Karl Heinrich von Hoym

H. wurde zwar in Dresden geboren, verbrachte jedoch seine Jugend größtenteils am lothringischen und am hannoverschen Hof. Zusammen mit seinen Brüdern wurde er 1711 in den Reichsgrafenstand erhoben. 1713 begab er sich auf Kavaliersreise, um verschiedene deutsche und ausländische Höfe kennen zu lernen. Etwa Ende 1714 bis 1717 hielt er sich in Paris auf, wo er Kontakte zu gelehrten Kreisen knüpfte. Als der sächsische Gesandte in Frankreich, Burkhard von Suhm, 1719 starb, wurde H. 1720 auf Empfehlung des dirigierenden Kabinettsministers Jakob Heinrich Graf von Flemming zu seinem Nachfolger ernannt. Seine Erhebung zum Botschafter 1725 verlieh ihm nicht nur eine höhere Besoldung, sondern v.a. höheres Prestige. Nicht zufällig fiel diese Rangerhöhung zeitlich mit der Hochzeit des französischen Königs Ludwigs XV. und der Tochter des Konkurrenten von Kurfürst Friedrich August I. (König August II. von Polen, der Starke) um die polnische Krone, Maria Leszczyńska, zusammen. Durch H.s Ernennung zum Botschafter wurde die sächsische Präsenz am Versailler Hof symbolisch verstärkt. – In der Zeit seiner Gesandtschaft erwarb H. jene Kompetenzen, die ihn im Urteil seiner Zeitgenossen als vollkommenen Hofmann auszeichneten. Als Kenner der französischen Literatur und ausgewiesener Bibliophiler trug er eine ansehnliche Bibliothek zusammen. Außerdem baute er in seiner Zeit in Paris eine wertvolle Gemäldesammlung auf. – Durch seine Stellung als Diplomat, sein großes Vermögen und seine elegante Lebensführung schien H. eine glänzende Zukunft in Sachsen vorgezeichnet. Friedrich August I. verlieh ihm 1727 den polnischen weißen Adlerorden. Ein Jahr später ernannte er H. zum Kabinettsminister im Domestique-Department als Nachfolger des verstorbenen Grafen Christoph Heinrich von Watzdorf. Die Übernahme des Postens verzögerte sich bis zu H.s Rückkehr nach Dresden 1729. Nach seiner Ankunft in Sachsen erwarb er eine Reihe von Immobilien, u.a. die Güter Putzkau und Skaska. In Dresden kaufte H. das Palais des verstorbenen Grafen von Flemming, laut Karl Ludwig von Pöllnitz das ansehnlichste Wohnhaus in Dresden. Neben seiner Tätigkeit im Kabinett war H. seit 1729 auch Oberleiter der Meißner Porzellanmanufaktur. Als solcher beförderte er die Ansiedlung des französischen Händlers Rodolfe Lemaire in Sachsen, mit dem ein Vertrag geschlossen wurde, nach dem die Manufaktur Porzellangefäße nach Wünschen Lemaires herstellen sollte, die dieser dann in Holland und Frankreich vertreiben wollte. Lemaires Aktivitäten bewegten sich jedoch an der Grenze der Illegalität, da er Porzellan ostasiatischer Art ohne Kennzeichnung als Meißner Fabrikate in Auftrag gab, die problemlos als Fälschung hätten verkauft werden können. Nichtsdestotrotz wirkte sich diese Arbeit positiv auf die künstlerische Entwicklung der Formgestaltung der Meißner Porzellanmanufaktur aus. – Im Geheimen Kabinett verfolgte H. trotz seiner Zuständigkeit für das Departement der inneren Angelegenheiten auch außenpolitische Ziele: Ihm schwebte eine Allianz Sachsens mit Frankreich und Großbritannien gegen Wien und Preußen vor. Doch fiel H. der komplexen Bündnispolitik zum Opfer, die Friedrich August I. in diesen Jahren betrieb. Der Kurfürst-König, der H.s Bestrebungen durchaus unterstützte, bemühte sich dennoch, die Gunst des Kaisers zu gewinnen, um mit dessen Hilfe und der Friedrich Wilhelms I. von Preußen den polnischen Thron für die Wettiner in eine Erbmonarchie zu verwandeln. Gleichzeitig versuchte Friedrich August I. den preußischen König für einen deutschen Fürstenbund zu gewinnen, der angeblich den Kaiser, in Wirklichkeit aber dessen Gegner (Großbritannien, Frankreich, Spanien und die Niederlande), unterstützen sollte. Als sich Kaiser Karl VI. im März 1731 mit den Seemächten aussöhnte, bestand für Friedrich August I. die dringende Notwendigkeit, seine Beziehungen zum Wiener Hof zu verbessern. H. war als deklarierter Anhänger eines Bündnisses Sachsens mit Frankreich sowohl dem Wiener als auch dem Berliner Hof verhasst. Daher zögerte Friedrich August I. nicht, ihn Ende März 1731 als Minister abzusetzen und wegen Untreue verfolgen zu lassen. Eine Kommission, welcher der zukünftige Premierminister Heinrich von Brühl angehörte, wurde einberufen und arbeitete 18 Anklagepunkte gegen H. heraus. Er wurde des Ungehorsams gegenüber dem König, der Verletzung des Briefgeheimnisses, der persönlichen Bereicherung auf Kosten der Krone und des Verrats des Geheimnisses der Porzellanherstellung bezichtigt. Nach seinem Sturz zog es H. vor, sich schuldig zu bekennen. Er wurde vom Hof verbannt und musste Friedrich August I. als Wiedergutmachung 100.000 Taler zahlen. Er hielt sich zunächst auf seinem Gut Skaska und später in Lichtenwalde auf. Der Tod Friedrich Augusts I. im Februar 1733 änderte nichts an seiner Lage, obgleich H. den ihm einst wohl gesonnenen Friedrich August II. (König August III. von Polen) um Gnade ersuchte. Die Ungnade, in der sich H. beim neuen sächsischen Herrscher befand, ist weniger, wie oft behauptet, auf den wachsenden Einfluss Brühls zurückzuführen, als auf die ungünstige politische Lage. Als Bewerber um die polnische Krone konnte Friedrich August II. den Frankreich verbundenen ehemaligen Minister nicht rehabilitieren, da gerade die französische Seite seinen Gegner, Stanisław Leszczyński, unterstützte. Unter dem Vorwand, H. habe seine eigene Nichte, die Ehefrau Heinrich von Bünaus, geschwängert, wurde er 1733 auf der Festung Sonnenstein inhaftiert. Dank der Intervention des polnischen Kronschwertträgers, Fürst Jakob Alexander von Lubomirski, wurde er 1734 wieder freigelassen. Doch schon im Dezember 1734 verschlechterte sich H.s Lage erneut. Der preußische Kronprinz, der spätere König Friedrich II., dessen Vertrauen er seit 1730 genoss, hatte mit H. Kontakt aufgenommen. In Dresden war bekannt, dass Friedrich als Gegner des Wettiners auf dem polnischen Thron im Fall der eigenen Regierungsübernahme in Preußen den polnischen Gegenkönig Stanisław Leszczyński militärisch unterstützen würde. H. wurde erneut des Verrats verdächtigt. Brühl veranlasste die Beschlagnahmung seiner Papiere, den Einzug seiner Güter und seine Inhaftierung auf der Festung Königstein. Im April 1736 beging H. in seiner Zelle Selbstmord.

