Hellmuth von Mücke

M. spiegelt einen innerlich stark gespaltenen Menschen wider, der sich als enttäuschter Monarchist in den Anfangsjahren der Weimarer Republik dem Nationalsozialismus zuwandte und sich später immer mehr von diesem distanzierte. – M.s Familie stammte väterlicherseits aus der Lausitz und hatte 1806 von Kaiser Franz II. den Adelstitel erhalten. Er besuchte das Gymnasium in Dresden und trat im April 1900 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein, wo ihm ein schneller Aufstieg gelang. Nach einer Ausbildungsreise auf dem Schulschiff „Charlotte“ wurde er 1901 zum Fähnrich zur See befördert und nach dem Besuch der Marineschule in Kiel zum Leutnant zur See (1903). Weitere Karriereschritte waren Oberleutnant und Kompanieführer bei den Schultorpedobooten (1904) und Erster Offizier bei der 3. Torpedoboot-Reserve-Halbflottille (1907). Schließlich stieg er auf dem Kleinen Kreuzer „Emden“ zum Ersten Navigationsoffizier (1913) und zum Ersten Offizier (1914) auf. In Ostasien, wo sein Schiff gerade im deutschen Stützpunkt Tsingtau (chin. Quingdao) lag, erlebte M. den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Am 9.11.1914 zerstörte er mit seiner Einheit die britische Funkstation auf den Kokosinseln im Indischen Ozean. Während dieser Aktion wurde die „Emden“ vom australischen Kreuzer „Sydney“ kampfunfähig geschossen, woraufhin M. den britischen Dreimastschoner „Ayesha“ beschlagnahmen ließ und mit diesem schließlich Padang (Indonesien) erreichen konnte. Von dort aus gelangte die Besatzung nach Konstantinopel. Dafür wurde M. 1915 mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse, dem Ritterkreuz des sächsischen Militär-St.-Heinrich-Ordens IV. Klasse mit Schwertern und dem bayerischen Militärverdienstorden IV. Klasse ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt er das Kommando über eine Flussabteilung auf dem Euphrat. In der Folgezeit wurde M. 1917 Chef der deutschen Donau-Halbflottille und im Mai 1918 Kommandant der 1. Abteilung der II. Torpedoboot-Division in Wilhelmshaven. Von der Abdankung Kaiser Wilhelms II. schwer getroffen, erklärte M. am 9.11.1918 seinen Abschied von der Marine, aus welcher er als Korvettenkapitän entlassen wurde. Er führte jedoch offiziell seinen Dienstrang Kapitänleutnant weiter. – Nach dem Krieg zog M. mit seiner Familie nach Eldena bei Greifswald. Er trat der DNVP bei, da diese die Wiederherstellung der Monarchie befürwortete, verließ diese jedoch bereits im Frühjahr 1919 und gründete in Greifswald den „Mücke-Bund“, welcher einen völkisch-sozialistischen Charakter besaß. Der Bund löste sich allerdings schon nach ein paar Jahren wieder auf. Den Lebensunterhalt für seine Familie bestritt M. durch Vortragsreisen in ganz Deutschland. Im Januar 1921 trat er der NSDAP bei und zog ein Jahr später nach Dresden, um sich dem Aufbau einer Ortsgruppe dieser Partei zu widmen. Auch reiste er in die Vereinigten Staaten, wo er Vorträge über seine Kriegserlebnisse hielt. Zusammen mit Fritz Tittmann wurde M. im November 1926 für die NSDAP in den Sächsischen Landtag gewählt. Zugleich war er als Mitglied des Aufsichtsrats der AG Sächsische Werke und als Mitglied im Landesbeirat für Leibesübungen tätig. Außerdem gründete er die „Nationalsozialistische Arbeitsgemeinschaft“, welche sich an den Ideen Gregor Strassers von einem „revolutionären Sozialismus“ orientierte. M. legte sein Landtagsmandat zum 1.11.1927 nieder, und zwar - wie er selbst dem Landtagspräsidenten schrieb - aufgrund angeblicher Versäumnisse des Landtags im Zusammenhang mit einer Unwetterkatastrophe im Müglitz- und Gottleuba-Tal. Für M. rückte der Nationalsozialist Ernst Richard Helbig nach. 1929 unterbreitete M. den Kommunisten und Sozialdemokraten ein Bündnisangebot, da er mit diesen Gemeinsamkeiten, z.B. bei der Einführung des Achtstundentags, sah. Es wurde jedoch von KPD und SPD abgelehnt. Wegen dieses Vorgangs von der NSDAP kritisiert, trat M. aus der Partei aus. Er zog sich noch im selben Jahr nach Wyk auf Föhr zurück und wurde als Schriftsteller tätig. So nahm er die dreibändige autobiografische Reihe „Linie“ in Angriff, von der jedoch nur der erste Band erscheinen sollte. 1930/31 unternahm er erneut Vortragsreisen, die diesmal vom Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold organisiert wurden, da sich M. nun offen gegen die Politik Adolf Hitlers aussprach. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde er mit Schreibverbot belegt, da seine Schriften als nationalbolschewistisch eingestuft wurden. Dennoch meldete er sich bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs freiwillig zur Kriegsmarine; dieses Ersuchen wurde allerdings abgelehnt. 1940 zog die Familie nach Ahrensburg, wo sie sich ein eigenes Haus kaufte. – Nach Kriegsende wurde M. als Verfolgter des Naziregimes anerkannt; auch erhielt seine Frau eine Entschädigung. Er engagierte sich nun in der Friedensbewegung und sprach sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland aus. Aus diesen Gründen geriet er in den Verdacht der kommunistischen Agitation und wurde Anfang 1957 vor den 6. Strafsenat des Bundesgerichts vorgeladen. Noch im selben Jahr verstarb er an Herzversagen.

