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Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour

In den 1720er- und 1730er-Jahren bekleidete W. als Gesandter und Kabinettsminister im auswärtigen Departement für die sächsische Außenpolitik bedeutsame Funktionen. Als Erzieher, Oberhofmeister und engster Vertrauter des Kurprinzen Friedrich Christian und seiner Gemahlin Maria Antonia legte er in der Folgezeit mit der Vermittlung des Aufklärungsgedankens den Grundstein für die Reformpolitik Sachsens nach dem Siebenjährigen Krieg. Er war ein unermüdlicher Gegenspieler Heinrich Graf von Brühls und versuchte, den Einfluss des Kurprinzenpaars auf die Regierung Sachsens zu stärken. – Über W.s Lebensweg bis zum Eintritt in sächsische Dienste ist wenig bekannt. Die ersten 20 Jahre verbrachte er in seiner Heimat, wohl in Turin. 1704 trat er in sardinische Dienste. Durch Vermittlung seines Stiefvaters August Christoph Graf von Wackerbarth, den W.s Mutter 1707 in dessen Zeit als sächsischer Gesandter in Wien geheiratet hatte, ging W. im gleichen Jahr in sächsische Dienste über. Die eingeschlagene militärische Laufbahn musste er aber bereits 1709 nach einer Verwundung in der Schlacht von Malplaquet im Spanischen Erbfolgekrieg aufgeben, an der er als Kapitän im Heer Prinz Eugens gegen Frankreich teilgenommen hatte. In den folgenden Jahren hielt sich W. hauptsächlich in Dresden auf, wurde 1712 zum Kammerherrn ernannt und begann eine Karriere im diplomatischen Dienst Sachsens. Zwischen 1713 und 1719 war er, wohl ohne diplomatischen Auftrag, in Großbritannien, Bayern und Wien. 1719 kehrte er im Gefolge des sächsischen Kurprinzen Friedrich August nach dessen Hochzeit mit der Kaisertochter Maria Josepha nach Sachsen zurück. 1723 wurde W. als Gesandter nach München geschickt. Dort sollte er nach der Hochzeit des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht mit der zweiten Tochter Kaiser Josephs I. Bayerns Haltung zur Pragmatischen Sanktion in Erfahrung bringen. Diese sah vor, die beiden Töchter des verstorbenen Kaisers Joseph I. in der habsburgischen Erbfolge unberücksichtigt zu lassen und das Erbe stattdessen der Tochter des regierenden Kaisers Karl VI. zu übertragen. Mit der Absendung W.s nach München wurde ein erster ständiger Gesandter Sachsens in Bayern etabliert. Nach seiner Abberufung Ende 1727 reiste W. in Privatangelegenheiten nach Wien und übernahm dort die Verhandlungen mit dem kaiserlichen Hof, als der zu diesen Zweck in Wien weilende kursächsische dirigierende Kabinettsminister Jacob Heinrich Graf von Flemming im Mai 1728 plötzlich starb. Von Juli 1730 bis zum Sommer 1731 war W. Gesandter in Rom. 1731 erfolgte seine Ernennung zum Oberhofmeister des Kurprinzen Friedrich Christian. W. versah dieses Amt bis zu seinem Tod 1761 und konnte zu Friedrich Christian ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen. In der Ausbildung des Kurprinzen erhielt W. weitgehend freie Hand und erzog ihn im Sinne des Aufklärungsgedankens. 1733 fand seine Tätigkeit als Oberhofmeister eine Unterbrechung. Zum Kabinettsminister ernannt, wurde W. gemeinsam mit General Wolf Heinrich Graf von Baudissin von April 1733 bis März 1734 nach Polen geschickt, um die Wahl Friedrich Augusts II. zum polnischen König zu befördern. – Nach dem überraschenden Sturz des bis zum Februar 1738 mit Brühl das Geheime Kabinett gemeinsam leitenden Alexander Graf von Sulkowski erhielt W. dessen Position im Departement für auswärtigen Angelegenheiten und wurde zum vortragenden Kabinettsminister ernannt. Diese in der Außenpolitik Brühl formal gleichgestellte Funktion versah W. indes lediglich drei Monate. Ab Mai 1738 befand er sich mit Friedrich Christian für zweieinhalb Jahre in Italien. Die Schwester des Kurprinzen, Maria Amalia, war am 9.5.1738 mit König Karl von Sizilien verheiratet worden. W., der an der Ausarbeitung des Heiratsvertrags beteiligt gewesen war, begleitete Maria Amalia gemeinsam mit ihrem Bruder nach Neapel. W. wurde in der Zeit seiner Abwesenheit zwar durch intensiven Briefwechsel mit Brühl über die Vorgänge am Dresdner Hof informiert, realen Einfluss auf die Außenpolitik besaß er jedoch nicht. Nach der Rückkehr nach Sachsen im September 1740 trat er von seiner Funktion im Geheimen Kabinett zurück. Grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen über die Gestaltung der sächsischen Außenpolitik zwischen Brühl und W. hatten ihn wohl dazu veranlasst. W. vertrat merkantilistische Ideen - die staatliche Förderung von Handel und Gewerbe und den Erhalt der Finanzkraft im Inland. Er forderte eine stabile Finanzlage und den Erhalt eines schlagkräftigen Heers, was Sachsen zum gesuchten Bündnispartner werden lassen sollte, während Brühl schlechte finanzielle Verhältnisse durch geschickte Bündnispolitik auszugleichen suchte. – Beim Tod Kaiser Karls VI. im Oktober 1740, als sich Brühl und der Hof in Warschau befanden, wurde W. vorübergehend zum Vorsitzenden des Geheimen Konziliums ernannt. 1741/42 war er auch für die Erziehung der Prinzen Xaver und Karl verantwortlich. Im Zweiten Schlesischen Krieg hatte W. v.a. für den Schutz der in Dresden verbliebenen Mitglieder der königlichen Familie zu sorgen. Ende 1745 musste er sich mit den Prinzen Friedrich Christian, Xaver und Karl vor den preußischen Truppen nach Nürnberg in Sicherheit begeben. – Nach der Heirat Friedrich Christians mit Maria Antonia von Bayern 1747 wurde W.s Stellung als Oberhofmeister erneuert. Zu beiden bestand ein enges, familiär geprägtes Verhältnis. So vermittelte W. u.a. Maria Antonias dichterische Werke zur Beurteilung an Johann Christoph Gottsched. Indes vermochte er es nicht, dem Kurprinzen vor dem Siebenjährigen Krieg Einfluss auf die Regierungsgeschäfte zu verschaffen. Auch bemühte er sich als Direktor der kurprinzlichen Hofversorgungskasse zumeist erfolglos um die Erhöhung des Budgets für die Hofhaltung des Paars. Mit Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs im September 1756 wurde W. nach der Abreise des Königs der Vorsitz des in Dresden verbliebenen Geheimen Rats übertragen. Diese Tätigkeit endete bereits im Oktober 1756 mit der Besetzung Dresdens durch den preußischen König Friedrich II. W. versuchte danach v.a. für die in Dresden gebliebenen Mitglieder der königlichen Familie (u.a. Maria Josepha, Friedrich Christian und Maria Antonia) Erleichterungen zu erwirken und auf das politische Schicksal des Landes Einfluss zu nehmen. Im April 1757 ließ ihn Friedrich II. verhaften und nach Küstrin (poln. Kostrzyn nad Odrą) bringen, von wo W. im Januar 1758 nach Dresden zurückkehren konnte. Ende 1758 wurde er gemeinsam mit anderen sächsischen Kabinetts- und Konferenzministern aus Sachsen ausgewiesen und begab sich nach Warschau. Als das Kurprinzenpaar im September 1759 Dresden verließ, reiste er gemeinsam mit ihnen nach München, wo er im Sommer 1761 starb. – W. besaß das Rittergut Zabeltitz bei Großenhain und war Ritter des polnischen Weißen Adlerordens, des St. Mauritiusordens, des St. Lazarusordens und des St. Januarusordens.