Literatur C. Sahrer v. Sahr, Aus den Überresten eines Lausitzer Gutsarchiv, in: Archiv für die Sächsische Geschichte 7/1869, S. 249-263; C. Böttiger/T. Flathe, Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsens, Bd. 2, Gotha 1870, S. 366-370; J. de Pichon, La vie de Charles-Henry Comte de H., Ambassadeur de Saxe-Pologne en France et célèbre amateur de livres 1694-1736, 2 Bde., Paris 1880; J. Flammermont, Les Correspondances des agents diplomatiques étrangers en France avant la Révolution, Paris 1896, S. 162-167; A. v. Boroviczény, Graf von Brühl, Zürich/Leipzig/Wien 1930, S. 183-186; W. v. Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 1, Görlitz 1912, S. 759-770; C. Boltz, H., Lemaire und Meißen, in: Keramos 88/1980, S. 3-101; V. Spenlé, Karl Heinrich von H., ambassadeur de Saxe à Paris et amateur d’art, in: Dresde ou le rêve des Princes. Katalog der Ausstellung im musée des beaux-art in Dijon, Paris 2001, S. 143-148. – ADB 13, S. 219; DBA I.

Porträt H. Rigaud, 1716, Öl auf Leinwand, heutiger Standort unbekannt (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Amtshauptmannschaft Marienberg Flöha, Dresden 1885, S. 76, fälschlicherweise als Bildnis des Adolf Magnus Hoym bezeichnet); A. A. Morse, 19. Jahrhundert, Kupferstich nach H. Rigaud, Bibliothèque Nationale de France, Département des Estampes et de la Photographie; G. Planer, 1872, Kupferstich nach H. Rigaud, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Virginie Spenlé
15.5.2006


Empfohlene Zitierweise:
Virginie Spenlé, Artikel: Karl Heinrich von Hoym,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2248 [Zugriff 20.12.2024].

Karl Heinrich von Hoym



Literatur C. Sahrer v. Sahr, Aus den Überresten eines Lausitzer Gutsarchiv, in: Archiv für die Sächsische Geschichte 7/1869, S. 249-263; C. Böttiger/T. Flathe, Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsens, Bd. 2, Gotha 1870, S. 366-370; J. de Pichon, La vie de Charles-Henry Comte de H., Ambassadeur de Saxe-Pologne en France et célèbre amateur de livres 1694-1736, 2 Bde., Paris 1880; J. Flammermont, Les Correspondances des agents diplomatiques étrangers en France avant la Révolution, Paris 1896, S. 162-167; A. v. Boroviczény, Graf von Brühl, Zürich/Leipzig/Wien 1930, S. 183-186; W. v. Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 1, Görlitz 1912, S. 759-770; C. Boltz, H., Lemaire und Meißen, in: Keramos 88/1980, S. 3-101; V. Spenlé, Karl Heinrich von H., ambassadeur de Saxe à Paris et amateur d’art, in: Dresde ou le rêve des Princes. Katalog der Ausstellung im musée des beaux-art in Dijon, Paris 2001, S. 143-148. – ADB 13, S. 219; DBA I.

Porträt H. Rigaud, 1716, Öl auf Leinwand, heutiger Standort unbekannt (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Amtshauptmannschaft Marienberg Flöha, Dresden 1885, S. 76, fälschlicherweise als Bildnis des Adolf Magnus Hoym bezeichnet); A. A. Morse, 19. Jahrhundert, Kupferstich nach H. Rigaud, Bibliothèque Nationale de France, Département des Estampes et de la Photographie; G. Planer, 1872, Kupferstich nach H. Rigaud, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Virginie Spenlé
15.5.2006


Empfohlene Zitierweise:
Virginie Spenlé, Artikel: Karl Heinrich von Hoym,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2248 [Zugriff 20.12.2024].