Johann von Besser
Der bekannte Zeremonienmeister B. war als erfahrener Praktiker in verantwortlicher Position an den Höfen in Berlin und Dresden tätig und gehörte zu den besten Kennern des europäischen Zeremoniells. Als Besitzer einer berühmten Privatbibliothek mit der wissenschaftlichen Zeremonialliteratur seiner Zeit ist er, abgesehen von seiner Beschreibung der preußischen Königskrönung, allerdings kaum mit eigenen Veröffentlichungen zu Zeremonialfragen hervorgetreten. Ungleich produktiver war B. als Dichter im Stil barocker Hoflyrik und als Verfasser zahlreicher Staats- und Lobschriften sowie Leichenpredigten und sonstiger Gelegenheitsarbeiten, die erstmals 1711 in Leipzig als Werkausgabe erschienen. In der literarischen Welt des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts genoss B. hohes Ansehen. In seiner Funktion als (Ober-)Zeremonienmeister auch für die Durchführung und Inszenierung von Hoffesten verantwortlich, verfasste er zugleich Texte für höfische Singspiele und Ballette. – B. absolvierte zunächst ein Studium der Philosophie und Theologie in Königsberg (russ. Kaliningrad) und begleitete anschließend einen jungen Landsmann als Hofmeister in die Universitätsstadt Leipzig. Seit 1681 in Berlin, befand er sich zwischen 1684 und 1688 als kurbrandenburgischer Legationsrat in diplomatischen Missionen am englischen Hof. Anlässlich der Inthronisation des Stuart-Königs
Jakob II. gelang B. ein spektakulärer Coup: Im Streit um den Vorrang bei der feierlichen Audienz für die Überbringung der Glückwünsche düpierte er den erfahrenen Gesandten der Republik Venedig und konnte so den zeremoniellen Anspruch seines kurfürstlichen Herrn auf der europäischen Bühne erfolgreich behaupten. Unter dem neuen Kurfürsten
Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I. in Preußen) wurde der weltgewandte B. 1690 in den Adelsstand erhoben sowie zum Zeremonienmeister und Instrukteur der fremden Gesandten ernannt. Zu seinen Aufgaben gehörte es, diese am Hofe einzuführen, die Protokolle über die Audienzen zu verfassen sowie den abreisenden Diplomaten ihre Rekreditive und die üblichen Präsente zuzustellen. Mit Blick auf mögliche künftige Rang- und Zeremonialstreitigkeiten legte B. aus rein pragmatischen Gründen zugleich jahrgangsweise geführte Hofjournale an. Im Kontext der von ihm wesentlich mitinszenierten preußischen Königskrönung in der Königsberger Schlosskirche 1701 avancierte er zum Oberzeremonienmeister und Geheimen Rat. B. fungierte zugleich als Zeremonienmeister des neu gestifteten preußischen Schwarzen Adlerordens, dessen Statuten er nach den Regeln des englischen Hosenband- und des dänischen Elefantenordens ausgearbeitet hatte. – Mit dem Berliner Regierungswechsel 1713 verlor B. sein Amt als Oberzeremonienmeister. An einen aufwändigen Lebensstil gewöhnt, geriet der bibliophile B. dadurch in finanzielle Schwierigkeiten. Nach dem Scheitern verschiedener Optionen, u.a. in St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) und Wien erhielt er schließlich Ende 1717 die Bestallung zum Introdukteur der Gesandten mit dem Titel Geheimer Kriegsrat und 1.500 Talern Jahresgehalt am Dresdner Hof Friedrich Augusts I. (August II., der Starke). Damit wurde B. verantwortlich für die zeremoniale Organisation bei anstehenden Festivitäten und für die Audienzen fremder Gesandter. Zugleich erhielt er den Auftrag, nach dem Vorbild anderer Königshöfe für Dresden ein Zeremoniell zu entwerfen. 1727 wurde B. auch in die neu gebildete Expertenkommission zur Neuordnung der vorhandenen königlichen Bibliotheken und Sammlungen berufen. Der Geheime Sekretär und Hofpoet Johann Ulrich König (ab 1742 von König) - B.s Vertrauter sowie erster Biograf und Herausgeber seiner Werke - kolportierte allerdings zwei Tage nach B.s Tod eine Äußerung Friedrich Augusts II. (August III.), wonach dieser ihn „wegen seiner Langsamckeit zu nichts hätten brauchen können“. – Bereits 1727 verkaufte B. seine berühmte Bibliothek mit angeblich bis zu 20.000 Büchern und Manuskripten für 10.000 Taler an Friedrich August II., wobei er sich ein lebenslanges Nutzungsrecht vorbehielt. Nach seinem Tod wurde sie von der Wohnung am Dresdner Neumarkt zunächst als eigenständige „Staats- und Ceremoniel-Bibliothek“ in einen Pavillon des Zwingers verbracht und dann 1733 mit der königlichen Bibliothek vereinigt. Ein wohl kurz nach B.s Tod angefertigter, lediglich nach Buchformaten geordneter Katalog belegt, dass seine Bibliothek aus zahlreichen historischen, aber auch literarischen Werken - zumeist antiker Autoren - bestand. Insbesondere aber umfasste sie eine sehr bedeutende Sammlung an gedruckter und ungedruckter Zeremonialliteratur sowie an Kupferstichen aus allen europäischen Staaten. Als besonders wertvoll wurden u.a. sieben nach Ländern geordnete Bände angesehen, die aus originalen Manuskripten bestanden. Sie wurden mit weiteren wichtigen Handschriften in das kursächsische Zeremonialarchiv integriert. Aus der restlichen schriftlichen Hinterlassenschaft wurde später der umfangreiche, außerordentlich wertvolle Personennachlass gebildet, aus dem v.a. die unter dem Titel „Collectanea historico-politica“ verzeichnete Materialsammlung des erfahrenen Praktikers B. als wichtige Ergänzung bzw. Korrektiv zu der zeitgenössischen zeremonialwissenschaftlichen Literatur herausragt.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Kabinett, Oberhofmarschallamt, Zeremonienmeister, Personennachlass Johann von B.; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriften.
