Ludwig Würkert
W. trat insbesondere durch seine Teilnahme am Revolutionsgeschehen von 1848/49 sowie durch seine Verdienste um die Erwachsenenbildung in Sachsen hervor. – W. entstammte einer angesehenen Leisniger Bürgerfamilie. Ab 1814 besuchte er die Fürstenschule in Grimma. Anschließend studierte er 1819 bis 1822 Theologie an der Universität Leipzig, wo er als Sprecher einer Burschenschaft durch seine rhetorische Begabung und radikale Gesinnung auffiel. Zugleich betätigte er sich als Schriftsteller und Theaterdichter. Seit 1824 Diakonus und seit 1827 Archidiakonus in Mittweida, war er bemüht, sozial unterprivilegierten jungen Handwerkern zu Bildung und gesellschaftlicher Anerkennung zu verhelfen. In seelsorgerlicher Eigenverantwortung nahm er seinerzeit unübliche pädagogische Aufgaben wahr, so 1835 mit einer unentgeltlichen Sonntags- und Nachschule für mittellose Lehrlinge und Gesellen. – Als Schriftsteller war W. überaus produktiv und veröffentlichte zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher und Schriften. Hervorzuheben ist die 1836/37 mit Wilhelm Haan herausgegebene „Stadt- und Landschule“, ein neunbändiges Kompendium der Schulwissenschaften für Lehrer und Schüler. 1843 wurde W. als Oberpfarrer nach Zschopau berufen. Hier entwickelte er sich zum Parteigänger und Förderer des Revolutionsgeschehens von 1848/49. Angesichts gravierender wirtschaftlicher und sozialer Probleme in den Erzgebirgsgemeinden schloss er sich dem demokratischen Lager an, in dem er als Wortführer politischer Volksvereine maßgeblich an der Leitung der Zschopauer Unruhen Anfang Mai 1849 beteiligt war. Seine Aufforderung, mit bewaffnetem Zuzug von Freischaren am Barrikadenkampf des Dresdner Maiaufstands teilzunehmen, führte zur Anzeige und Anklage wegen Aufwiegelung zum Hochverrat. Noch im Ornat wurde er unmittelbar nach dem Gottesdienst am 13.5.1849 vor der Zschopauer Stadtkirche verhaftet und nach Schloss Augustusburg verbracht. Er wurde zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und war 1851 bis 1855 im Zuchthaus Waldheim inhaftiert; die Hälfte der Strafe wurde ihm erlassen. – Da er nicht nur von seinem Pfarramt suspendiert worden war, und ihn zwischenzeitlich auch Ehefrau und Sohn verlassen hatten, suchte W. seinen Lebensunterhalt in Leipzig. Ab 1857 war er schriftstellerisch tätig und pachtete 1861 Gasträume im Hôtel de Saxe. Hier betrieb er eine „Restauration für Volksbildung, Volksveredelung und Volksermutigung“, die seit 1862 auch als Versammlungslokal des Leipziger Arbeiterbildungsvereins „Vorwärts“ diente und wo auch W. selbst allgemeinbildende Vorträge hielt. – Unbefriedigt von seiner Tätigkeit als Gastwirt übernahm W. 1867 die Stelle eines Predigers in der freireligiösen (deutsch-katholischen) Gemeinde Hanau. Nachdem er sich jedoch mit der Gemeindeleitung zerstritten hatte, kehrte er 1871 nach Leisnig zurück. 1875 gründete er hier die freireligiöse Wochenschrift „Freie Glocken“ und wirkte bis zu seinem Tod als deren Herausgeber und Redakteur. – In Leisnig, Zschopau, Augustusburg und Leipzig erinnern Straßennahmen an den streitbaren Demokraten, dessen soziales Engagement Maßstäbe setzte. Seine pädagogischen Impulse wurden von den Arbeiterbildungsvereinen aufgegriffen und in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung weitergeführt.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium der Justiz, Nr. 543-545 Den Aufruhr in Dresden betr., 1849-1855.
Werke mit W. Haan, Die Stadt- und Landschule. Eine Sammlung aller Schulwissenschaften für Lehrer und Schüler, 9 Bde., Leipzig 1836/37; Der Gefangene und sein Ring, in: Die Feldkirche 1/1856, Nr. 14-20; Der Bau und die Bauleute oder die Reformatoren, 2 Bde., Leipzig 1861-1864; Das Proletarierkind, Leipzig 1865; [unter Pseud. Ludwig Rein], Marlene oder Magd und Gräfin. Ein Tendenzroman, 2 Bde., Leipzig 1867.
Literatur F. Hofmann, Ein Leipziger Wirth als Volksprediger (L. W.), in: Die Gartenlaube 12/1864, S. 68-72; H. Steglich, „Bürger! Knechtschaft oder Freiheit!“. Die Zschopauer Aufstandstage vom Mai 1849, in: Stadtarchiv Zschopau 6/1932; W. Krannitz, Ludwig W., Pfarrer und Revolutionär, in: Der Heimatfreund für das Erzgebirge 19/1974, S. 175-177; M. Hötzel/M. Kürschner, Straßennamen in Gohlis, Leipzig 2001, S. 95f.
Porträt in: Freie Glocken 6/1876, S. 23 (Bildquelle).
Karl-Heinz Ellinger
19.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
Karl-Heinz Ellinger, Artikel: Ludwig Würkert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4230 [Zugriff 22.11.2024].
Ludwig Würkert
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium der Justiz, Nr. 543-545 Den Aufruhr in Dresden betr., 1849-1855.
Werke mit W. Haan, Die Stadt- und Landschule. Eine Sammlung aller Schulwissenschaften für Lehrer und Schüler, 9 Bde., Leipzig 1836/37; Der Gefangene und sein Ring, in: Die Feldkirche 1/1856, Nr. 14-20; Der Bau und die Bauleute oder die Reformatoren, 2 Bde., Leipzig 1861-1864; Das Proletarierkind, Leipzig 1865; [unter Pseud. Ludwig Rein], Marlene oder Magd und Gräfin. Ein Tendenzroman, 2 Bde., Leipzig 1867.
Literatur F. Hofmann, Ein Leipziger Wirth als Volksprediger (L. W.), in: Die Gartenlaube 12/1864, S. 68-72; H. Steglich, „Bürger! Knechtschaft oder Freiheit!“. Die Zschopauer Aufstandstage vom Mai 1849, in: Stadtarchiv Zschopau 6/1932; W. Krannitz, Ludwig W., Pfarrer und Revolutionär, in: Der Heimatfreund für das Erzgebirge 19/1974, S. 175-177; M. Hötzel/M. Kürschner, Straßennamen in Gohlis, Leipzig 2001, S. 95f.
Porträt in: Freie Glocken 6/1876, S. 23 (Bildquelle).
Karl-Heinz Ellinger
19.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
Karl-Heinz Ellinger, Artikel: Ludwig Würkert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4230 [Zugriff 22.11.2024].