Johannes Velten
Der hohe Bildungsgrad des Schauspielers V. trug laut Überlieferung mit dazu bei, dass seine Truppe Ende des 17. Jahrhunderts unter den deutschen Wanderbühnen eine herausragende Stellung einnahm und er selbst einer der bedeutendsten Prinzipale und Bühnenreformer seiner Zeit wurde. – Ehe der Kaufmannssohn die Theaterlaufbahn einschlug, studierte er in Wittenberg und Leipzig Theologie, Philosophie und Rhetorik und schloss sein Studium 1661 mit dem Bakkalaureat ab. Vermutlich wandte sich V. in der ersten Hälfte der 1660er-Jahre dem Theater zu, wobei ungeklärt ist, ob er sich sogleich der Schauspieltruppe von
Carl Andreas Paulsen anschloss. 1671 heiratete er die Tochter des Prinzipals, Catharina Paulsen. Wahrscheinlich übernahm er 1678 die Führung der Paulsenschen Truppe, bevor ihm für diese nach dem Tod des Schwiegervaters 1679 das kursächsische Patent übertragen wurde. Nunmehr als Veltensche Truppe machte sich das Ehepaar Velten weit über die Landesgrenzen Kursachsens hinaus einen Namen. In seinem Repertoire setzte V., dessen Truppe inzwischen etwa 20 Mitglieder angehörten, die Linie fort, die bei Paulsen bereits erkennbar war. Allerdings bevorzugte V. Stücke, denen ein logisch-kausal nachvollziehbarer, klar motivierter Handlungsfortgang zugrunde lag. Komödien
Molières standen ebenso auf dem Spielplan wie Dramen von
William Shakespeare und Stücke von
Andreas Gryphius,
Paul Scarron oder
Pierre und
Thomas Corneille. Die Veltensche Bühnenreform tendierte v.a. dazu, auf Bühnenstücke zurückzugreifen, die der Eigengesetzlichkeit des Dramas als literarischer Gattung unterlagen. Er kehrte sich von jenem die Wanderbühne beherrschenden Stücketypus ab, bei dem sich eine Vielzahl bühnenwirksamer Abenteuer, meist ohne inneren Zusammenhang, häufte. Auf schauspieltechnischer und emanzipatorischer Ebene wirkte V. darüber hinaus insofern wegbereitend, als er konsequent alle Frauen- und Mädchenrollen mit Schauspielerinnen besetzte. Nach einer Phase ausgedehnter Gastspielreisen wurde der sächsische Hof, an dem die Veltensche Truppe 1680 erstmals auftrat, schließlich zum festen Standort. 1685 wurde sie vom sächsischen Kurfürsten als „Bande Chursächsischer Comoedianten“ eingestellt. Das Ende des Erfolgs trat mit dem Tod des Kurfürsten Johann Georg III. ein. Da der neue sächsische Kurfürst Johann Georg IV. die Oper und ausländische Truppen bevorzugte, kündigte er 1691 V.s Engagement am Hof. V. zog nach Hamburg, wo er, ebenso wie in Berlin, die in pietistischen Kreisen aufkommende Theaterfeindlichkeit zu spüren bekam. In beiden Städten soll ihm das Abendmahl verweigert worden sein. Wenngleich sich der Tod V.s heute nicht mehr anhand eines Kirchenbucheintrags oder Begräbnisregisters nachweisen lässt, wird allgemein angenommen, dass er 1692 in Hamburg verstarb.
Literatur C. Heine, Johannes V. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Theaters im XVII. Jahrhundert, Diss. Halle 1887; 300 Jahre Staatstheater Dresden, Berlin 1967; B. Rudin, Der Prinzipal Heinrich Wilhelm Benecke und seine „Wienerische“ und „Hochfürstlich Bayreuthische“ Schauspielergesellschaft, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 62/1975, S. 179-233; dies., Eine Leipziger Studentenbühne des 17. Jahrhunderts, in: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte 28/1976, S. 3-17; G. Hansen, Formen der Commedia dell’Arte in Deutschland, Emsdetten 1984; B. Rudin, Zwischen Messen in die Residenz, in: Wanderbühne. Theaterkunst als fahrendes Gewerbe, Berlin 1988, S. 74-104. – ADB 39, S. 577-585; DBA I; DBE 10, S. 192.
Katy Schlegel
7.5.2012
Empfohlene Zitierweise:
Katy Schlegel, Artikel: Johannes Velten,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3985 [Zugriff 25.11.2024].
Johannes Velten
Literatur C. Heine, Johannes V. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Theaters im XVII. Jahrhundert, Diss. Halle 1887; 300 Jahre Staatstheater Dresden, Berlin 1967; B. Rudin, Der Prinzipal Heinrich Wilhelm Benecke und seine „Wienerische“ und „Hochfürstlich Bayreuthische“ Schauspielergesellschaft, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 62/1975, S. 179-233; dies., Eine Leipziger Studentenbühne des 17. Jahrhunderts, in: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte 28/1976, S. 3-17; G. Hansen, Formen der Commedia dell’Arte in Deutschland, Emsdetten 1984; B. Rudin, Zwischen Messen in die Residenz, in: Wanderbühne. Theaterkunst als fahrendes Gewerbe, Berlin 1988, S. 74-104. – ADB 39, S. 577-585; DBA I; DBE 10, S. 192.
Katy Schlegel
7.5.2012
Empfohlene Zitierweise:
Katy Schlegel, Artikel: Johannes Velten,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3985 [Zugriff 25.11.2024].