Johann Lange
L. gilt als einer der führenden Orgelbauer in Sachsen und der Oberlausitz im 16. Jahrhundert. Mit seinen Orgeln, die stilistisch der Spätrenaissance angehörten, war L. ein Vertreter einer Übergangszeit, der die Barockorgel mit ihrem neuen Klangbild mit vorbereitete. Aufgrund seiner Ausbildung konnte L. die sehr hochentwickelte Orgelbautechnik des norddeutsch-niederländischen Raums nach Mitteldeutschland vermitteln. – L. hat das Orgelbauhandwerk vermutlich bei
Hans Scherer d.Ä. erlernt. Scherer war ein bedeutender Vertreter einer Hamburger Orgelbauerdynastie, die den norddeutschen Orgelbau zu einer Blüte führte. – L. war wohl bis 1575 Orgelbauer in Lützen. 1576 wurde er nach Kamenz geholt und in der Hauptkirche St. Marien mit einer umfangreichen Erneuerung der Orgel beauftragt, die er von November 1576 bis Ostern 1577 durchführte. Seine Werkstatt hatte er im ehemaligen Franziskanerkloster, das 1565 säkularisiert und an die Stadt übergeben worden war. Hier wurde ihm auch ein Schmelzofen für das Metall der Pfeifen errichtet. Am 8.5.1578 erwarb L. das Bürgerrecht der Stadt Kamenz und heiratete 1581
Margaretha Bulling, die Tochter eines Kamenzer Schneidermeisters. Im Kamenzer Stadtarchiv hat sich eine Niederschrift des Testaments von L. erhalten. Darüber hinaus befindet sich im Stadtarchiv auch „Hansen Langen Orgelm[acher] TestamentsExecution“, aus der zu entnehmen ist, wie der Nachlass unter den Erbberechtigten aufgeteilt wurde. – Nach seiner Tätigkeit an der Kamenzer Orgel erhielt L. zahlreiche Aufträge in der Oberlausitz, die damals noch zur Böhmischen Krone gehörte, aber auch in Sachsen und darüber hinaus. Die auszuführenden Aufträge waren unterschiedlicher Art: Sie reichten von Reparaturen über Renovierungen bis hin zum Neubau von Orgeln. Überliefert sind Nachrichten von mehr als 20 Orgeln, die von ihm gebaut oder überarbeitet wurden. Zu nennen sind hier Tätigkeiten in Bunzlau (poln. Bolesławiec), Cottbus, Leisnig, Grimma, Wurzen, Halle/Saale, Bischofswerda, Torgau, Treben, Rochlitz, Altenburg, Döbeln, Finsterwalde, Leipzig (Nikolaikirche und Thomaskirche), Trachenberg (poln. Gmina Żmigród), Oschatz, Penig, Dresden (Kreuzkirche, Dreikönigskirche, Schloss), Göda, Guben und Löbau. Zuweilen wird auch Meißen als weiterer Wirkungsort angegeben, ob er tatsächlich im Dom tätig war, ist aber unklar. – Es ist kein einziges Instrument von L. erhalten. Von seinem Werk kann man sich nur noch aus schriftlichen Quellen einen gewissen Eindruck verschaffen. Akten hierzu gibt es in einzelnen Stadt- und Kirchenarchiven, in denen auch Handschriften von L. existieren. – Einen optischen Eindruck von L.s Werk kann man anhand seiner 1597/1598 für die Leipziger Nikolaikirche gebauten Orgel gewinnen.
