Nikolaus Schreiter

S. trat insbesondere durch sein Wirken an den Universitäten Leipzig und Wittenberg sowie durch seine zwischen 1486 und 1490 entstandene Predigtlehre „Dicta de arte predicandi“ hervor. – S., dessen Geburtsjahr unbekannt ist, ist im Sommersemester 1461 in der Matrikel der Universität Leipzig mit der Herkunftsbezeichnung „von Coburg“ eingeschrieben. 1463 erwarb er in Leipzig den Grad eines Baccalaureus und 1466 des Magisters. Er übernahm die Lehrverpflichtungen als Cursor (d.h. er las die ihm zugewiesenen Kapitel der Bibel, jedoch nicht in der Ausführlichkeit der üblichen Vorlesungen) und wurde 1476 Vizekanzler. 1488 war er Dekan der Philosophischen Fakultät sowie Sententiarius, und damit verpflichtet, über die vier Bücher der Sentenzen des Petrus Lombardus, dem wichtigsten dogmatischen Lehrbuch des Mittelalters, vorzulesen. – Durch eine zwischen 1486 und 1490 entstandene Mitschrift eines Schülers von S. am Leipziger Collegium Petrinum, Johannes Nagel, ist sein bisher einzig bekanntes Werk „Dicta de arte predicandi venerabilis viri magistri Koburck“ mit dem Incipit „Ex quo in ecclesiarum regimine officium predicationis“ überliefert. Seine Predigtlehre spiegelt prototypisch das Aufgreifen der Traditionen der artes praedicandi von Augustinus, Alanus ab Insulis, Henricus de Hassia wider, die sich am Ende des 15. Jahrhunderts mit der wiederentdeckten Rhetoriktheorie von Ciceros „De Oratore“ und der pseudociceronianischen Schrift „Ad herenium“ verband. S.s Werk wies damit voraus auf die Predigtlehren der Reformationszeit, wie die von Johannes Reuchlin. – Während seiner Tätigkeit an der Leipziger Universität war S. in schwerwiegende Streitigkeiten an der Fakultät verwickelt. Zusammen mit seinem Kollegen Andreas Frisner von Wunsiedel, der 1482 Dekan an der Universität Leipzig war, wurde er wegen Beleidigung von Mitgliedern der Theologischen Fakultät und wegen Fälschung der Matricula facultatis artium, den Promotionslisten, von der Universität ausgeschlossen. Kurze Zeit später wurden jedoch beide auf Bewirken des Bischofs Johann V. von Meißen wieder aufgenommen. Zu erneuten Auseinandersetzungen kam es jedoch im Zusammenhang mit unrühmlichen Vermerken über S. und Frisner im Bericht des Dekans Johannes von Fabri im Jahr 1486. Nach tätlichen Übergriffen auf Fabri 1489 wurden S. und Frisner verhaftet. Der folgende Prozess zog weite Kreise bis hin zur römischen Kurie. Zwischenzeitlich war S. anscheinend noch in anderen Ämtern tätig. 1493 wurde er in seiner Funktion als Pfarrer (plebanus) von Torgau als einer von sieben Zeugen im Testament Kurfürst Friedrichs III. (der Weise) genannt, das dieser vor seiner Reise ins Gelobte Land verfasste. Die Streitigkeiten in Leipzig wurden am 23.2.1499 durch einen Kompromiss beigelegt, der u.a. beinhaltete, dass sämtliche Beleidigungen gegen S. und Frisner - und damit zugleich wichtige Quellen zu den Hintergründen des Streits und zur Person S.s - in allen Büchern der Universität getilgt werden sollten. S. jedoch war es nun möglich, am 24.2.1499 in Leipzig das Licentiat der Theologie zu erwerben und seine Promotion innerhalb eines Jahres abzuschließen. – Anlässlich der Einweihung der von Kurfürst Friedrich gegründeten Universität Wittenberg am 12.10.1502 hielt S. eine Rede in der Wittenberger Stadtkirche. Nach Christian Schlegel gehörte S. zu den ersten Professoren dieser Universität. Da es keine Belege für S.s Lehrtätigkeit in Wittenberg gibt, liegt es nahe, dass er in sein Torgauer Amt zurückkehrte. In der Abschrift des alten Bibliothekskatalogs des Meißner Franziskanerklosters von Friedrich Adolf Ebert, Direktor der Königlich Öffentlichen Bibliothek zu Dresden, wird jedenfalls ein Eintrag erwähnt, wonach S. „von Koburck“ diesen Druck im Torgauer Franziskanerkloster gelesen hat und am Montag nach dem Festtag des hl. Lampertus, also am 18.9.1508, in Torgau verstorben war.

Quellen A. Sennert, Itemque inscriptiones Wittebergensis. Editio altera auctior et correctior, Wittenberg 1678, S. 38f.; J. S. Müller, Des Chur- und Fürstlichen Hauses Sachsen Ernestin- und Albertinischer Linie Annales, von Anno 1400-1700, Weimar 1701, S. 55f.; F. Zarncke (Hg.), Die Deutschen Universitäten im Mittelalter, Leipzig 1857, S. 188-190, 203f., 258-261; Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, hrsg. von F. Zarncke, Leipzig 1857, S. 538; Die Statutenbücher der Universität Leipzig aus den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, hrsg. von dems., Leipzig 1861, S. 120-122, 132, 553; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, II. Hauptteil, Bd. 11: Urkundenbuch der Universität Leipzig. Von 1409-1555, hrsg. von B. Stübel, Leipzig 1879, S. 232-239, 253-258, 380-385, ebd., Bd. 16: Die Matrikel der Universität Leipzig, Teil 1, hrsg. von G. Erler, Leipzig 1895, S. 226-228, ebd., Bd. 17: Die Matrikel der Universität Leipzig, Teil 2, Leipzig 1897, S. XLVI-XLIX, 11-16, 191-251, 291-305; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, R. 232b, fol. 13r.

