Hermann Credner
C. war einer der bedeutendsten Geowissenschaftler des Königreichs Sachsen und trug maßgeblich zu dessen geologischer Kartierung bei. Seine Studien in den Bereichen der Paläontologie und Seismologie machten ihn darüber hinaus zu einem international angesehenen Forscher, dessen Beitrag zur Gründung der Internationalen Seismologischen Gesellschaft vielfach gewürdigt wurde. – C. wurde als ältester von vier Söhnen des Geheimen Bergrats Karl Friedrich Heinrich Credner und dessen Frau Anna im thüringischen
Gotha geboren. Nach erfolgreichem Abitur in seiner Geburtsstadt erlernte C. ab 1860 die Grundlagen der Bergbaukunde in
Clausthal (heute Clausthal-Zellerfeld), bevor er sein Studium der Mineralogie, Geologie und Paläontologie in
Breslau (poln. Wrocław) und
Göttingen fortsetzte. Dieses schloss er 1864 mit der Promotion zum Thema „Die Pteroceras-Schichten (Aporrhais-Schichten) der Umgebung von Hannover“ ab. Anschließend folgte eine mehrjährige Reise durch die USA. Um berufliche Erfahrung zu sammeln und seinen Unterhalt zu verdienen, arbeitete C. während dieser Zeit als Ingenieurgeologe im Gleisbau sowie als Erkundungsgeologe im Bereich der Erz- und Goldförderung. – C. kehrte 1868 nach Deutschland zurück und habilitierte bei dem Geologen Karl Friedrich Naumann an der Universität Leipzig. Seiner Habilitationsschrift legte er das Thema „Die Gliederung der eozoischen (vorsilurischen) Formationsgruppe Nordamerikas“ zugrunde. 1869 folgte eine Berufung als Privatdozent in den Bereichen Geognosie und Paläontologie an die Leipziger Universität, bevor C. ein Jahr später zum außerordentlichen Professor für Geologie und Paläontologie ernannt wurde. – Am 1.10.1872 heiratete C.
Marie Riebeck, die Tochter des Geheimen Kommerzienrats und Unternehmers Carl Adolph Riebeck. Diese Ehe ist auch daher von Bedeutung, dass C. nach dem Tod seines Schwiegervaters einen heftigen Erbschaftsstreit um dessen Nachlass erlebte, aus dem die Gründung der A. Riebeck’schen Montanwerke AG resultierte. An dieser Aktiengesellschaft waren auch C. und seine Ehefrau beteiligt. Durch die Einkünfte aus dem Unternehmen stieg das gemeinsame Vermögen der Eheleute bis 1912 auf ca. 8 Millionen Mark an. Damit gehörte C. gemeinsam mit seiner Frau zu den reichsten Sachsen und wurde von Rudolf Martin in dessen „Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre im Königreich Sachsen“ aufgenommen. C. erhielt trotz der großen finanziellen Rücklagen jedoch nie den Titel des Kommerzienrats, den sein Schwiegervater innehatte. Durch den kontinuierlich steigenden Wohlstand ließ C. 1892 bis 1895 die sog. Credner-Villa in Leipzig, heute Karl-Tauchnitz-Straße 11, errichten, in der er und seine Frau bis zu seinem Tod lebten. – Auf seinem Anwesen empfing C. zahlreiche international anerkannte Wissenschaftler und knüpfte vielseitige akademische Kontakte. Er selbst etablierte sich seit 1872 zunehmend in der internationalen Wissenschaft. 1872 wurde C. von König Johann zum Direktor der Geologischen Landesuntersuchung Sachsens ernannt. Sein Tätigkeitsfeld bestand v.a. in der Erneuerung der veralteten Kartenbestände für das zunehmend industrialisierte Königreich Sachsen. Hierfür sollte er detaillierte geognostische Karten in den Maßstäben von 1:100.000 bis 1:500.000 erstellen, die im Bergbau und bei der Planung von Verkehrswegen dringend benötigt wurden. 1877 folgte die Ernennung C.s zum Honorarprofessor, 1895 schließlich zum ordentlichen Professor der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig. In diesem Zug gründete er am 28.10.1895 das Paläontologische Institut, das ebenso in der Talstraße 35 ansässig war wie die durch C. ins Leben gerufene erste sächsische Erdbebenkommission. C. war zu diesem Zeitpunkt bereits einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Seismologie und trug 1903 maßgeblich zur Gründung der Internationalen Seismologischen Gesellschaft in
