Hermann Meyer
Hermann Aron Meyer war 1856 bis 1868 Vorsteher der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. In seiner Amtszeit erfolgten organisatorische und religiöse Weichenstellungen, die bis 1914 die Leipziger jüdische Gemeinde prägen sollten. – Meyer wurde 1816 in
Dessau als Sohn von
Aron und
Blume Meyer geboren. Der Vater war seit 1793 Inhaber eines Wechselgeschäfts in Dessau. Gemeinsam mit seinem Bruder
Bernhard trat Meyer in das väterliche Unternehmen ein und wurde dessen Teilhaber. Die Firma führte den Namen Aron Meyer & Sohn. Schon Aron Meyer kam regelmäßig zur Leipziger Messe, um hier Wechselgeschäfte zu tätigen. Die Söhne unterstützten zunächst den Vater während der Messen in Leipzig. Sie übernahmen dann das Messegeschäft und wurden schließlich in Dessau die Geschäftsinhaber. Im Juni 1847 reichten die Brüder beim sächsischen Ministerium des Innern ein Gesuch zur Niederlassung und zur Gründung eines Wechselgeschäfts in Leipzig ein. Die Entscheidung zog sich in die Länge: Im Januar 1849 erhielten die Brüder das Bürgerrecht der Stadt Leipzig und verlegten den Sitz ihres Wechselgeschäfts auf den Brühl, die Hauptstraße des Leipziger Messegeschäfts in dieser Zeit. – 1850 wurde Meyer in den Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig gewählt. Ende Dezember 1855 erfolgte die Wahl Meyers zum Nachfolger des Gemeindevorstehers Hermann Samson. Die erste richtungsweisende Amtshandlung Meyers betraf die Entscheidung für einen Nachfolger für den Gemeinderabbiner Adolf Jellinek, der als Rabbiner nach
Wien wechselte. Meyer setzte mit der Berufung von Abraham Meyer Goldschmidt zum neuen Gemeinderabbiner seinen Vorschlag durch. 1859 förderte Meyer die Gründung des Vereins zur Förderung der geistigen Interessen im Judentum. Nach der Gründung der Mendelssohn-Stiftung zu Leipzig 1861 wurde Meyer zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Stiftung gewählt, ein Amt, das er bis zu seinem Lebensende ausübte. – Nachdem 1858 und 1862 die Provisorischen Statuten der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig modifiziert worden waren, initiierte Meyer 1865 die Ausarbeitung einer Gemeindeordnung, die schließlich 1868, kurz vor seinem Ausscheiden als Vorsteher, mit deutlicher Mehrheit in einer Generalversammlung angenommen wurde. Mit Inkrafttreten der Gemeindeordnung endete nach 30 Jahren das vom Rabbiner der Dresdner Gemeinde geführte sächsische Oberrabbinat. Auch die Errichtung eines zweiten jüdischen Friedhofs, des heutigen Alten Israelitischen Friedhofs, erfolgte 1864 während Meyers Zeit als Gemeindevorsteher. – Noch im März 1868 wurde unter der Leitung Meyers in der Gemeindesynagoge eine Orgel eingeweiht. Zwei Monate später schied er aus dem Vorsteheramt aus. Sein Ausscheiden stand im engen Zusammenhang mit Meinungsverschiedenheiten im Vorfeld des Orgelprojekts und Kritik nach dem Orgeleinbau insbesondere aus den Reihen der Vertreter des orthodoxen Judentums. Nach dem Ende seiner unmittelbaren Gemeindetätigkeit stand Meyer dem Gemeindevorstand beratend zur Seite und nahm u.a. als Vertreter der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig an der ersten jüdischen Synode, die am 29./30.6.1869 in Leipzig stattfand, teil. Die Synode fasste auch einen Beschluss zur umstrittenen Orgelfrage und empfahl die Einführung einer Orgel in den Gottesdienst. – Am 23.9.1881 starb Meyers Ehefrau
