Heinrich Herzog
H. gab dem kirchlichen Archivwesen und der kirchlichen Rechtsgeschichte über die sächsische Landeskirche hinaus wichtige Impulse. Als Schüler brillierte H. als Kruzianer und bester Abiturient des Jahrgangs 1928 der Kreuzschule. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Leipzig, Marburg, München und Berlin, abgeschlossen mit der ersten juristischen Staatsprüfung am 9.12.1931, promovierte er über ein Thema zur jugoslawischen Kirchenrechtsgeschichte. Mehrere Stipendien ermöglichten ihm den notwendigen längeren Forschungsaufenthalt im damaligen Jugoslawien. Am 27.7.1933 wurde er in Leipzig zum doctor iuris utriusque promoviert. Im August 1935 beendete er sein Referendariat mit der zweiten juristischen Staatsprüfung und wurde anschließend als Assessor auf Probe in den Reichsdienst übernommen. Bereits im Oktober 1933 war er angesichts wiederholter Drohungen Justizministers Thierack der SA beigetreten, um eine Zulassung zum Assessorexamen zu erlangen. Als ihm wegen unzureichender Einsatzbereitschaft und seines christlichen Bekenntnisses ein Ausschlussverfahren drohte, trat er im Januar 1936 aus der SA aus und folgte einer Aufforderung, sich ehrenamtlich als Rechtsberater der Hitlerjugend (HJ) zu engagieren. Wegen gänzlichen Desinteresses der HJ-Führung in Pirna konnte er diese Tätigkeit stillschweigend mit seinem Wechsel nach Radeberg beenden, wo er am 1.12.1938 eine Stelle als Amtsgerichtsrat antrat. Seit Mitte 1938 ist auch seine – nach H.s Darstellung erzwungene – NSDAP-Mitgliedschaft belegt. – Am 5.4.1940 wurde H. zum Kriegsdienst eingezogen und kehrte am 9.11.1945 mit einer schweren Fußverletzung als bleibend Kriegsversehrter zurück. Wegen seiner Parteimitgliedschaft wurde er aus dem Staatsdienst entlassen. Durch die Vermittlung seines Doktorvaters, des Geheimen Hofrats Alfred Schultze, fand er beim Landeskirchenamt ab 1.10.1946 jedoch ein Beschäftigungsverhältnis mit täglicher Kündigungsmöglichkeit in Form von juristischen Aushilfstätigkeiten. Die landeskirchliche Entnazifizierungskommission erhob am 18.3.1947 gegen diese unverbindliche Form der Beschäftigung trotz dessen Tätigkeit als HJ-Justiziar keine Einwände. Nachdem der Landeskirchenausschuss als Gnadeninstanz am 16.7.1948 H.s unbeschränkter Weiterbeschäftigung zugestimmt hatte, avancierte er schließlich zum Oberkirchenrat (11.12.1956). Er baute die Archivpflege in der Landeskirche aus und widmete sich intensiv der sächsischen Kirchengeschichte. Am 3.6.1960 wurde er als Justiziar an das Landeskirchliche Amt für Innere Mission abgeordnet. Diese Funktion bekleidete er bis zu seiner Pensionierung am 1.6.1981. Hinzu kamen kirchenrechtliche Vorlesungen am Theologischen Seminar zu Leipzig. Als Dozent in der kirchlichen Juristenausbildung am Katechetischen Oberseminar in Naumburg lehrte H. in den 1960er-Jahren katholische und evangelische Kirchenrechtsgeschichte, katholisches und evangelisches Verwaltungs- und Verfassungsrecht sowie Arbeitsrecht. Am 9.2.1970 erteilte ihm das Landeskirchenamt einen zusätzlichen Beschäftigungsauftrag für das Referat Archivwesen im Landeskirchenamt im Umfang von einem Arbeitstag pro Woche. Mit großem Einsatz engagierte er sich fortan sowohl für die Ausbildung des juristischen Nachwuchses als auch für die Arbeit mit den nebenamtlichen Archivpflegern. Darüber hinaus war H. 1972 bis 1982 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für sächsische Kirchengeschichte. Bis 1978 amtierte er außerdem als Schatzmeister des Gustav-Adolf-Werks in der DDR. Im Ruhestand verfasste er ein Kompendium zum sächsischen Kirchenrecht, das nur kirchenintern Verbreitung fand. – H. verband die Sorge für das kirchliche Archivwesen auf der amtlichen Aufsichtsebene mit eigenen Forschungen, besonders zur Kirchengeschichte der sächsischen Oberlausitz. So prägte er eine Generation von Kirchenjuristen.