Straßburg (frz. Strasbourg) bei. – Auch in der allgemeinen Geologie erlangte C. durch seine Forschung internationale Bedeutung. Innerhalb Deutschlands wurde er v.a. wegen seiner Monografie „Elemente der Geologie“ bekannt. Dieses Standardwerk wurde zwischen 1872 und 1912 in elf Auflagen herausgegeben. Mit einer geologischen Übersichtskarte im Maßstab 1:500.000 vollendete C. 1910 zudem das 18 Jahre zuvor begonnene Kartenwerk zum Königreich Sachsen, das in mehreren Zwischenabschlüssen veröffentlicht wurde. Darüber hinaus forschte C. seit 1881 zu den Stegocephalen und Sauriern aus dem Rotliegenden des Döhlener Beckens in der Nähe von Dresden. Weiterhin verfasste er Abhandlungen über das sächsische Granulit-Gebirge und beschäftigte sich seit den 1870er-Jahren intensiv mit Themen der sich entwickelnden Glaziologie. – Durch seine nationalen und internationalen Leistungen wurden C. zahlreiche Ehrungen zuteil. So wurden ihm nicht nur die Titel Oberbergrat, Geheimer Bergrat und Geheimer Rat zuerkannt, sondern auch mehrere Orden für sein außerordentliches Schaffen verliehen: 1896 wurde er mit dem Ritterkreuz 1. Klasse des königlich sächsischen Verdienstordens geehrt, 1901 folgte das Komturkreuz 2. Klasse des königlich sächsischen Albrechtsordens sowie 1912 das Komturkreuz 2. Klasse des Verdienstordens. Weiterhin erhielt C. das Ritterkreuz 1. Klasse des kaiserlich russischen St.-Stanislaus-Ordens mit Stern und das Eiserne Kreuz 2. Klasse am weißen Band. Ab 1881 war C. darüber hinaus ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und gehörte 1882 bis zu seinem Tod der Deutschen Akademie für Naturforscher Leopoldina an. Des Weiteren erhielt C. Ehrenmitgliedschaften von Universitäten aus mehreren Ländern sowie die Ehrendoktorwürde der Universität
Cambridge verliehen. Anlässlich des 70. Geburtstags von C. wurde 1911 die Hermann-Credner-Stiftung gegründet, die sich noch heute in Händen der Deutschen Geologischen Gesellschaft befindet und Studierende sowie junge Wissenschaftler fördert. – C. erarbeitete sich diese sehr gute Reputation einerseits durch über 100 fachwissenschaftliche Publikationen, andererseits auch durch eine lange, erfolgreiche Lehre an der Universität Leipzig. An dieser leitete er weit mehr als 200 Veranstaltungen. Am 1.10.1912 musste C. aufgrund gesundheitlicher Probleme, insbesondere wegen Atemwegsbeschwerden, seine Lehrtätigkeit niederlegen. Zudem verzichtete C. am selben Tag auf die Weiterführung seines Direktorenamts bei der Sächsischen Geologischen Landesuntersuchung. Er starb bereits im folgenden Jahr eines natürlichen Tods. Seine Trauerfeier fand am 25.7.1913 in der Leipziger Paulinerkirche statt. C.s Urne ruhte bis zur Aufhebung des Neuen Johannisfriedhofs zu Leipzig an der Wandstelle Nr. 73 in der 9. Abteilung. Sein Grabstein wurde 1970 auf den Alten Johannisfriedhof zu Leipzig überführt.
Quellen Landesarchiv Sachsen-Anhalt, 02 Preußische Provinz Sachsen (1816-1944/1945), C 131, Amtsgerichte und Vorgängerbehörden. Kirchenbuchduplikate und Zivilstandsregisterzweitschriften (1760-1904), H 438 Halle/Saale, Moritzkirche 1869-1874, S. 655, Nr. 147 (Ancestry.com).
