Hermann Knothe

K. entstammte, wie zahlreiche Historiker des 19. Jahrhunderts, einer Pfarrersfamilie. Zwischen 1832 und 1840 besuchte er das Zittauer Gymnasium und studierte 1840 bis 1843, dem Wunsch seines Vaters gemäß, an der Universität Leipzig Theologie. Während seines Studiums war K. Mitglied der Lausitzer Predigergesellschaft und der Hebräischen Gesellschaft. Nach dem Abschluss des Studiums hielt er sich zunächst in Halle und Berlin auf, um weitere Vorlesungen bei verschiedenen Professoren zu hören. 1844 kehrte er aus gesundheitlichen Gründen nach Hirschfelde zurück und war in unterschiedlichen Familien, später auch in Dresden, als Hauslehrer tätig. 1851 wurde K. in Jena in Abwesenheit zum Doktor der Philosophie promoviert. 1855 berief man ihn als Lehrer an das Gymnasium in Zittau. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich K. bereits mit Arbeiten zur Geschichte seiner unmittelbaren Heimat, Hirschfelde und Umgebung, publizistisch hervorgetan. Auf diesen Forschungen aufbauend, dehnte er in der Folgezeit seine Untersuchungen auf die Nachbardörfer und schließlich auf Fragen der Oberlausitzer Landesgeschichte als Ganzes aus. Hervorzuheben sind seine Arbeiten zur Adels-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der Oberlausitz und die Herausgabe des Urkundenbuchs für die Städte Kamenz und Löbau. In den annähernd 60 Jahren seines wissenschaftlichen Wirkens veröffentlichte K. mehr als 140 Einzelschriften. Dabei widmete er sich besonders der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg, nur selten betrachtete er darüber hinausgehende Entwicklungen. Die Werke K.s sind in vielen Bereichen Meilensteine nicht nur der Oberlausitzer Landesgeschichte, denn sie vereinen breites und kritisches Quellenstudium mit dem Anspruch, Detailstudien in einen generalisierenden Gesamtzusammenhang zu stellen. Durch die 1861 erfolgte Berufung zum Professor an das Königliche Kadettenkorps in Dresden für die Fächer Geschichte, Geografie und deutsche Sprache erweiterten sich K.s Forschungsmöglichkeiten entscheidend. Nun hatte er Zugang zum Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden und zur Königlichen Öffentlichen Bibliothek. Darüber hinaus verschaffte ihm diese neue Stellung die nötige materielle Sicherheit und Freiheit für eine verstärkte Beschäftigung mit der historischen Forschung. Wie kein anderer wäre K. befähigt gewesen, eine Gesamtgeschichte der Oberlausitz zu schreiben, und mehrfach ist ein solches Projekt an ihn herangetragen worden, jedoch hat er solche Anfragen stets abgelehnt. Auch fand er sich in der Regel nicht bereit, Themen zu bearbeiten, die sich nicht ausdrücklich mit der Geschichte der Oberlausitz beschäftigten. Allein seine Arbeiten zur nordböhmischen Geschichte, die wiederum vielfach mit der Oberlausitz in Beziehung stehen, sind hier von einiger Bedeutung. Unterbrochen wurde seine Lehr- und Forschungstätigkeit in Dresden durch den Deutschen Krieg (1866). K. musste mit seinen Kadetten Dresden verlassen und gelangte über Prag und Wien nach Graz, wo er bis zum Ende der Kampfhandlungen ausharrte und erst nach dem Friedensschluss nach Dresden zurückkehrte. Unter zunächst schwierigen Bedingungen nahm er nach der Rückkehr den Lehrbetrieb wieder auf und veröffentlichte annähernd 20 Jahre später seine Kriegserlebnisse. – In Anbetracht seiner vielfältigen Verdienste wurde K. 1879 zum Ehrenmitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften ernannt, 1887 Ehrenmitglied des Nordböhmischen Exkursionsklubs zu Leipa, 1897 Mitglied der Königlich Sächsischen Historischen Kommission und 1900 mit dem Titel eines Geheimen Hofrats bedacht. Nach seiner Pensionierung 1880 wurde ihm 1882 sogar die Leitung des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden angeboten, die er aber mit dem Hinweis ablehnte, nun mehr Zeit auf seine Forschungen zur Oberlausitzer Geschichte verwenden zu wollen. Trotz einer Gehbehinderung, mit der er seit einem Unfall 1898 leben musste, widmete er sich weiterhin rastlos der historischen Forschung. – Seinen handschriftlichen Nachlass vermachte K. der Zittauer Stadtbibliothek. Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften bedachte er mit einem Legat von 5.000 Mark. Bereits in einem Nachruf von Woldemar Lippert kurz nach seinem Tod wurde K. völlig zu Recht als der erste anerkannte Historiker der Oberlausitz bezeichnet.

