Johann Paul Egidius Nitsche

N. entstammte einer angesehenen Familie des Glauchauer Bürgertums, deren Mitglieder über mehrere Generationen verschiedene Ratsämter bekleidet oder, wie sein Vater, eine Beamtenlaufbahn eingeschlagen hatten. N.s schulische Ausbildung begann in Glauchau, doch fehlen Nachrichten, welche weiteren Bildungsanstalten er durchlief. Im Mai 1712 findet sich sein Name in der Matrikel der gerade in hoher Blüte stehenden Universität Jena, die er 1714 nach zweijährigem Jurastudium verließ, um sich für den Posten eines schönburgischen Regierungssekretärs zu bewerben. Für noch zu jung erachtet, wurde N. jedoch auf eine spätere Anstellung vertröstet und widmete sich nun erneut akademischen Studien, in deren Ergebnis er zum Dr. jur. promoviert wurde. 1726 wurde N. als Amtmann in den Ämtern Waldenburg und Hinterglauchau eingesetzt. In Hinterglauchau blieb er bis 1732 in dieser Funktion, während in Waldenburg eine kursächsische Sequestration am 5.10.1733 seine Entlassung notwendig machte. Am 8.3.1734 wurde N. vom Gesamthaus Schönburg die Leitung der Vergleichsverhandlungen mit Kursachsen um die schönburgische Landeshoheit übertragen, da der bisherige Verhandlungsführer, der schönburgische Regierungsdirektor Johann Ernst von der Lage, in Dresden in Ungnade gefallen war. Die federführend von N. auf schönburgischer sowie Graf Wilhelm August von Stubenberg und Hofrat Adam Friedrich von Glafey auf sächsischer Seite ausgehandelten Rezesse vom 4.5.1740 stellten einen Kompromiss dar, der den Schönburgischen Herrschaften verschiedene Sonderrechte beließ, sie aber dennoch in das Kurfürstentum Sachsen eingliederte. Wenn N.s Verhandlungsgeschick später in Zweifel gezogen und ihm gelegentlich eine prosächsische Haltung unterstellt wurde, so übersieht man dabei, dass zum Zeitpunkt seines Eintritts in die Verhandlungen (die schon in den 1720er-Jahren begonnen hatten) die wesentlichen Vorentscheidungen bereits gefallen waren. – Von Zeitgenossen als Mann gründlicher Gelehrsamkeit aber schroffer Wesensart charakterisiert, blieb N. innerhalb der schönburgischen Beamtenschaft, aber auch im Gesamthaus Schönburg stets umstritten. Seine Bewerbung um den Posten eines Regierungsdirektors 1736 wurde von den Grafen von Schönburg reserviert aufgenommen und ihm wegen seines bürgerlichen Stands bei der Neubesetzung der Regierung zunächst nur der Rang eines Vizedirektors gewährt. 1743 wurde N. schließlich doch zum Regierungsdirektor ernannt. In dieser Funktion, die sich mit dem Vorsitz im Konsistorium und in der Lehnskurie verband, prägte er die schönburgische Regierung für fast drei Jahrzehnte entscheidend bis zu seinem Tod 1771. Auf der Basis der Rezesse von 1740 gab er der schönburgischen Politik dabei Stabilität und Kontinuität. N. gilt u.a. als Verfasser der schönburgischen Konsistorialordnung, während eine Regierungsordnung wohl nicht ihm selbst, sondern Graf Albert Christian Ernst von Schönburg zuzuschreiben ist. Auch vertrat er zwischen 1734 und 1749 das Gesamthaus Schönburg auf den sächsischen Land- und Ausschusstagen in der Kurie der Prälaten, Grafen und Herren. Bei einzelnen schönburgischen Herrschaftsbesitzern in hohem Ansehen stehend, verband sich in der öffentlichen Meinung mit N.s. Namen jedoch ebenso der Vorwurf der parteiischen Rechtspflege und Vetternwirtschaft. – 1758 bat N. vergeblich um seine Entlassung aus der Regierungsverantwortung, nachdem er zuvor während des Siebenjährigen Kriegs zweimal wegen verweigerter Kriegskontributionen von österreichischen bzw. preußischen Truppen in Arrest genommen worden war. Von Krankheit gezeichnet, übte N. das Regierungsdirektorat in seinen letzten Lebensjahren nur noch mit Unterbrechungen aus. Auf die Vorgänge um die eigenmächtige Aufhebung der Rezesse durch Graf Albert Christian Ernst von Schönburg 1768 scheint er keinen Einfluss mehr gehabt zu haben. – N.s. Sammlung schönburgischer Urkunden, Familienverträge und Lehnsnachrichten zählt heute zu den ergiebigsten Quellen für die Erforschung der schönburgischen Geschichte, während seine wertvolle Bibliothek nach seinem Tod wohl aufgelöst wurde.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Chemnitz, Schönburgische Gesamtregierung.

Literatur E. Eckardt, Chronik von Glauchau, Glauchau 1882, S. 123f., 552; H. E. Schmidt, Die Rezesse zwischen Sachsen und Schönburg, Leipzig 1910; H. Germann, Die Geschichte des Musikalischen Kränzchens in Glauchau und seiner Mitglieder, Leipzig 1935, S. 131f.; M. Wetzel, Das schönburgische Amt Hartenstein 1702-1878, Leipzig 2004, S. 155f., 209, 217.

Michael Wetzel
9.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Johann Paul Egidius Nitsche,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22384 [Zugriff 21.11.2024].

Johann Paul Egidius Nitsche



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Chemnitz, Schönburgische Gesamtregierung.

Literatur E. Eckardt, Chronik von Glauchau, Glauchau 1882, S. 123f., 552; H. E. Schmidt, Die Rezesse zwischen Sachsen und Schönburg, Leipzig 1910; H. Germann, Die Geschichte des Musikalischen Kränzchens in Glauchau und seiner Mitglieder, Leipzig 1935, S. 131f.; M. Wetzel, Das schönburgische Amt Hartenstein 1702-1878, Leipzig 2004, S. 155f., 209, 217.

Michael Wetzel
9.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Johann Paul Egidius Nitsche,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22384 [Zugriff 21.11.2024].