Johann Wilhelm von Archenholz

A. gehörte am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu den wirkmächtigsten Publizisten der deutschen (Spät-)Aufklärung. – A.s Geburtsjahr ist umstritten: Die neuere Forschung tendiert zu 1743, daneben werden 1741 und (seltener) 1745 sowie 1748 genannt. Auch über seine Kindheit und Jugend liegen keine Quellen vor. Eine oft angenommene adlige Herkunft aus einer hannoverschen Offiziersfamilie ist nicht nachweisbar, der Vater entstammte einer bürgerlichen Familie aus Schweden. Belegt ist erst A.s Eintritt in die Berliner Kadettenanstalt Mitte 1757. Von Dezember 1758 bis Mai 1763 diente er als Soldat in der preußischen Armee und nahm im Siebenjährigen Krieg u.a. am Winterfeldzug in Sachsen 1759 und an der Belagerung von Dresden teil. 1760 zum Offizier befördert, kämpfte A. in den Schlachten von Liegnitz (poln. Legnica) und Torgau. Aufgrund einer beim Sturm auf die Süptitzer Höhen zugezogenen Verwundung verbrachte er eine fast einjährige Rekonvaleszenzzeit in Leipzig und kehrte erst im März 1761 zu seinem in Altenburg stationierten Regiment zurück. Nach dem Frieden von Hubertusburg schied er im Februar 1763 als Hauptmann aus dem preußischen Heer aus. Es folgte eine 16-jährige Reisetätigkeit, die A. bis 1780 durch die deutschen Staaten, in die Schweiz, die Generalstaaten, die Österreichischen Niederlande, nach England, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen und Polen führte. Allein in England hielt er sich insgesamt sechs Jahre auf, in Italien anderthalb. Seinen ersten ständigen Wohnsitz nahm A. 1780 in Dresden. Von hier aus begründete er seine Karriere als Schriftsteller und Publizist. Thematisch bezog er sich zumeist auf die Erfahrungen seiner Militärzeit und der Reisejahre. Seinen Durchbruch erzielte A. - der Kontakte mit allen wichtigen Literaten der Zeit pflegte und dem Freimaurertum nahestand - mit der historisch-politischen Darstellung „England und Italien“, die in der ersten Hälfte der 1780er-Jahre in Dresden entstand, bald nach Erscheinen umfangreich überarbeitet wurde und rasche Neuauflagen und Übersetzungen erlebte. Seit dieser Veröffentlichung führte er auf seinen Schriften nun auch das Adelsprädikat „von“. Da das Buch zu den „meistgelesenen Reisebeschreibungen der Zeit“ ( E. Dofivat) gehörte, übte es sowohl auf die Ausformung des deutschen Englandbildes als auch auf diejenige des deutschen Italienbildes einigen Einfluss aus. Während seiner Dresdner Zeit gab A. zudem die Zeitschrift „Litteratur und Völkerkunde“ heraus, die wie sein Buch „England und Italien“ in Leipzig verlegt wurde und die als eine Vorform seiner beiden späteren Zeitschriftenprojekte „Annalen der Britischen Geschichte“ und „Minerva“ gesehen werden kann. Mit beiden Zeitschriften trug A. zur Ausformung der bürgerlichen Öffentlichkeit des Aufklärungszeitalters bei. Im Sommer 1786 heiratete er die aus einer sächsischen Adelsfamilie stammende Sophie Friederike von Roksch, mit der er im folgenden Jahr u.a. aufgrund der dortigen weniger strengen Zensurbestimmungen elbabwärts nach Hamburg übersiedelte. Hier entstand A.s zweites Hauptwerk „Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland“, das ebenso wie sein Buch „England und Italien“ rasche und weitere Verbreitung fand. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Berlin zog A. im Sommer 1791 mit seiner Familie, angezogen von den revolutionären Ereignissen, nach Paris, wo er bis Mitte 1792 lebte. Dort gründete er seine Zeitschrift „Minerva“, die bald zum einflussreichsten deutschsprachigen Medium in der Frankreich- und Revolutionsberichterstattung werden sollte und bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein zentrales Organ der deutschen politischen und literarischen Debatten blieb. Im Anschluss an die Pariser Zeit lebte er wieder in Hamburg, ab 1801 auf einem Landgut im nahen Öjendorf, wo er bis 1809 seine schriftstellerischen und publizistischen Tätigkeiten fortsetzte. Insgesamt gehörte A. so zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren und war ein Pionier des deutschsprachigen Journalismus, sodass er als eine „der profiliertesten Persönlichkeiten des literarischen Lebens in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu gelten hat“ ( J. Kunisch).

Quellen Briefbestände u.a. in: Deutsches Literaturarchiv Marbach/Neckar; Deutsches Buch- und Schriftmuseum Leipzig; Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel; Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden.