Werke Dicta de arte predicandi venerabilis viri magistri Koburck (Incipit: Ex quo in ecclesiarum regimine officium predicationis), [zwischen 1486-1490], Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, B. 105, fol. 7r-12v; Ex quo in ecclesiarum regimine officium predicationis, 1498, Stiftsbibliothek Aschaffenburg, Ms. Pap. 33, XII, fol. 261r-270v.

Literatur C. Schlegel, Initia reformationis Coburgensis in vita Ioannis Langeri, ... descripta, Gotha 1717, S. 5f.; E. G. Gersdorf, Beitrag zur Geschichte der Universität Leipzig, Leipzig 1869, S. 30; J. F. Köhler, Fragmente zur Geschichte der Stadt und Universität Leipzig, Leipzig 1787, S. 115f.; T. Brieger (Hg.), Die theologischen Promotionen auf der Universität Leipzig 1428-1539, Leipzig 1890, S. XI-XII, 1-18; G. Kaufmann, Zur Gründung der Wittenberger Universität, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 11/1894, S. 114-143; W. Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle/Saale 1917, S. 16-19; H. Caplan, Medieval Artes Praedicandi, Ithaca/New York 1934, S. 12; T.-M. Charland, Artes Praedicandi, Paris/Ottawa 1936, S. 65; H. Helbig, Universität Leipzig, Frankfurt/Main 1961, S. 18-23; T. Freudenberger, Hieronymus von Dungersheim von Ochsenfurt am Main, 1465-1540, Theologieprofessor in Leipzig, Münster 1988, S. 17; M. G. Briscoe, Artes Praedicandi, Turnhout 1992, S. 58-60; R. Kunert, Untersuchungen zu Predigtlehren des 15. Jahrhunderts, Magisterarbeit TU Dresden 2003. – DBA II; T. Krieg (Hg.), Das geehrte und gelehrte Coburg, Bd. 2, Coburg 1929, S. 302.

Romy Kunert
2.5.2008


Empfohlene Zitierweise:
Romy Kunert, Artikel: Nikolaus Schreiter,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23529 [Zugriff 19.4.2024].

Nikolaus Schreiter



Quellen A. Sennert, Itemque inscriptiones Wittebergensis. Editio altera auctior et correctior, Wittenberg 1678, S. 38f.; J. S. Müller, Des Chur- und Fürstlichen Hauses Sachsen Ernestin- und Albertinischer Linie Annales, von Anno 1400-1700, Weimar 1701, S. 55f.; F. Zarncke (Hg.), Die Deutschen Universitäten im Mittelalter, Leipzig 1857, S. 188-190, 203f., 258-261; Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, hrsg. von F. Zarncke, Leipzig 1857, S. 538; Die Statutenbücher der Universität Leipzig aus den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, hrsg. von dems., Leipzig 1861, S. 120-122, 132, 553; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, II. Hauptteil, Bd. 11: Urkundenbuch der Universität Leipzig. Von 1409-1555, hrsg. von B. Stübel, Leipzig 1879, S. 232-239, 253-258, 380-385, ebd., Bd. 16: Die Matrikel der Universität Leipzig, Teil 1, hrsg. von G. Erler, Leipzig 1895, S. 226-228, ebd., Bd. 17: Die Matrikel der Universität Leipzig, Teil 2, Leipzig 1897, S. XLVI-XLIX, 11-16, 191-251, 291-305; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, R. 232b, fol. 13r.

Werke Dicta de arte predicandi venerabilis viri magistri Koburck (Incipit: Ex quo in ecclesiarum regimine officium predicationis), [zwischen 1486-1490], Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, B. 105, fol. 7r-12v; Ex quo in ecclesiarum regimine officium predicationis, 1498, Stiftsbibliothek Aschaffenburg, Ms. Pap. 33, XII, fol. 261r-270v.

Literatur C. Schlegel, Initia reformationis Coburgensis in vita Ioannis Langeri, ... descripta, Gotha 1717, S. 5f.; E. G. Gersdorf, Beitrag zur Geschichte der Universität Leipzig, Leipzig 1869, S. 30; J. F. Köhler, Fragmente zur Geschichte der Stadt und Universität Leipzig, Leipzig 1787, S. 115f.; T. Brieger (Hg.), Die theologischen Promotionen auf der Universität Leipzig 1428-1539, Leipzig 1890, S. XI-XII, 1-18; G. Kaufmann, Zur Gründung der Wittenberger Universität, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 11/1894, S. 114-143; W. Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle/Saale 1917, S. 16-19; H. Caplan, Medieval Artes Praedicandi, Ithaca/New York 1934, S. 12; T.-M. Charland, Artes Praedicandi, Paris/Ottawa 1936, S. 65; H. Helbig, Universität Leipzig, Frankfurt/Main 1961, S. 18-23; T. Freudenberger, Hieronymus von Dungersheim von Ochsenfurt am Main, 1465-1540, Theologieprofessor in Leipzig, Münster 1988, S. 17; M. G. Briscoe, Artes Praedicandi, Turnhout 1992, S. 58-60; R. Kunert, Untersuchungen zu Predigtlehren des 15. Jahrhunderts, Magisterarbeit TU Dresden 2003. – DBA II; T. Krieg (Hg.), Das geehrte und gelehrte Coburg, Bd. 2, Coburg 1929, S. 302.

Romy Kunert
2.5.2008


Empfohlene Zitierweise:
Romy Kunert, Artikel: Nikolaus Schreiter,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23529 [Zugriff 19.4.2024].