Kurt Johannes

J. gilt als einer der profiliertesten Juristen der Nachkriegszeit in den Kirchen der DDR. – Nach der Schulzeit in Leipzig 1912 bis 1924 und einer Lehre bei der Allgemeinen Deutschen Creditanstalt in Leipzig 1924/25 studierte J. 1924 bis 1928 Rechtswissenschaft an den Universitäten Leipzig, Berlin und Heidelberg. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen in Leipzig Mai/Juni 1928 führten ihn die Stationen seiner Referendarzeit nach Waldheim, Lengenfeld/Vogtland, Dresden, Plauen und Leipzig. Im Februar 1931 wurde er in Leipzig mit der Dissertation „Die arbeitnehmerähnlichen Personen im Arbeitsgerichtsprozess“ promoviert. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen am 24.9.1932 eröffnete er im März 1933 eine Anwaltskanzlei in Pirna. Am 15.4.1940 wurde J. zum Kriegsdienst eingezogen, anschließend geriet er bis zum 23.8.1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft (ab 1937) verlor er Ende 1945 die Zulassung als Rechtsanwalt und war bis August 1946 als Hilfsarbeiter bei der Demontage der Stahlwerke Döhlen und Pirna tätig. Nach seiner politischen Rehabilitierung im Mai 1946 arbeitete er fünf Monate als juristischer Hilfsarbeiter bei einem Grundstücks- und Hypothekenmakler in Pirna. Ab dem 1.2.1947 war er als Einkäufer bei den Elektromechanischen Werkstätten GmbH in Pirna angestellt. J. war Mitglied des Kirchenvorstands der Kirchgemeinde St. Marien zu Pirna und wurde 1947 in die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gewählt. Seine juristische Kompetenz fiel Landesbischof Hugo Hahn bei einer Visitation in Pirna und dem Direktor der Leipziger Mission Carl Ihmels in der Landessynode auf. Deshalb bot man J. auf Vorschlag Ihmels’ den Wechsel in den kirchlichen Dienst an. Ab dem 2.5.1949 arbeitete er als juristischer Hilfsarbeiter in der Kirchenamtsratsstelle Dresden und wurde am 1.4.1950 zum Kirchenrat ernannt. J. erwarb sich im Kirchenamtsratsbereich Dresden großes Vertrauen, sodass sich die Superintendenten beim Landeskirchenamt ab 1954 dafür einsetzten, ihn zum Oberkirchenrat und Kirchenamtsrat zu Dresden zu befördern. Nachdem J. einer Berufung auf die Kirchenamtsratsstelle Leipzig 1955 aus familiären Gründen nicht folgen konnte, wurde er am 6.4.1956 zum Kirchenamtsrat zu Dresden ernannt, ein Jahr später folgte die Verleihung der Amtsbezeichnung „Oberkirchenrat“. In dieser Leitungsposition bewies J. Verhandlungsgeschick und Gemeindenähe, sodass er bereits bei der Wahl des Nachfolgers von Präsident Erich Kotte als Gegenkandidat zu Rudolf Harzer benannt wurde. Einer Berufung in das Konsistorium der benachbarten evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Herbst 1958 folgte J. nicht und wurde vielmehr am 2.6.1959 zum Mitglied des Sächsischen Landeskirchenamts gewählt. So erschien Oberlandeskirchenrat J. nach dem plötzlichen Tod Harzers am 19.12.1959 den Superintendenten wie der Kirchenleitung als allein möglicher Nachfolger. Seine Berufungsurkunde zum Präsidenten datiert vom 25.3.1960. – J. erkannte den beginnenden Wechsel von der Volkskirche zur Freiwilligkeitskirche. Verkündigung und Mission waren ihm besondere Anliegen. Deshalb unterstützte er die Kirchentags- und Kongressarbeit in der Landeskirche wiederholt gegen staatliche Verbote. Auch juristische Entscheidungen in der Kirche verstand er als Teil des Verkündigungsauftrags. Mit dieser, stets am Evangelium orientierten Einstellung beteiligte er sich maßgeblich an der Gestaltung der Ordnung des Bunds der Evangelischen Kirchen in der DDR, als die äußerliche Trennung von der Evangelischen Kirche in Deutschland angesichts der Teilung Deutschlands und des Drucks der DDR-Regierung unausweichlich wurde. J. war lange Mitglied des Vorstands der Konferenz der Kirchenleitungen. Er gehörte zu den Begründern der eigenständigen kirchlichen Juristenausbildung des Kirchenbunds und der sächsischen Landeskirche; lange Jahre war er Vorsitzender der Prüfungskommission. Seine Funktionen in Generalsynode, Kirchenleitung und Rechtsausschuss der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR sowie im Rechtsausschuss des Bunds der Evangelischen Kirchen in der DDR gab er erst im Herbst 1976, schon im Ruhestand, aus gesundheitlichen Gründen auf. Mit derselben Intensität nahm J. sich Problemen in der eigenen Landeskirche an und suchte die Nähe zu den Gemeinden. Nach seinem Emeritierungsgesuch von 1974 wurde er am 30.6.1975 aus dem Amt verabschiedet. – Ähnlich wie sein Vorbild Kotte prägte er über einen langen Zeitraum die rechtliche Entwicklung der sächsischen Landeskirche.

Quellen Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 1, Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Best. 20, Fotosammlung.

Literatur D. Mendt, Das Recht der Gnade. Zum Tode von Präsidenten i.R. Dr. jur. Kurt J., in: Der Sonntag 36/1981, Nr. 32; S. Heitmann/H. D. Knoth, Die Sonderausbildung der Kirchenjuristen, in: Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Bd. IV/2, Baden-Baden/Frankfurt/Main 1995, S. 533-545; D. Auerbach, Evangelisches Sachsen, Leipzig 1999; P. Beier, Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt, Göttingen 1999. – DBA III.

Porträt Foto 1953, Kunstdienst der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Bildquelle).

Carlies Maria Raddatz
16.6.2008


Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz, Artikel: Kurt Johannes,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9107 [Zugriff 21.11.2024].

Kurt Johannes



Quellen Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 1, Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Best. 20, Fotosammlung.

Literatur D. Mendt, Das Recht der Gnade. Zum Tode von Präsidenten i.R. Dr. jur. Kurt J., in: Der Sonntag 36/1981, Nr. 32; S. Heitmann/H. D. Knoth, Die Sonderausbildung der Kirchenjuristen, in: Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Bd. IV/2, Baden-Baden/Frankfurt/Main 1995, S. 533-545; D. Auerbach, Evangelisches Sachsen, Leipzig 1999; P. Beier, Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt, Göttingen 1999. – DBA III.

Porträt Foto 1953, Kunstdienst der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Bildquelle).

Carlies Maria Raddatz
16.6.2008


Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz, Artikel: Kurt Johannes,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9107 [Zugriff 21.11.2024].