Johann Carl von Eckenberg
Den Überlieferungen zufolge war E. so stark, dass er Ankerketten wie Zwirnsfäden zerreißen oder mühelos Kanonenrohre stemmen konnte. Theatergeschichtlich bestand sein Verdienst jedoch vor allem darin, als Prinzipal einer zeitweilig 40-köpfigen Gesellschaft, bestehend aus Seiltänzern, Reitkünstlern, Sängern und Schauspielern, die Brücke zwischen vornehmlich solistisch ausgeübten körperlich-leiblichen Vorstellungskräften und organisierter berufsmäßig betriebener Schauspielkunst geschlagen zu haben. – Aus der Jugend des „starken Mannes“ ist wenig bekannt, was sicherlich dazu beitrug, dass sich schon zu Lebzeiten E.s Legenden um seine Herkunft rankten. So heißt es in den „Curiosa Saxonica“, dass er aus dem alten Fürsten- und Freiherrengeschlecht derer von Eckenberg stamme, seit seinem elften Lebensjahr bei einem hohen Offizier gedient habe und dann selbst in den Kriegsdienst getreten sei, wo er innerhalb von sechs Jahren bis zum Rang eines Leutnants aufgestiegen sein soll. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er, wie schon sein Vater und Großvater, zunächst das Handwerk des Sattlers erlernte und - wenn überhaupt - erst später vom dänischen König in den Adelsstand erhoben wurde. Ähnlich unklar bleibt, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt sich E. der englischen Tänzerin
Caroline anschloss, um als ihr Ehemann, als Kraftmensch und fahrender Komödiant die deutschen Lande und weite Teile Europas zu bereisen. Seine phänomenalen Kraftstückchen versetzten das Publikum in Staunen und machten ihn landläufig als „Herkules Harzmann“, „Samson, der Unüberwindliche“, „l’incomparable Samson“ und „der starke Mann“ bekannt. Vermutlich trat er zunächst solistisch auf und führte erst im Lauf der 1710er-Jahre eine Gruppe Seiltänzer mit sich. In der Folge umfasste das Repertoire der Eckenbergschen Bande, die zeitweilig Schauspielergrößen wie
Johann Peter Hilverding,
Felix Kurz oder
Karl Rademin zu ihren Mitgliedern zählte, neben artistischen Zirkusnummern in erster Linie Puppentheater und Singspiele, italienische Stegreifkomödien und Hanswurstiaden, zuweilen aber auch regelmäßige Schauspiele. V.a. mit derben Harlekinszoten oder mit Budenkomödien wie „Doctor Faustus’ Höllenfahrt“ traf E. den Zeitgeschmack sehr genau. Im Unterschied zur Bühnenreformerin Friederike Caroline Neuber waren seine Vorstellungen immer ausverkauft. – 1717 erhielt E. vom preußischen König
Friedrich Wilhelm I. ein „Privilegium für Berlin und die Königlichen Lande“, was ihn jedoch nicht davon abhielt, bis 1743 oft und regelmäßig zu den Messen in Leipzig aufzutreten, wo er bereits am 30.4.1717 vor Friedrich August I. (August II., der Starke) seine Künste präsentiert hatte. Aber auch in Dresden war E. häufig anzutreffen. 1731 ließ er in einer auf dem Neumarkt erbauten hölzernen Bude täglich zweimal seine Kunststücke sehen und spielte am 26.5. mit seiner Truppe bei Hof. Wie das Leben der meisten seiner Berufskollegen war E.s Dasein gekennzeichnet von Höhen und Tiefen, von finanzieller Not und bescheidenem Wohlstand, von Wanderschaft und Unruhe. Besonders im Alter, als seine „Riesenkräfte“ nachließen, hatte es der einstmalige Herkules schwer, sich gegen die ständige Konkurrenz durchzusetzen. Nach seinem Tod gegen Ende der 1740er-Jahre löste sich die von seinem Pflege- oder Stiefsohn
Franz Huber d.Ä. übernommene Eckenbergsche Bande schnell auf und die Witwe des Prinzipals geriet in Not und Elend.
Literatur Curiosa Saxonica 1731, S. 178-185; J. F. Schütze, Hamburgische Theater-Geschichte, Hamburg 1794 (ND Leipzig 1975); L. Schneider, Johann Carl von E., der starke Mann, in: Almanach für Freunde der Schauspielkunst 12/1848, S. 125-169; M. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 2 Bde., Dresden 1862 (ND Leipzig 1979); J. Bolte, Der „starke Mann“ J. C. E., in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 2/1889, S. 515-531; O. Weddigen, Geschichte der Theater Deutschlands, Bd. 1, Berlin [1904], S. 488f.; M. Jacob, Kölner Theater im XVIII. Jahrhundert bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit (1700-1794), Emsdetten 1938; D. Claus, Wenn starke Männer Komödie spielen - J. C. E., in: Berlinische Monatsschrift 4/1995, H. 5, S. 58-62;
W. Hermann, Urvater der Gewichtheber, Johann Carl von E., in: Hoftheater - Volkstheater - Nationaltheater, Frankfurt/Main u.a. 1999, S. 47-63; U. Rosseaux, Freiräume, Köln u.a. 2007. – ADB 5, S. 609-611; DBA I, II, III; DBE 3, S. 9; NDB 4, S. 287f.
Katy Schlegel
18.4.2012
Empfohlene Zitierweise:
Katy Schlegel, Artikel: Johann Carl von Eckenberg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22749 [Zugriff 21.11.2024].
Johann Carl von Eckenberg
Literatur Curiosa Saxonica 1731, S. 178-185; J. F. Schütze, Hamburgische Theater-Geschichte, Hamburg 1794 (ND Leipzig 1975); L. Schneider, Johann Carl von E., der starke Mann, in: Almanach für Freunde der Schauspielkunst 12/1848, S. 125-169; M. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 2 Bde., Dresden 1862 (ND Leipzig 1979); J. Bolte, Der „starke Mann“ J. C. E., in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 2/1889, S. 515-531; O. Weddigen, Geschichte der Theater Deutschlands, Bd. 1, Berlin [1904], S. 488f.; M. Jacob, Kölner Theater im XVIII. Jahrhundert bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit (1700-1794), Emsdetten 1938; D. Claus, Wenn starke Männer Komödie spielen - J. C. E., in: Berlinische Monatsschrift 4/1995, H. 5, S. 58-62;
W. Hermann, Urvater der Gewichtheber, Johann Carl von E., in: Hoftheater - Volkstheater - Nationaltheater, Frankfurt/Main u.a. 1999, S. 47-63; U. Rosseaux, Freiräume, Köln u.a. 2007. – ADB 5, S. 609-611; DBA I, II, III; DBE 3, S. 9; NDB 4, S. 287f.
Katy Schlegel
18.4.2012
Empfohlene Zitierweise:
Katy Schlegel, Artikel: Johann Carl von Eckenberg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22749 [Zugriff 21.11.2024].