Quellen Archiv des Sächsischen Landtags, Landtag 1926/1929; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Landtag 1919-1933.

Werke Ayesha, Berlin 1915, 101927 (P); Die Abenteuer der „Emden“-Mannschaft, hrsg. von der freien Lehrervereinigung für Kunstpflege in Berlin, Reutlingen 1915; Die Taten der „Emden“ und anderer Kreuzer, Leipzig 1915; Emden, Berlin 1915, 21926; (Hg.), Bundesnachrichten (Hellmuth-von-Mücke-Bund), Potsdam 1920-1922; Das Schicksal des Landungszuges S.M.S. Emden, in: E. Raeder (Bearb.), Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern, Bd. 2, Berlin 1923, S. 107-121; Linie. Revolution, Nationalsozialismus und Bürgertum, Bd. 1, Beuern 1931.

Literatur G. Gellert, Heldenfahrten der „Emden“ und „Ayesha“, Berlin 1915; Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft, Bd. 2, Berlin 1931, S. 1275 (P); Die Kriegsfahrten der S.M.S. „Emden“, in: F. O. Busch/G. G. von Forstner (Hg.), Unsere Marine im Weltkrieg, Berlin 1934, S. 247-271; A. Hofer, Kapitänleutnant Hellmuth von M., Marburg 2003. – DBA III; DBE 7, S. 239; NDB 18, S. 262f.; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Leipzig 101935, S. 1099.

Porträt Hellmuth v. M., F. Urbahn, um 1916, Fotografie, Privatbesitz (Bildquelle).

Andreas Peschel
12.5.2014


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Peschel, Artikel: Hellmuth von Mücke,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24473 [Zugriff 22.12.2024].

Hellmuth von Mücke



Quellen Archiv des Sächsischen Landtags, Landtag 1926/1929; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Landtag 1919-1933.

Werke Ayesha, Berlin 1915, 101927 (P); Die Abenteuer der „Emden“-Mannschaft, hrsg. von der freien Lehrervereinigung für Kunstpflege in Berlin, Reutlingen 1915; Die Taten der „Emden“ und anderer Kreuzer, Leipzig 1915; Emden, Berlin 1915, 21926; (Hg.), Bundesnachrichten (Hellmuth-von-Mücke-Bund), Potsdam 1920-1922; Das Schicksal des Landungszuges S.M.S. Emden, in: E. Raeder (Bearb.), Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern, Bd. 2, Berlin 1923, S. 107-121; Linie. Revolution, Nationalsozialismus und Bürgertum, Bd. 1, Beuern 1931.

Literatur G. Gellert, Heldenfahrten der „Emden“ und „Ayesha“, Berlin 1915; Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft, Bd. 2, Berlin 1931, S. 1275 (P); Die Kriegsfahrten der S.M.S. „Emden“, in: F. O. Busch/G. G. von Forstner (Hg.), Unsere Marine im Weltkrieg, Berlin 1934, S. 247-271; A. Hofer, Kapitänleutnant Hellmuth von M., Marburg 2003. – DBA III; DBE 7, S. 239; NDB 18, S. 262f.; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Leipzig 101935, S. 1099.

Porträt Hellmuth v. M., F. Urbahn, um 1916, Fotografie, Privatbesitz (Bildquelle).

Andreas Peschel
12.5.2014


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Peschel, Artikel: Hellmuth von Mücke,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24473 [Zugriff 22.12.2024].