Many Jost
In zahlreichen katholischen und evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands finden sich moderne Gestaltungen liturgischer Geräte, Textilien und Gebäudeteile aus der Hand oder nach Planungen J.s. – Die Familie Jost zog 1904 aus dem Russischen Kaiserreich ins Deutsche Kaiserreich zurück. Nach Oberdollendorf bei Königswinter, Doesburg (Niederlande) und Wittenberg wurde 1910 Meißen zur Lebensstation J.s. Nach Abschluss des Lyzeums 1914 in Dresden erhielt sie eine hauswirtschaftliche Ausbildung und engagierte sich in der Freizeit beim DRK, z.B. bei der Betreuung Kriegsverwundeter. Zu dieser Zeit erhielt sie Zeichenunterricht u.a. bei Paul Emil Börner. – 1921 belegte J. ein Semester Kunstgeschichte an der Universität Bonn, studierte aber anschließend bis 1926 zehn Semester an der Dresdner Kunstgewerbeschule. Dort spezialisierte sie sich auf Entwerfen, Färben, Kunstschrift und Batik. Sie arbeitete ab 1926 in Dresden freischaffend in einer eigenen Werkstatt. In ihrer Freizeit engagierte sie sich seit 1920 zunächst in dem neuen katholischen Jugendbund „Quickborn“ und war 1923 bis 1925 Gauleiterin der darin organisierten sächsischen Mädchen. Sie wirkte darüber hinaus im Reichsfrauenbeirat der Zentrumspartei und in der Jugendarbeit der Caritas mit. Um 1930 trat sie der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst bei und fand Anregungen im Dresdner Katholischen Kunstkreis. J. engagierte sich außerdem im Ökumenischen Arbeitskreis Dresden und im Katholischen Deutschen Frauenbund. – 1936 wurde J. aus der NS-Reichskulturkammer ausgeschlossen: Sie hatte zwei Ölgemälde vom Bau der Autobahnbrücke in Siebenlehn angefertigt. Das anlässlich einer Ausstellung der Bilder in Dresden geäußerte Kaufinteresse des Reichspropagandaministeriums lehnte J. ab. Diese Ablehnung zog praktisch ein Berufsverbot nach sich. Der dazukommende Rückgang kirchlicher Aufträge bedeuteten das vorläufige Aus für ihre berufliche Selbstständigkeit. Fortan arbeitete sie als Abteilungsleiterin beim Dresdner Kunstgewerbe
Böhme &
Hennen. In dieser Zeit kümmerte sie sich heimlich um politisch Verfolgte, Benachteiligte und Zwangsarbeiter in der dortigen Belegschaft. – Nach der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 blieb J. in Meißen und baute im Haus Kapellenweg 7 ihre „Werkstatt für Kirchenkunst“ auf. In Meißen war sie im Oktober 1945 an der Gründung der CDU-Ortsgruppe beteiligt. Für diese wirkte J. 1946 bis 1950 als Stadtverordnete in Meißen sowie als Landtagsabgeordnete. Als Mitglied des Bauausschusses verhinderte sie maßgeblich den Abbruch der Ruine der Semperoper. Auf Anregung jüngerer CDU-Mitglieder organisierte sie den im Rahmen des II. Parlaments der FDJ in Meißen stattfindenden ersten ökumenischen Gottesdienst im Dom am Pfingstmontag 1947. – Ab 1950 zog sich J. vom politischen Engagement weitgehend zurück und widmete sich ihrer kunstgewerblichen Arbeit. Es entstanden zahlreiche liturgische Textilien sowie Entwürfe für Fensterverglasungen und liturgische Geräte in Kirchen, wie die für ihre Heimatkirche St. Benno in Meißen. Nebenbei widmete sie sich der kirchlichen Vortragsarbeit u.a. in der Evangelischen Akademie Meißen und gab Zeichenunterricht. Seit 1986 lebte sie im Altersheim der Pfarrgemeinde St. Benno in Meißen, wo sie als letzte Arbeit das vierteilige Altarretabel für die Hauskapelle malte. Sie starb 1992 unverheiratet und kinderlos im St.-Joseph-Stift in Dresden. Eine Straße im Meißner Ortsteil Bohnitzsch erhielt 1997 ihren Namen.
Quellen Stadtmuseum Meißen, Nachlass J. (P).
Werke Gemälde: Erdwunde, 1930, Stadtmuseum Meißen; Muldenbrücke I/II, 1936, ebd.; Der Heimkehrer, um 1948, ebd.; Altarretabel, Gemeindesaal Pfarrei St. Benno Meißen; Farbglasfenster: Kirche St. Benno Meißen; Liturgisches Gerät, liturgische Gewänder und andere Textilien: Dom Meißen; Domkapitel Bautzen; Trinitatiskirche Dresden, 1965; Johanneskirche Meißen, 1966/67; Hauskapelle St.-Anna-Entbindungsheim Dresden, 1968; Hauskapelle St.-Benno-Krankenhaus Bautzen.
Literatur G. Steinecke, „Hoffnung trotz Umwelt“, in: Meißner Amtsblatt 3/1995, Nr. 4, S. 17f.; S. Pietzonka, „Verlernt das Staunen nicht!“ Eine Meißner Künstlerin auf der Suche nach Gott, Meißen 2009 (Faltblatt einer Ausstellung).
Porträt Many (Maria) J., 1947, Passfoto in Abgeordnetenausweis, Stadtmuseum Meißen, Nachlass J. (Bildquelle).
Steffen Förster
3.4.2017
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Many Jost,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23587 [Zugriff 22.11.2024].
Many Jost
Quellen Stadtmuseum Meißen, Nachlass J. (P).
Werke Gemälde: Erdwunde, 1930, Stadtmuseum Meißen; Muldenbrücke I/II, 1936, ebd.; Der Heimkehrer, um 1948, ebd.; Altarretabel, Gemeindesaal Pfarrei St. Benno Meißen; Farbglasfenster: Kirche St. Benno Meißen; Liturgisches Gerät, liturgische Gewänder und andere Textilien: Dom Meißen; Domkapitel Bautzen; Trinitatiskirche Dresden, 1965; Johanneskirche Meißen, 1966/67; Hauskapelle St.-Anna-Entbindungsheim Dresden, 1968; Hauskapelle St.-Benno-Krankenhaus Bautzen.
Literatur G. Steinecke, „Hoffnung trotz Umwelt“, in: Meißner Amtsblatt 3/1995, Nr. 4, S. 17f.; S. Pietzonka, „Verlernt das Staunen nicht!“ Eine Meißner Künstlerin auf der Suche nach Gott, Meißen 2009 (Faltblatt einer Ausstellung).
Porträt Many (Maria) J., 1947, Passfoto in Abgeordnetenausweis, Stadtmuseum Meißen, Nachlass J. (Bildquelle).
Steffen Förster
3.4.2017
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Many Jost,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23587 [Zugriff 22.11.2024].