Werke Die Pteroceras-Schichten (Aporrhais-Schichten) der Umgebung von Hannover, in: Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft 16/1864, H. 2, S. 196-248, Tafel IX-XI; Die Gliederung der eozoischen (vorsilurischen) Formationsgruppe Nord-Amerikas, Habil. Leipzig 1869; Elemente der Geologie, Leipzig 1872, 111911; Ueber Lössablagerungen an der Zschopau und Freiberger Mulde, nebst einigen Bemerkungen über die Gliederung des Quartär im s. Hügellande Sachsens in: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie 1876, S. 9-23; Die Stegocephalen (Labyrinthodonten) aus dem Rothliegenden des Plauenʼschen Grundes bei Dresden. Erster Theil, in: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 33/1881, S. 298-330, Tafel XV-XVIII; Geologische Übersichtskarte des sächsischen Granulitgebirges und seiner Umgebung, 1:100.000, Leipzig 1883; Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden, Berlin 1891; Die Phosphoritknollen des Leipziger Mitteloligocäns und die norddeutschen Phosphoritzonen, Leipzig 1895; Die sächsischen Erdbeben während der Jahre 1889 bis 1897, insbesondere das sächsisch-böhmische Erdbeben vom 24. Oktober bis 29. November 1897, Leipzig 1899; Die Genesis des sächsischen Granulitgebirges. Renunziationsprogramm, Leipzig 1906; Geologische Übersichtskarte des Königreichs Sachsen im Maßstab 1:250.000 der natürlichen Größe, Leipzig 1908; Die Exkursionen der deutschen geologischen Gesellschaft in die erzgebirgische Provinz Sachsens und in das Böhmische Mittelgebirge im August 1908, in: Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Monatsberichte 61/1909, Nr. 2, S. 81-89; Geologische Übersichtskarte des Königreichs Sachsen, 1:500.000, Leipzig 1910.
Literatur Rudolf Martin, Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre im Königreich Sachsen, Berlin 1912; Franz Etzold, Zu Hermann C.s Gedächtnis, in: Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1914, Nr. 19, S. 577-592; Jan-Michael Lange/Michael Börngen/Frank Bach, Hermann C. in Leipzig. Eine Exkursion zu seinen Lebens- und Wirkungsstätten, in: Carl-Heinz Friedel/Heinz-Gerd Röhling (Hg.), GeoLeipzig 2004 - Geowissenschaften sichern Zukunft. Exkursionsführer, Leipzig 2004, S. 92-108; Heinz-Gerd Röhling, 100 Jahre Hermann C.-Stiftung der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, in: Geohistorische Blätter 2011, H. 21, S. 109-141; Franz Jacobs u.a., Carl Hermann C. (1841-1913) - Leben und Wirken, in: Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 164/2013, H. 2, S. 189-209. – DBA I, II, III; DBE II/2, S. 436; NDB 3, S. 404f.; Anton Bettelheim (Hg), Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, Bd. 18, Berlin 1917, Sp. 84 (Totenliste 1913); GeoSzene. Miniaturen zur Geologie Sachsen, Bd. 1: Hermann C. 1841-1913, hrsg. von den Staatlichen Naturhistorischen Sammlungen Dresden, Museum für Mineralogie und Geologie, Dresden 2005; Prof. Dr. phil. Carl Hermann Georg Credner, in: Professorenkatalog der Universität Leipzig/catalogus professorum lipsiensium, hrsg. von der Universität Leipzig; André Loh-Kliesch (Hg.), C., Hermann, in: Leipziger Biographie.
Porträt Porträt von Hermann C. als Mitglied der naturwissenschaftlichen Vereinigung "Isis" in Dresden, Fotoatelier Georg Brokesch/J. Mulac, nach 1883, Fotografie (Carte-de-visite), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Sign. Mscr.Dresd.App.1665, Foto: Philippa Roch (Bildquelle) [CC BY-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution 4.0 Unported License].
Rudi Moroschan
19.11.2020
Empfohlene Zitierweise:
Rudi Moroschan, Artikel: Hermann Credner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1069 [Zugriff 4.11.2024].
Hermann Credner
Quellen Landesarchiv Sachsen-Anhalt, 02 Preußische Provinz Sachsen (1816-1944/1945), C 131, Amtsgerichte und Vorgängerbehörden. Kirchenbuchduplikate und Zivilstandsregisterzweitschriften (1760-1904), H 438 Halle/Saale, Moritzkirche 1869-1874, S. 655, Nr. 147 (Ancestry.com).
