometrie, Stuttgart 1921; Das Entwerfen von graphischen Rechentafeln (Nomographie), Berlin 1923; Einführung in die Ausgleichsrechnung, Stuttgart 1928; Praktische Mathematik und Vermessungskunde, in: M. Foerster (Hg.), Taschenbuch für Bauingenieure, Bd. 1, Berlin 51928, S. 94-117, 551-604; Topographie-Leitfaden für das topographische Aufnehmen, Berlin 1930; Geodätische Instrumente, Leipzig 1940, 21950; (Hg.), Lexikon der Vermessungskunde, Berlin 1943.
Literatur H. Müller, Paul W. (Nachruf), in: Zeitschrift für Vermessungswesen 74/1949, H. 1, S. 27; H. Peschel, Das Geodätische Institut, in: H. Ley (Red.), Festschrift 125 Jahre Technische Hochschule Dresden 1828-1953, Berlin 1953, S. 115-125; ders., Dr.-Ing. Paul W. zum Gedenken an seinem 75. Geburtstag, in: Vermessungstechnik, Beilage zur Zeitschrift Bauplanung und Bautechnik 2/1953, H. 4, S. 29f.; ders., Zum 100. Geburtstag von Professor Dr.-Ing. Paul W., in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden 27/1978, H. 6, S. 1283f.; ders., 150 Jahre Technische Universität Dresden - 150 Jahre Geodäsie in Lehre und Forschung, in: Vermessungstechnik 26/1978, H. 8, S. 279-281 (P); H. Rößler, Aus der Geschichte des Geodätischen Instituts der Technischen Universität Dresden, in: Geodäsie im Wandel - Einhundertfünfzig Jahre Geodätisches Institut, Dresden 2002, H. 1, S. 7-36 (P). – DBA I; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 1031f.
Porträt Porträtfoto, Audiovisuelles Medienzentrum der Technischen Universität Dresden, Archiv (Bildquelle).
Horst Rößler
28.7.2008
Empfohlene Zitierweise:
Horst Rößler, Artikel: Paul Werkmeister,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23446 [Zugriff 24.11.2024].