Werke England und Italien, Leipzig 1785, ²1787 (ND Heidelberg 1993); Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756 bis 1763, Frankfurt/Main/Leipzig 1788/91 (ND in: J. Kunisch (Hg.), Aufklärung und Kriegserfahrung. Klassische Zeitzeugen zum Siebenjährigen Krieg, Frankfurt/Main 1996, S. 9-514); (Hg.), Litteratur- und Völkerkunde 1782-1786; (Hg.), Neue Litteratur- und Völkerkunde 1787-1791; (Hg.) The British Mercury 1787-1790; (Hg.), The English Lyceum 1787-1788; (Hg.), Annalen der Britischen Geschichte 1788-1800; (Hg.), Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts 1792-1809.

Literatur F. Ruof, Johann Wilhelm von A. Ein deutscher Schriftsteller zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons (1741-1812), Berlin 1915; C. Springorum, Die Minerva des Johann Wilhelm von A. Untersuchungen über die kulturpolitische Leistung und Wirkung einer Zeitschrift der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, Diss. Heidelberg 1945 [Ms.]; U. Rieger, Johann Wilhelm von A. als „Zeitbürger“. Eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland, Berlin 1994; B. Bovekamp, Die Zeitschrift „Minerva“ und ihre Herausgeber Johann Wilhelm von A. (1743-1812) und Friedrich Alexander Bran (1767-1831). Ein Beitrag zur Kompatibilität von Militär, Aufklärung und Liberalismus, Kiel 2009. – ADB 1, S. 511f.; DBA I, II, III; DBE 1, S. 162; NDB 1, S. 335 f.; H.-D. Fischer (Hg.), Deutsche Publizisten des 15. bis 20. Jahrhunderts, München/Berlin 1971, S. 129-139; W. Killy (Hg.), Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 1, Gütersloh 1988, S. 196f.; Ostdeutsche Biographie.

Porträt F. Grögory, Johann Wilhelm von A., 1786, Kupferstich nach einer Zeichnung von A. Graff, Bildarchiv Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin; F. G. Weitsch, Johann Wilhelm von A., 1789, Öl auf Leinwand, Gleimhaus Halberstadt.

Martin Munke
6.7.2015


Empfohlene Zitierweise:
Martin Munke, Artikel: Johann Wilhelm von Archenholz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26814 [Zugriff 19.11.2024].

Johann Wilhelm von Archenholz



Quellen Briefbestände u.a. in: Deutsches Literaturarchiv Marbach/Neckar; Deutsches Buch- und Schriftmuseum Leipzig; Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel; Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden.

Werke England und Italien, Leipzig 1785, ²1787 (ND Heidelberg 1993); Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756 bis 1763, Frankfurt/Main/Leipzig 1788/91 (ND in: J. Kunisch (Hg.), Aufklärung und Kriegserfahrung. Klassische Zeitzeugen zum Siebenjährigen Krieg, Frankfurt/Main 1996, S. 9-514); (Hg.), Litteratur- und Völkerkunde 1782-1786; (Hg.), Neue Litteratur- und Völkerkunde 1787-1791; (Hg.) The British Mercury 1787-1790; (Hg.), The English Lyceum 1787-1788; (Hg.), Annalen der Britischen Geschichte 1788-1800; (Hg.), Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts 1792-1809.

Literatur F. Ruof, Johann Wilhelm von A. Ein deutscher Schriftsteller zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons (1741-1812), Berlin 1915; C. Springorum, Die Minerva des Johann Wilhelm von A. Untersuchungen über die kulturpolitische Leistung und Wirkung einer Zeitschrift der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, Diss. Heidelberg 1945 [Ms.]; U. Rieger, Johann Wilhelm von A. als „Zeitbürger“. Eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland, Berlin 1994; B. Bovekamp, Die Zeitschrift „Minerva“ und ihre Herausgeber Johann Wilhelm von A. (1743-1812) und Friedrich Alexander Bran (1767-1831). Ein Beitrag zur Kompatibilität von Militär, Aufklärung und Liberalismus, Kiel 2009. – ADB 1, S. 511f.; DBA I, II, III; DBE 1, S. 162; NDB 1, S. 335 f.; H.-D. Fischer (Hg.), Deutsche Publizisten des 15. bis 20. Jahrhunderts, München/Berlin 1971, S. 129-139; W. Killy (Hg.), Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 1, Gütersloh 1988, S. 196f.; Ostdeutsche Biographie.

Porträt F. Grögory, Johann Wilhelm von A., 1786, Kupferstich nach einer Zeichnung von A. Graff, Bildarchiv Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin; F. G. Weitsch, Johann Wilhelm von A., 1789, Öl auf Leinwand, Gleimhaus Halberstadt.

Martin Munke
6.7.2015


Empfohlene Zitierweise:
Martin Munke, Artikel: Johann Wilhelm von Archenholz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26814 [Zugriff 19.11.2024].