Rosalie. Meyer errichtete nach ihrem Tod die Rosalie-Meyer-Stiftung mit dem Zweck, dass jährlich anlässlich des Todestags notleidende Menschen einen Geldbetrag erhielten. – In den 1860er- und 1870er-Jahren hatte Meyer die Firma Aron Meyer & Sohn zu einem Bank- und Wechselgeschäft und schließlich zu einer Privatbank erweitert. Sein Sohn
Max Meyer wurde zunächst Mitinhaber und schließlich Alleininhaber. 1885 verlegte das Unternehmen seinen Sitz nach
Berlin. Inhaber waren hier die Söhne
Martin und
Bernhard Meyer. – Nach Meyers Tod gründeten seine Kinder die Hermann-Aron-Meyer-Stiftung, die ebenfalls an dessen Todestag Bedürftige finanziell unterstützen sollte. Der Grabstein Meyers auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Leipzig trägt eine Zeile aus „Hamlet“ von William Shakespeare: „Er war ein Mann, nehmt Alles nur in Allem.“
Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0008 Ratsstube, LI 115: Niederlassungsgesuch Bernhard und Hermann Meyer zu Dessau; Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Historisches Archiv, Gesamtarchiv der deutschen Juden, Bestand 75 A, Leipzig, Le 1 Nr. 6; Landesarchiv Hessen, Hessisches Staatsarchiv Marburg, 903 Frankfurt, Stadt, 9348, Heiratsregister 1873, Nr. 490, 10734, Standesamt Frankfurt I, Sterberegister 1915, Nr. 22; Landesarchiv Berlin, P Rep. 551, Nr. 476, Standesamt Charlottenburg I, Sterberegister 1921, Nr. 510, P Rep. 801, Nr. 6, Standesamt Berlin II, Sterberegister 1880, Nr. 599, P Rep. 804, Nr. 220, Standesamt Berlin III, Sterberegister 1920, Nr. 301; Stadtarchiv Dresden, 6.4.25-1.4.2-65 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt I, Personenstandsbuch, Sterberegister 1910, Nr. 486 (ancestry.de). – Leipziger Tageblatt und Anzeiger, 31.3.1868, S. 2403, 15.11.1887, S. 6498; Der Israelit 9/1868, H. 21, S. 390; Allgemeine Zeitung des Judentums, 6.7.1869, S. 525-535.
Literatur Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Werner Grossert, Geschichte der Dessauer Juden 1672-1932, Dessau 2006.
Steffen Held
20.8.2025
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Held, Artikel: Hermann Meyer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27913 [Zugriff 1.9.2025].
Hermann Meyer
Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0008 Ratsstube, LI 115: Niederlassungsgesuch Bernhard und Hermann Meyer zu Dessau; Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Historisches Archiv, Gesamtarchiv der deutschen Juden, Bestand 75 A, Leipzig, Le 1 Nr. 6; Landesarchiv Hessen, Hessisches Staatsarchiv Marburg, 903 Frankfurt, Stadt, 9348, Heiratsregister 1873, Nr. 490, 10734, Standesamt Frankfurt I, Sterberegister 1915, Nr. 22; Landesarchiv Berlin, P Rep. 551, Nr. 476, Standesamt Charlottenburg I, Sterberegister 1921, Nr. 510, P Rep. 801, Nr. 6, Standesamt Berlin II, Sterberegister 1880, Nr. 599, P Rep. 804, Nr. 220, Standesamt Berlin III, Sterberegister 1920, Nr. 301; Stadtarchiv Dresden, 6.4.25-1.4.2-65 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt I, Personenstandsbuch, Sterberegister 1910, Nr. 486 (ancestry.de). – Leipziger Tageblatt und Anzeiger, 31.3.1868, S. 2403, 15.11.1887, S. 6498; Der Israelit 9/1868, H. 21, S. 390; Allgemeine Zeitung des Judentums, 6.7.1869, S. 525-535.
Literatur Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Werner Grossert, Geschichte der Dessauer Juden 1672-1932, Dessau 2006.
Steffen Held
20.8.2025
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Held, Artikel: Hermann Meyer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27913 [Zugriff 1.9.2025].