Quellen Personalverzeichnisse der Universität Leipzig Sommersemester 1840-Wintersemester 1843/44, Leipzig 1840-1843; Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz, Archiv der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Briefwechsel mit R. Jecht und G. T. L. Hirche, 1859-1903; Christian-Weise-Bibliothek Zittau (Altbestand), wissenschaftlicher Nachlass K.

Werke Urkundliche Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte der Oberlausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin 53 (1877), S. 161-421; Geschichte des Oberlausitzer Adels und seiner Güter, Leipzig 1879; Geschichte des Tuchmacherhandwerks in der Oberlausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin 58 (1882), S. 241-380; Urkundenbuch der Städte Kamenz und Löbau, Leipzig 1883; Fortsetzung der Geschichte des Oberlausitzer Adels und seiner Güter von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1620, in: Neues Lausitzisches Magazin 63 (1888), S. 1-174; D. Weber, Bibliographie der Werke Herrmann K., in: M. Herrmann/D. Weber (Hg.), Oberlausitz. Beiträge zur Landesgeschichte, Görlitz/Zittau 2004, S. 202-208 (WV).

Literatur H. Ermisch, Nachruf, in: NASG 24/1903, S. 155-163; R. Jecht, Zum Gedächtnis Hermann K.s, in: Neues Lausitzisches Magazin 74/1903, S. 161-175 (P, WV); W. Lippert, Hermann K., in: Sächsische Lebensbilder, hrsg. von der Sächsischen Kommission für Geschichte, Dresden 1930, S. 180-187 (Bildquelle); D. Weber, Hermann Friedrich K. (1821-1903), in: Neues Lausitzisches Magazin NF 7/2004, S. 156-158 (P); T. Fröde, Hermann K. als Mensch und Wissenschaftler, in: M. Herrmann/D. Weber (Hg.), Oberlausitz. Beiträge zur Landesgeschichte, Görlitz/Zittau 2004, S. 2 (P), 10-19. – DBA I, II.

Danny Weber
8.1.2008


Empfohlene Zitierweise:
Danny Weber, Artikel: Hermann Knothe,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2471 [Zugriff 22.11.2024].

Hermann Knothe



Quellen Personalverzeichnisse der Universität Leipzig Sommersemester 1840-Wintersemester 1843/44, Leipzig 1840-1843; Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz, Archiv der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Briefwechsel mit R. Jecht und G. T. L. Hirche, 1859-1903; Christian-Weise-Bibliothek Zittau (Altbestand), wissenschaftlicher Nachlass K.

Werke Urkundliche Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte der Oberlausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin 53 (1877), S. 161-421; Geschichte des Oberlausitzer Adels und seiner Güter, Leipzig 1879; Geschichte des Tuchmacherhandwerks in der Oberlausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin 58 (1882), S. 241-380; Urkundenbuch der Städte Kamenz und Löbau, Leipzig 1883; Fortsetzung der Geschichte des Oberlausitzer Adels und seiner Güter von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1620, in: Neues Lausitzisches Magazin 63 (1888), S. 1-174; D. Weber, Bibliographie der Werke Herrmann K., in: M. Herrmann/D. Weber (Hg.), Oberlausitz. Beiträge zur Landesgeschichte, Görlitz/Zittau 2004, S. 202-208 (WV).

Literatur H. Ermisch, Nachruf, in: NASG 24/1903, S. 155-163; R. Jecht, Zum Gedächtnis Hermann K.s, in: Neues Lausitzisches Magazin 74/1903, S. 161-175 (P, WV); W. Lippert, Hermann K., in: Sächsische Lebensbilder, hrsg. von der Sächsischen Kommission für Geschichte, Dresden 1930, S. 180-187 (Bildquelle); D. Weber, Hermann Friedrich K. (1821-1903), in: Neues Lausitzisches Magazin NF 7/2004, S. 156-158 (P); T. Fröde, Hermann K. als Mensch und Wissenschaftler, in: M. Herrmann/D. Weber (Hg.), Oberlausitz. Beiträge zur Landesgeschichte, Görlitz/Zittau 2004, S. 2 (P), 10-19. – DBA I, II.

Danny Weber
8.1.2008


Empfohlene Zitierweise:
Danny Weber, Artikel: Hermann Knothe,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2471 [Zugriff 22.11.2024].