Werke Sr. Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg … Erster Minister und Ober Praesident Eberhard Freyherr von Danckelman in einer kurtzen Beschreibung seines Lebens…, 1691; Anonyme Jugendgedichte, in: B. Neukirch, Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte, Teile 1-7, Leipzig/Frankfurt/Main 1697ff.; Des Herrn von B. Schrifften, Leipzig 1711 (P); Preußische Krönungs-Geschichte, Cölln/Spree 1712 (ND Berlin 1901); Des Herrn von B. Schrifften, 2 Bde., Leipzig 1732 (P); W. Haertel, Johann von B., Berlin 1910 (WV); M. Cassidy-Geiger/J. Vötsch, Documents of Courts Gifts Collected by Johann von B., in: Studies in the Decorative Arts 15/2007/2008, Nr. 1, S. 114-177 (P).
Literatur J. M. v. Loen, Des Herrn von Loen gesammlete kleine Schriften, Teil 1, Frankfurt/Main 41753; H.-E. v. Besser, Von den Besserers bis zu den Bessers, 2 Bde., Görlitz 1923; L. Bittner (Hg.), Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648), Bd. 1, Oldenburg 1936 (ND Schaan/Liechtenstein 1976); B. Stollberg-Rilinger, Höfische Öffentlichkeit, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte NF 7/1997, S. 145-176; P.-M. Hahn, Der Hof Friedrichs III./I. um 1700 im Spiegel der Hofjournale seines Zeremonienmeisters Johann v. B., in: F. Windt (Hg.), Preußen 1701 - eine europäische Geschichte, Bd. 2, Berlin 2001, S. 57-67. – ADB 2, S. 570f.; DBA I, III; NDB 2, S. 182; J. H. Zedler (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Supplementbd. 3, Leipzig 1752, Sp. 995-997, Online-Ausgabe: www.zedler-lexikon.de.
Porträt Johann v. B., o.J., Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Jochen Vötsch
30.1.2014
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Johann von Besser,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/521 [Zugriff 22.12.2024].
Johann von Besser
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Kabinett, Oberhofmarschallamt, Zeremonienmeister, Personennachlass Johann von B.; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriften.
Werke Sr. Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg … Erster Minister und Ober Praesident Eberhard Freyherr von Danckelman in einer kurtzen Beschreibung seines Lebens…, 1691; Anonyme Jugendgedichte, in: B. Neukirch, Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte, Teile 1-7, Leipzig/Frankfurt/Main 1697ff.; Des Herrn von B. Schrifften, Leipzig 1711 (P); Preußische Krönungs-Geschichte, Cölln/Spree 1712 (ND Berlin 1901); Des Herrn von B. Schrifften, 2 Bde., Leipzig 1732 (P); W. Haertel, Johann von B., Berlin 1910 (WV); M. Cassidy-Geiger/J. Vötsch, Documents of Courts Gifts Collected by Johann von B., in: Studies in the Decorative Arts 15/2007/2008, Nr. 1, S. 114-177 (P).
Literatur J. M. v. Loen, Des Herrn von Loen gesammlete kleine Schriften, Teil 1, Frankfurt/Main 41753; H.-E. v. Besser, Von den Besserers bis zu den Bessers, 2 Bde., Görlitz 1923; L. Bittner (Hg.), Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648), Bd. 1, Oldenburg 1936 (ND Schaan/Liechtenstein 1976); B. Stollberg-Rilinger, Höfische Öffentlichkeit, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte NF 7/1997, S. 145-176; P.-M. Hahn, Der Hof Friedrichs III./I. um 1700 im Spiegel der Hofjournale seines Zeremonienmeisters Johann v. B., in: F. Windt (Hg.), Preußen 1701 - eine europäische Geschichte, Bd. 2, Berlin 2001, S. 57-67. – ADB 2, S. 570f.; DBA I, III; NDB 2, S. 182; J. H. Zedler (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Supplementbd. 3, Leipzig 1752, Sp. 995-997, Online-Ausgabe: www.zedler-lexikon.de.
Porträt Johann v. B., o.J., Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Jochen Vötsch
30.1.2014
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Johann von Besser,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/521 [Zugriff 22.12.2024].