Paul Thierfelder
Seine Kindheit verbrachte T. im erzgebirgischen Auerbach. Nach erfolgreichem Abschluss der Volksschule begann er eine Lehre als Zimmermann. Wo er diese absolvierte ist nicht bekannt. Ab Februar 1901 folgte eine Ausbildung an der Handwerkerschule in Chemnitz. Es ist zu vermuten, dass er dort eine Ausbildung zum Baumeister erhielt. Nach dieser Zeit ließ er sich von dem Architekten
Kühn ausbilden. Im September 1906 legt er seine theoretische Prüfung in Schwerin ab, woraufhin er nach Chemnitz ging, um eine Stelle bei dem Baumeister
Kurt Heinsius anzutreten. – 1907 kehrte T. in seinen Geburtsort Auerbach/Erzgebirge zurück und nahm in der Strumpfwarenfabrik von August Robert Wieland eine Stelle als technischer Leiter an. Dies war ein sehr ungewöhnlicher Schritt, da er bis dato keinerlei Erfahrung in der Strumpfindustrie hatte. In den folgenden Jahren entwarf T. viele Gebäude für Wieland, darunter Fabrikationsgebäude und eine Villa. Am 19.5.1912 heiratete er
Rosa Wieland, die Tochter seines Chefs. Im selben Jahr beteiligte sich T. erfolgreich an einer Ausschreibung des Auerbacher Gemeinderates zum Neubau eines Rathauses. Für diesen Ort konzipierte er ebenso eine Turnhalle und eine Schule. Letzteres Projekt wurde jedoch infolge des Ersten Weltkriegs nicht ausgeführt. – Zu Bekanntheit gelangte T. als Miterfinder des sog. ganzen Strumpfs. Er hatte dafür Maschinen in den Stand gesetzt, dass Strümpfe vom Doppelrand bis zur Spitze gearbeitet werden konnten. Dadurch wurde die sog. Fußmaschine mit einem Arbeiter und zwei Aufstoßern entbehrlich, was eine ungeheure wirtschaftliche Einsparung darstellte. Das Patent wurde als „Verfahren zur Herstellung eines gewirkten regulären Strumpfes“ am 12.2.1914 unter der Nummer 293168 erteilt. Es fand in Fachkreisen breite Anerkennung und wurde als „Wieland-Ferse“ oder „W-Ferse“ weltbekannt. Das Kaiserliche Patentamt zu Berlin war an dieser Erfindung so interessiert, dass ein hoher Beamter im Juni 1914 in Auerbach/Erzgebirge weilte, um sich in der Firma von Wieland über den Stand der Technik auf dem Gebiet der Wirkwaren unterrichten zu lassen. Neben einigen anderen Patenten entwarf T. eine Vielzahl an Geschmacksmustern für Strümpfe, womit die Firma besondere Absatzerfolge verbuchen konnte. Er schuf die Grundlage für den Aufstieg der Firma von Wieland zu einem führenden Unternehmen der Branche. – 1914 wurde T. zum Kriegsdienst einberufen. In den ersten Kriegsjahren war er an der Westfront als Jägeroffizier und ab Oktober 1916 als Fliegerbeobachtungsoffizier auf dem Balkan eingesetzt. Am 20.9.1917 wurde er im Luftkampf verwundet. Infolge der zugezogenen Verletzungen verstarb er am 24.9.1917 und wurde in Resna (Mazedonien) beigesetzt. Nach Überführung des Leichnams nach Auerbach/Erzgebirge wurde er dort am 7.5.1918 erneut beigesetzt. – Ehrungen und Auszeichnungen erfuhr T. auf verschiedene Weise: Er war Träger des Eisernen Kreuz I. und II. Klasse, des Beobachterabzeichens, des Eisernen Halbmonds der Türkei, des Ritterkreuzes des Zivilverdienstordens II. Klasse mit Schwertern des Königreichs Sachsen sowie des Ritterkreuzes des Albrechtsordens II. Klasse mit Schwertern. Der Segelflugzeugverein in Auerbach/Erzgebirge benannte ein Segelflugzeug nach ihm. Nach T.s Tod gründete sein Schwiegervater eine Stiftung mit dem Namen „Paul Thierfelder- und
Georg Oehme-Stiftung“. In der baden-württembergischen Stadt Gaildorf, in welche T.s Sohn Hans nach dem Zweiten Weltkrieg übersiedelte, wurde eine Straße nach ihm benannt.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Chemnitz, 31313 Feinstrumpfgroßwerke A. Robert Wieland; Archiv des Erzgebirgskreises, Außenstelle Stollberg, Gemeinde Auerbach vor 1945; Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Auerbach/Erzgebirge, Kirchenbücher; Stadtarchiv Chemnitz, Polizeiliches Meldewesen „T“; Gemeindeverwaltung Auerbach/Erzgebirge, Bauaktenarchiv; Universitätsbibliothek Chemnitz, Patentinformationszentrum; Oberschule Auerbach/Erzgebirge, Archiv; Familienarchiv Drechsel, Tagebuch von Paul T.
Literatur Wir von der Strumpfwirkerei. Werkszeitschrift der ARWA-Betriebsgemeinschaft A. Robert Wieland, Chemnitz 1939-1945; F. Drechsel/H. Krause/K. M. Oßwald, ARWA - Aufstieg und Fall eines Strumpfimperiums, Neustadt a. d. Aisch 2014.
Porträt Paul Richard T., Fotografie, um 1915, Familienarchiv Drechsel (Bildquelle).
Falk Drechsel
23.6.2014
Empfohlene Zitierweise:
Falk Drechsel, Artikel: Paul Thierfelder,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27097 [Zugriff 4.11.2024].
Paul Thierfelder
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Chemnitz, 31313 Feinstrumpfgroßwerke A. Robert Wieland; Archiv des Erzgebirgskreises, Außenstelle Stollberg, Gemeinde Auerbach vor 1945; Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Auerbach/Erzgebirge, Kirchenbücher; Stadtarchiv Chemnitz, Polizeiliches Meldewesen „T“; Gemeindeverwaltung Auerbach/Erzgebirge, Bauaktenarchiv; Universitätsbibliothek Chemnitz, Patentinformationszentrum; Oberschule Auerbach/Erzgebirge, Archiv; Familienarchiv Drechsel, Tagebuch von Paul T.
Literatur Wir von der Strumpfwirkerei. Werkszeitschrift der ARWA-Betriebsgemeinschaft A. Robert Wieland, Chemnitz 1939-1945; F. Drechsel/H. Krause/K. M. Oßwald, ARWA - Aufstieg und Fall eines Strumpfimperiums, Neustadt a. d. Aisch 2014.
Porträt Paul Richard T., Fotografie, um 1915, Familienarchiv Drechsel (Bildquelle).
Falk Drechsel
23.6.2014
Empfohlene Zitierweise:
Falk Drechsel, Artikel: Paul Thierfelder,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27097 [Zugriff 4.11.2024].