Quellen Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Best. 76, Handakten Heinrich H.
Werke Die Verfassung der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses im Königreiche Jugoslawien, Diss. Leipzig 1933 (ND Frankfurt/Main 1970); Die rechtliche Sonderstellung der Oberlausitz in der sächsischen Landeskirche, in: Herbergen der Christenheit 3/1959, S. 71-95; Die Neugestaltung der Verfassung der sächsischen Landeskirche, in: G. Fuß (Hg.), Verantwortung. Untersuchung über Fragen aus Theologie und Geschichte, Berlin 1964, S. 80-92; Die Geistlichen Räte bei der Regierungsbehörde der sächsischen Oberlausitz in Bautzen 1821 bis 1926, in: Herbergen der Christenheit 5/1965, S. 136-177; Das Meißner Konsistorium und die Anfänge des sächsischen Konsistorialwesens, in: F. Lau (Hg.), Das Hochstift Meißen. Aufsätze zur sächsischen Kirchengeschichte, Berlin 1973, S. 269-300; Die Neuordnung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“, in: Herbergen der Christenheit 9/1973/74, S. 199-211; Die Entwicklung des Verfassungsrechts der evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik seit 1945, in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, 30/1979, S. 328-350; Systematische Darstellung des Kirchenrechts der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, [Dresden] 1983.
Literatur R. Thomas, In memoriam Heinrich H., in: Herbergen der Christenheit 15/1985/86, S. 151f. (WV); S. Heitmann/H. D. Knoth, Die Sonderausbildung der Kirchenjuristen, in: Enquête-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Bd. IV/2, Baden-Baden/Frankfurt/Main 1995, S. 533-545.
Porträt Foto, W. Petrasch, 1952, Landeskirchenarchiv, Bestand 20, Nr. 718 (Bildquelle).
Carlies Maria Raddatz
9.1.2008
Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz, Artikel: Heinrich Herzog,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17980 [Zugriff 22.11.2024].
Heinrich Herzog
Quellen Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Best. 76, Handakten Heinrich H.
Werke Die Verfassung der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses im Königreiche Jugoslawien, Diss. Leipzig 1933 (ND Frankfurt/Main 1970); Die rechtliche Sonderstellung der Oberlausitz in der sächsischen Landeskirche, in: Herbergen der Christenheit 3/1959, S. 71-95; Die Neugestaltung der Verfassung der sächsischen Landeskirche, in: G. Fuß (Hg.), Verantwortung. Untersuchung über Fragen aus Theologie und Geschichte, Berlin 1964, S. 80-92; Die Geistlichen Räte bei der Regierungsbehörde der sächsischen Oberlausitz in Bautzen 1821 bis 1926, in: Herbergen der Christenheit 5/1965, S. 136-177; Das Meißner Konsistorium und die Anfänge des sächsischen Konsistorialwesens, in: F. Lau (Hg.), Das Hochstift Meißen. Aufsätze zur sächsischen Kirchengeschichte, Berlin 1973, S. 269-300; Die Neuordnung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“, in: Herbergen der Christenheit 9/1973/74, S. 199-211; Die Entwicklung des Verfassungsrechts der evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik seit 1945, in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, 30/1979, S. 328-350; Systematische Darstellung des Kirchenrechts der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, [Dresden] 1983.
Literatur R. Thomas, In memoriam Heinrich H., in: Herbergen der Christenheit 15/1985/86, S. 151f. (WV); S. Heitmann/H. D. Knoth, Die Sonderausbildung der Kirchenjuristen, in: Enquête-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Bd. IV/2, Baden-Baden/Frankfurt/Main 1995, S. 533-545.
Porträt Foto, W. Petrasch, 1952, Landeskirchenarchiv, Bestand 20, Nr. 718 (Bildquelle).
Carlies Maria Raddatz
9.1.2008
Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz, Artikel: Heinrich Herzog,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17980 [Zugriff 22.11.2024].