Hermann Gutmann

Das Beispiel des Kaufmanns und Wechselhändlers Hermann Gutmann belegt sehr anschaulich, wie gravierend sich überkommene Ausschlusskriterien in Verbindung mit strikter Abschottungspolitik seitens der Innungen noch zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die berufliche und wirtschaftliche Existenz jüdischer Bürger in Dresden auswirkten. – Nach dem ersten Elementarunterricht in Dresden besuchte Gutmann zunächst 1829 bis 1834 die Franzschule in Dessau und absolvierte bis 1837 eine anschließende kaufmännische Ausbildung. Nachdem er als Handlungsgehilfe in Dessau, Leipzig und Paris gearbeitet hatte, etablierte er sich 1847 als Grossist für Manufakturwaren in Leipzig und verkaufte 1850 auf den dortigen Messen französische Schals und Tücher. V.a. als Folge der Handelskrisen von 1848/1849 geriet er 1851 in ein Konkursverfahren, das schließlich 1857 durch Vergleich mit seinen Gläubigern beendet werden konnte. 1857 bis 1859 war Gutmann in Leipzig für die Coburg-Gothaische Credit-Gesellschaft als Buchhalter und Korrespondent im Bankgeschäft tätig. – Mitte 1859 wollte sich Gutmann in Dresden als Makler bei der dortigen Fondbörse niederlassen und beantragte zu diesem Zweck das Dresdner Bürgerrecht. Der mit einer konfessionellen Ausschlussklausel der Maklerordnung von 1834 begründete Widerstand der Dresdner Handelsinnung bewirkte, dass Gutmann erst 1862 zur Prüfung durch die Innung zugelassen und ihm 1863 das Dresdner Bürgerrecht verliehen wurde. Ebenfalls 1863 eröffnete sich für ihn die Möglichkeit, zusätzlich die Hauptagentur einer auswärtigen Lebensversicherungsgesellschaft zu übernehmen. An der Frage der handelsrechtlichen Beurteilung einer Doppelfunktion als Makler bzw. Bevollmächtigter entzündete sich ein erbittert geführter Rechtsstreit mit der Handelsinnung, der 1864 durch ministerielle Verordnung zugunsten Gutmanns entschieden wurde. Dennoch sah er sich auch in der Folgezeit Schikanen seitens der Innung ausgesetzt. In einem anderen Verfahren wurde Gutmann 1865 vor dem Bezirksgericht, später vor dem Appellationsgericht verklagt, weil bei einem Wechselgeschäft nicht erkennbar gewesen sei, ob er als selbstständiger Makler oder als Agent seiner Agentur gehandelt habe. Die beruflichen Rückschläge sind sicherlich nicht spurlos am Leben der vielköpfigen Familie mit insgesamt sieben zwischen 1850 und 1863 geborenen Kindern vorübergegangen. – Innerhalb der jüdischen Gemeinde Dresdens scheint der im Dresdner Adressbuch von 1872 als Kaufmann und Wechselmakler auf der Mosczinskystraße 7 geführte Gutmann nicht besonders in Erscheinung getreten zu sein und auch keine Funktion etwa in wohltätigen Vereinen innegehabt zu haben.

Quellen Dresdner Adressbücher; Münchener Tagblatt 1850; Digitale Edition - Jüdischer Friedhof Dresden, neuer Friedhof, Fiedlerstraße 3 (1866-2005); Stadtarchiv Dresden, 2.3.9. Gewerbeamt A, G 5860.

Literatur Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden, Darmstadt 1973; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Daniel Ristau, Juden in Sachsen zwischen 1781 und 1932. Von der „Vorgeschichte“ der Shoa zur Vielfalt jüdischen Lebens, in: MEDAON. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 6/2012, H. 10, S. 1-58; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Hamburg 2016.

Jochen Vötsch
26.5.2025


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Hermann Gutmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27883 [Zugriff 14.6.2025].

Hermann Gutmann



Quellen Dresdner Adressbücher; Münchener Tagblatt 1850; Digitale Edition - Jüdischer Friedhof Dresden, neuer Friedhof, Fiedlerstraße 3 (1866-2005); Stadtarchiv Dresden, 2.3.9. Gewerbeamt A, G 5860.

Literatur Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden, Darmstadt 1973; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Daniel Ristau, Juden in Sachsen zwischen 1781 und 1932. Von der „Vorgeschichte“ der Shoa zur Vielfalt jüdischen Lebens, in: MEDAON. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 6/2012, H. 10, S. 1-58; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Hamburg 2016.

Jochen Vötsch
26.5.2025


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Hermann Gutmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27883 [Zugriff 14.6.2025].