Hanns Bruno Geinitz

G. war einer der bedeutendsten Geologen und Paläontologen des 19. Jahrhunderts. Durch seine praktisch-naturwissenschaftlichen Forschungen über die geologische Beschaffenheit Sachsens und über fossile Steinfunde schuf er Grundlagenwerke in beiden Fächern. Als Gründer des Dresdner Mineralogischen Museums (ab 1937 Museum für Mineralogie und Geologie) und des Landesmuseums für Vorgeschichte ist er über die Grenzen Sachsens hinaus bekannt geworden. – Seine Kindheit und Jugend verbrachte G. in einem gelehrten Elternhaus. Der Vater, Baurat und angesehener Bürger Altenburgs, verkehrte in einflussreichen Familien, die dem jungen G. wertvolle Kontakte während seiner Studienzeit an der Berliner Universität vermittelten. 1834 begann er ein Studium der Physik und Chemie, später wechselte er zu den Fächern Mineralogie, Geognosie und Paläontologie, die seinen eigentlichen Interessen entsprachen. Er verlor die beiden ersteren Disziplinen jedoch nie aus dem Blick. Nach dem Abschluss seines Studiums 1837 ging er nach Jena in das Labor des Chemikers Johann Wolfgang Döbereiner und promovierte noch im selben Jahr an der Universität Jena über das Thüringer Muschelkalkgebirge. Im Jahr darauf gelangte er durch Beziehungen seines Vaters nach Dresden, wo er den Vorstand der 1828 gegründeten Technischen Bildungsanstalt (TBA), Wilhelm Gotthelf Lohrmann, kennenlernte. 1838 bis 1850 war G. an der TBA als Hilfslehrer tätig und konnte durch seinen modernen Lehrstil die Schüler für die angewandte Geologie begeistern. 1842 übernahm er die Verwaltung der naturwissenschaftlichen Bibliothek der TBA, die 1839 bereits 2.800 Bücher v.a. aus den Bereichen Geografie und Mineralogie umfasste. 1843 erstellte er einen Bibliothekskatalog, den er nach einer eigenen bibliothekarischen Klassifikation aufbaute. Nach drei Jahren intensiver Arbeit hatte er den Bestand auf 6.000 Bücher erweitert. Die Begabung für das Erstellen systematischer Ordnungen behielt er lebenslang bei, so gestaltete er die Mineraliensammlung der aus der TBA hervorgegangenen Polytechnischen Schule zu einer mineralogischen und geologischen Studiensammlung um. 1851 wurde G. zum Professor für Geologie und Mineralogie ernannt. Seine Lehrveranstaltungen hielt er nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die er von Exkursionen und Studienreisen mitbrachte. Nachdem G. 1847 auch Inspektor der geologischen und mineralogischen Abteilung des Königlichen Naturalienkabinetts geworden war, forderte er 1849 ein selbstständiges Mineralienmuseum. Dieses wurde jedoch erst 1857 realisiert. – Im Dresdner Maiaufstand wurden 1849 neben Teilen der historischen Altstadt und der Oper auch Gebäude des Zwingers zerstört, wo u.a. das Königliche Naturalienkabinett untergebracht war. G. übernahm daraufhin die Neuordnung der unversehrt gebliebenen Mineraliensammlung und baute sie zum Mineralogischen Museum aus. Durch persönliche Beziehungen zu Fachkollegen konnte er drei große Sammlungen für das neue Museum gewinnen, darunter die Sammlung des befreundeten Geognostikers Christian August von Gutbier und die Sammlung Sack aus Halle/Saale. Er katalogisierte das Material nach einer eigenen Systematik auf der Grundlage wissenschaftlicher Arbeiten bedeutender Mineralogen, so z.B. der „Vollständigen Charakteristik des Mineral-System’s“ des Freiberger Mineralogen August Breithaupt. 1857, im Entstehungsjahr des Mineralogischen Museums, wurde die Museumsbibliothek gegründet, deren Grundstock eine Vielzahl von Schriften bildete, die G. durch seine Verbindungen ins Ausland erworben hatte. 1875 gliederte er dem Museum eine prähistorische Abteilung an und legte damit den Grundstein für das heutige Landesmuseum für Vorgeschichte in Dresden. Durch den Aufbau des Mineralogischen Museums erlangte G. internationale Anerkennung als Geologe und wurde von wissenschaftlichen Einrichtungen, wie etwa der British Association for the Advancement of Science in Oxford, eingeladen, deren Sammlungen kennenzulernen. Von dort brachte er Objekte für das Museum in Dresden mit und baute gleichzeitig ein Netzwerk zu Wissenschaftlern in Europa auf. – G. war ein vielseitig engagierter Pädagoge, der seine Schüler und Studenten für die Geologie, Mineralogie und Paläontologie zu begeistern vermochte. Er war Mitglied in Prüfungskommissionen und 1885 des Senats des Sächsischen Polytechnikums. 1887 bekam er das Komturkreuz 2. Klasse des Albrechtsordens und das Ritterkreuz 1. Klasse des Sachsen-Ernestinischen Hausordens verliehen. G. gehörte 55 wissenschaftlichen Vereinen und Gesellschaften an. Bereits 1838 wurde er Mitglied im Naturwissenschaftlichen Verein ISIS zu Dresden, 1843 Mitglied der Kaiserlich Naturforschenden Gesellschaft zu Moskau, 1847 der Société géologique de France in Paris, 1861 der British Association for the Advancement of Science und 1876 der New York Academy of Science. Auch diese Beziehungen brachten ihm wertvolle Kontakte zu namhaften Wissenschaftlern, wie dem bedeutenden Geognostiker Christian Leopold von Buch, Bernhard von Cotta, dem US-amerikanischen Geologen James Dwight Dana oder dem Schweizer Paläontologen Oswald Heer. Dank G. kamen sie nach Dresden, um die Ausstellungsobjekte des Mineralogischen Museums zu erforschen.

Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Personalakte G.

Werke Beitrag zur Kenntniß des Thüringer Muschelkalkgebirges, Diss. Jena 1837; Charakteristik der Schichten und Petrefacten des sächsischen Kreidegebirges, 2 Bde., Dresden/Leipzig 1839/40; (Hg.), Katalog der Bibliothek der technischen Bildungsanstalt zu Dresden, Dresden 1843; Grundriß der Versteinerungskunde, Dresden 1846; Das Quadersandsteingebirge oder Kreidegebirge in Deutschland, Freiberg 1849/50; Die Versteinerungen der Steinkohlenformation in Sachsen, Bd. 1: Atlas, Leipzig 1855; Geognostische Darstellung der Steinkohlenformation in Sachsen, 2 Bde., Leipzig 1856; Dyas oder die Zechsteinformation und das Rothliegende, 2 Bde., Leipzig 1861/62; (Hg.), Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1863-1879; Die Steinkohlen Deutschlands und anderer Länder Europa’s, 2 Bde., München 1865; Das Elbthalgebirge in Sachsen, 2 Bde., Kassel 1872/75; Zur Geschichte des Königlichen Museums in Dresden, Dresden 1899.

Literatur F. E. Geinitz, Hanns Bruno G., Halle/Saale 1900; E. Kalkowsky, Hanns Bruno G. [Nachruf], in: Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS 1900, S. 5-13; B. und S. Grunert, Hanns Bruno G. und seine Zeit, in: Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 42/1996, S. 113-126; J.-M. Lange (Hg.), Abstracts and excursion guide. International Hanns Bruno G. Symposium, Dresden 2000 (WV); I. Klemmer (Hg.), International Hanns Bruno G. Symposium, Dresden 2001; W. Voss, Hanns Bruno G., in: Dresdner Universitätsjournal 13/14/2002, S. 8. – DBA I, II, III; DBE 10, S. 185; NDB 6, S. 151f.; W. Haan, Sächsisches Schriftsteller-Lexicon, Leipzig 1875, S. 91-93 (WV); D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 261 (P); H.-D. Wüstling, Die Direktoren der Universitätsbibliothek Dresden von 1828 bis 1996, Dresden 2005, S. 25-28 (P); T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 91 (P).

Porträt Hanns Bruno G, undatierte Fotografie, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv (Bildquelle).

Anett Münch
5.5.2011


Empfohlene Zitierweise:
Anett Münch, Artikel: Hanns Bruno Geinitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1633 [Zugriff 29.3.2024].

Hanns Bruno Geinitz



Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Personalakte G.

Werke Beitrag zur Kenntniß des Thüringer Muschelkalkgebirges, Diss. Jena 1837; Charakteristik der Schichten und Petrefacten des sächsischen Kreidegebirges, 2 Bde., Dresden/Leipzig 1839/40; (Hg.), Katalog der Bibliothek der technischen Bildungsanstalt zu Dresden, Dresden 1843; Grundriß der Versteinerungskunde, Dresden 1846; Das Quadersandsteingebirge oder Kreidegebirge in Deutschland, Freiberg 1849/50; Die Versteinerungen der Steinkohlenformation in Sachsen, Bd. 1: Atlas, Leipzig 1855; Geognostische Darstellung der Steinkohlenformation in Sachsen, 2 Bde., Leipzig 1856; Dyas oder die Zechsteinformation und das Rothliegende, 2 Bde., Leipzig 1861/62; (Hg.), Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1863-1879; Die Steinkohlen Deutschlands und anderer Länder Europa’s, 2 Bde., München 1865; Das Elbthalgebirge in Sachsen, 2 Bde., Kassel 1872/75; Zur Geschichte des Königlichen Museums in Dresden, Dresden 1899.

Literatur F. E. Geinitz, Hanns Bruno G., Halle/Saale 1900; E. Kalkowsky, Hanns Bruno G. [Nachruf], in: Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS 1900, S. 5-13; B. und S. Grunert, Hanns Bruno G. und seine Zeit, in: Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 42/1996, S. 113-126; J.-M. Lange (Hg.), Abstracts and excursion guide. International Hanns Bruno G. Symposium, Dresden 2000 (WV); I. Klemmer (Hg.), International Hanns Bruno G. Symposium, Dresden 2001; W. Voss, Hanns Bruno G., in: Dresdner Universitätsjournal 13/14/2002, S. 8. – DBA I, II, III; DBE 10, S. 185; NDB 6, S. 151f.; W. Haan, Sächsisches Schriftsteller-Lexicon, Leipzig 1875, S. 91-93 (WV); D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 261 (P); H.-D. Wüstling, Die Direktoren der Universitätsbibliothek Dresden von 1828 bis 1996, Dresden 2005, S. 25-28 (P); T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 91 (P).

Porträt Hanns Bruno G, undatierte Fotografie, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv (Bildquelle).

Anett Münch
5.5.2011


Empfohlene Zitierweise:
Anett Münch, Artikel: Hanns Bruno Geinitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1633 [Zugriff 29.3.2024].