Werke Die Pteroceras-Schichten (Aporrhais-Schichten) der Umgebung von Hannover, in: Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft 16/1864, H. 2, S. 196-248, Tafel IX-XI; Die Gliederung der eozoischen (vorsilurischen) Formationsgruppe Nord-Amerikas, Habil. Leipzig 1869; Elemente der Geologie, Leipzig 1872, 111911; Ueber Lössablagerungen an der Zschopau und Freiberger Mulde, nebst einigen Bemerkungen über die Gliederung des Quartär im s. Hügellande Sachsens in: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie 1876, S. 9-23; Die Stegocephalen (Labyrinthodonten) aus dem Rothliegenden des Plauenʼschen Grundes bei Dresden. Erster Theil, in: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 33/1881, S. 298-330, Tafel XV-XVIII; Geologische Übersichtskarte des sächsischen Granulitgebirges und seiner Umgebung, 1:100.000, Leipzig 1883; Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden, Berlin 1891; Die Phosphoritknollen des Leipziger Mitteloligocäns und die norddeutschen Phosphoritzonen, Leipzig 1895; Die sächsischen Erdbeben während der Jahre 1889 bis 1897, insbesondere das sächsisch-böhmische Erdbeben vom 24. Oktober bis 29. November 1897, Leipzig 1899; Die Genesis des sächsischen Granulitgebirges. Renunziationsprogramm, Leipzig 1906; Geologische Übersichtskarte des Königreichs Sachsen im Maßstab 1:250.000 der natürlichen Größe, Leipzig 1908; Die Exkursionen der deutschen geologischen Gesellschaft in die erzgebirgische Provinz Sachsens und in das Böhmische Mittelgebirge im August 1908, in: Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Monatsberichte 61/1909, Nr. 2, S. 81-89; Geologische Übersichtskarte des Königreichs Sachsen, 1:500.000, Leipzig 1910.
Literatur Rudolf Martin, Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre im Königreich Sachsen, Berlin 1912; Franz Etzold, Zu Hermann C.s Gedächtnis, in: Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1914, Nr. 19, S. 577-592; Jan-Michael Lange/Michael Börngen/Frank Bach, Hermann C. in Leipzig. Eine Exkursion zu seinen Lebens- und Wirkungsstätten, in: Carl-Heinz Friedel/Heinz-Gerd Röhling (Hg.), GeoLeipzig 2004 - Geowissenschaften sichern Zukunft. Exkursionsführer, Leipzig 2004, S. 92-108; Heinz-Gerd Röhling, 100 Jahre Hermann C.-Stiftung der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, in: Geohistorische Blätter 2011, H. 21, S. 109-141; Franz Jacobs u.a., Carl Hermann C. (1841-1913) - Leben und Wirken, in: Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 164/2013, H. 2, S. 189-209. – DBA I, II, III; DBE II/2, S. 436; NDB 3, S. 404f.; Anton Bettelheim (Hg), Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, Bd. 18, Berlin 1917, Sp. 84 (Totenliste 1913); GeoSzene. Miniaturen zur Geologie Sachsen, Bd. 1: Hermann C. 1841-1913, hrsg. von den Staatlichen Naturhistorischen Sammlungen Dresden, Museum für Mineralogie und Geologie, Dresden 2005; Prof. Dr. phil. Carl Hermann Georg Credner, in: Professorenkatalog der Universität Leipzig/catalogus professorum lipsiensium, hrsg. von der Universität Leipzig; André Loh-Kliesch (Hg.), C., Hermann, in: Leipziger Biographie.
Porträt Porträt von Hermann C. als Mitglied der naturwissenschaftlichen Vereinigung "Isis" in Dresden, Fotoatelier Georg Brokesch/J. Mulac, nach 1883, Fotografie (Carte-de-visite), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Sign. Mscr.Dresd.App.1665, Foto: Philippa Roch (Bildquelle) [CC BY-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution 4.0 Unported License].
Rudi Moroschan
19.11.2020
Empfohlene Zitierweise:
Rudi Moroschan, Artikel: Hermann Credner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1069 [Zugriff 4.11.2024].