Literatur F. Bülau, Geheime Geschichten und Räthselhafte Menschen, Bd. 3, Leipzig 1851, S. 316-326; M. Paul, Graf W.-Salmour, Oberhofmeister des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian, Diss. Leipzig 1912; W. v. Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 2, Görlitz 1913, S. 684-686; H. Schlechte (Bearb.), Das geheime politische Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian 1751-1757, Weimar 1992; W. Schmidt/D. Syndram (Hg.), Unter einer Krone, Leipzig 1997, S. 216 (P); J. Luh, Vom Pagen zum Premierminister, in: M. Kaiser/A. Pečar, Der zweite Mann im Staat, Berlin 2003, S. 121-135; R. Pons, Die Dame ist romanesque und coquet ..., in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 114/2006, S. 65-95.

Porträt Graf W., nach 1718, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Graf W., J. C. Sysang (zugeschrieben), nach 1731, Kupferstich, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Digitaler Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (Bildquelle).

Judith Matzke
20.3.2006


Empfohlene Zitierweise:
Judith Matzke, Artikel: Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4022 [Zugriff 26.4.2024].

Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour



Literatur F. Bülau, Geheime Geschichten und Räthselhafte Menschen, Bd. 3, Leipzig 1851, S. 316-326; M. Paul, Graf W.-Salmour, Oberhofmeister des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian, Diss. Leipzig 1912; W. v. Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 2, Görlitz 1913, S. 684-686; H. Schlechte (Bearb.), Das geheime politische Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian 1751-1757, Weimar 1992; W. Schmidt/D. Syndram (Hg.), Unter einer Krone, Leipzig 1997, S. 216 (P); J. Luh, Vom Pagen zum Premierminister, in: M. Kaiser/A. Pečar, Der zweite Mann im Staat, Berlin 2003, S. 121-135; R. Pons, Die Dame ist romanesque und coquet ..., in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 114/2006, S. 65-95.

Porträt Graf W., nach 1718, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Graf W., J. C. Sysang (zugeschrieben), nach 1731, Kupferstich, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Digitaler Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (Bildquelle).

Judith Matzke
20.3.2006


Empfohlene Zitierweise:
Judith Matzke, Artikel: Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4022 [Zugriff 26.4.2024].