Carl Benjamin Schwarz hat 1785 - zwei Jahre bevor das Instrument durch einen Neubau ersetzt wurde - ein Aquarell vom Inneren der Nikolaikirche mit Blick auf die Westempore mit der Orgel angefertigt. Das Instrument verfügte über bemalte Flügeltüren, die für die damaligen Orgeln typisch waren. – Am längsten hatte sich ein Positiv aus dem Dresdner Schloss erhalten. L. erstellte diese einmanualige Orgel mit vier Registern zwischen 1580 und 1584. Sie wurde durch Christoph II. Walther kunstvoll in ein reich verziertes Gehäuse im Renaissancestil integriert - in Form eines Schreibpults mit einem altarähnlichen dreistöckigen Aufbau mit Reliefs, Säulen und Statuetten aus Alabaster. Den oberen Abschluss bildete ein Kruzifix. 1586 erwarb Kurfürst Christian I. dieses Kleinod. Es befand sich wohl ursprünglich in der kurfürstlichen Hauskapelle, später in der Kunstkammer. 1892 setzten die Gebrüder Jehmlich aus Dresden das Instrument instand. Hiernach kam es in das Historische Museum, wo es 1945 während der Bombardierung Dresdens zerstört wurde. In dem Pult befand sich der Aufriss des Werks mit Namen und Jahreszahl. Dieser konnte gerettet werden und befindet sich noch heute in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. – Bemerkenswert ist die musikwissenschaftliche Schrift des Komponisten, Organisten und Hofkapellmeisters Michael Praetorius „Syntagma musicum“, die zwischen 1614 und 1619 in drei Bänden erschien. In diesem Werk hat Praetorius wertvolle Informationen zum Studium der historischen Aufführungspraxis und des historischen Musikinstrumentenbaus vermerkt. Dort sind u.a. die Dispositionen der von L. gebauten Orgeln in Leipzig und Torgau aufgelistet, ohne aber dessen Namen ausdrücklich zu erwähnen. – Die Werkstatt von L. war so gefragt, dass er auch selbst Orgelbauer ausbildete. Neben seinem eigenen Sohn
Hans zählte wohl auch der aus Meißen stammende Gottfried Fritzsche zu seinen Schülern. Letzterer gilt als einer der bedeutendsten Orgelbauer des 17. Jahrhunderts. Ein weiterer Schüler war der aus Stolpen stammende
Joachim Zschuck, der sich später in Plauen niederließ. Mit
Martin Wannigk arbeitete in Kamenz ein weiterer Orgelbauer. Möglicherweise war auch er ein Schüler L.s. Bei der Taufe von Wannigks Sohn
Gabriel am 6.4.1593 stand L. Pate. – L. war ein Vorfahr mütterlicherseits von Gotthold Ephraim Lessing.
Quellen Stadtarchiv Kamenz; Pfarrarchiv der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Kamenz.
Werke 20 Orgel-Neu- oder Umbauten: u.a. Kamenz, Hauptkirche St. Marien, 1576/1577; Dresden, Schloss, 1580-1584; Leipzig, St. Nikolaikirche, 1597/1598.
Literatur Michael Praetorius, Syntagma musicum, Bd. 2: De Organographia, Wolfenbüttel 1619; Gerhard Stephan, Gotthold Ephraim Lessing und seine Eltern in ihren Beziehungen zu Kamenz, Kamenz 1929; Paul Rubardt/Ernst Jentsch, Kamenzer Orgelbuch, Kamenz 1953; Ulrich Dähnert, Historische Orgeln in Sachsen, Leipzig/Frankfurt/Main 1980; Dieter Schaal u.a., Vermisste Kunstwerke des Historischen Museums Dresden, Dresden 1990, Hermann J. Busch (Hg.). Die Nikolaikirche zu Leipzig und ihre Orgel, Leipzig 2004. – DBA III; Wolfram Hackel/Uwe Pape (Hg.), Lexikon norddeutscher Orgelbauer, Bd. 2: Sachsen und Umgebung, Berlin 2012.
Frank Martin Kühne
24.2.2017
Empfohlene Zitierweise:
Frank Martin Kühne, Artikel: Johann Lange,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27841 [Zugriff 2.11.2024].
Johann Lange
Quellen Stadtarchiv Kamenz; Pfarrarchiv der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Kamenz.
Werke 20 Orgel-Neu- oder Umbauten: u.a. Kamenz, Hauptkirche St. Marien, 1576/1577; Dresden, Schloss, 1580-1584; Leipzig, St. Nikolaikirche, 1597/1598.
Literatur Michael Praetorius, Syntagma musicum, Bd. 2: De Organographia, Wolfenbüttel 1619; Gerhard Stephan, Gotthold Ephraim Lessing und seine Eltern in ihren Beziehungen zu Kamenz, Kamenz 1929; Paul Rubardt/Ernst Jentsch, Kamenzer Orgelbuch, Kamenz 1953; Ulrich Dähnert, Historische Orgeln in Sachsen, Leipzig/Frankfurt/Main 1980; Dieter Schaal u.a., Vermisste Kunstwerke des Historischen Museums Dresden, Dresden 1990, Hermann J. Busch (Hg.). Die Nikolaikirche zu Leipzig und ihre Orgel, Leipzig 2004. – DBA III; Wolfram Hackel/Uwe Pape (Hg.), Lexikon norddeutscher Orgelbauer, Bd. 2: Sachsen und Umgebung, Berlin 2012.
Frank Martin Kühne
24.2.2017
Empfohlene Zitierweise:
Frank Martin Kühne, Artikel: Johann Lange,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27841 [Zugriff 2.11.2024].