Gregor Heimburg

H. wurde kurz vor 1400 als Sohn einer Schweinfurter Bürgerfamilie geboren. Schon früh empfing er auf verschiedenen Schulen, darunter wahrscheinlich die Würzburger Domschule, die Grundlagen seiner umfassenden Bildung. 1413 wurde er an der Universität Wien immatrikuliert. Den für einen deutschen Juristen dieser Zeit noch seltenen doctor iuris utriusque (Doktor beider Rechte - des weltlichen und des kirchlichen Rechts) erwarb er in Padua, wohl 1429/30. Nicht nur die hohe juristische Qualifikation, auch die in Italien erlangte humanistische Vertrautheit mit der antiken Rhetorik und seine Eloquenz prädestinierten ihn für eine glänzende Karriere, die ihn zuerst als Generalvikar in geistlichen Dingen 1430 an den Hof des Erzbischofs von Mainz, danach in den Dienst vieler weiterer Herren führte. Seit 1432 hielt sich H. auf dem Basler Konzil auf, zunächst als mainzischer Gesandter, dann im Auftrag der Kurfürsten von Sachsen und schließlich als Rat Kaiser Sigismunds. 1435 bis 1461 stand H. im Dienst der Reichsstadt Nürnberg, allerdings - was charakteristisch und bezeichnend ist - mit großen Unterbrechungen, denn er war immer wieder für verschiedene Fürsten und andere Auftraggeber als Rechtsberater, auf Reichstagen und mit Gesandtschaften zur Kurie tätig. In der Frage der Kirchenspaltung wirkte er 1438 an der Neutralitätserklärung der deutschen Kurfürsten mit. Auf den Reichstagen trat er für die Kirchenreform und die deutsche Neutralität ein. Daneben arbeitete H. als Jurist für eine Vielzahl mehr oder weniger prominenter Klienten, z.B. für die Reichsstadt Esslingen, den Deutschen Orden sowie für den Erzbischof von Trier. Nürnberg diente er 1450 bis 1454 im Rechtsstreit gegen Markgraf Albrecht Achilles. Seit 1454 wirkte er als Rechtsberater für König Ladislaus von Ungarn und Böhmen, um dessen Ansprüche auf Luxemburg gegen die Wettiner durchzusetzen. 1458 trat H. in den Dienst der habsburgischen Herzöge Albrecht von Österreich und Sigmund von Tirol, die er juristisch in Erbauseinandersetzungen mit Kaiser Friedrich III. und in Sigmunds Streit mit dem Bischof von Brixen, Kardinal Nikolaus Cusanus, unterstützte. – In seinen ständig wechselnden Dienstverhältnissen, seiner ausgesprochen hohen Mobilität und seinem politischen Einfluss verkörpert H. einen auch sozialgeschichtlich interessanten neuen Typ des Gesandten und Berufsjuristen, der auf den Konzilen und Reichstagen und aus der zunehmenden Verrechtlichung des 15. Jahrhunderts heranwuchs. Dazu gehört auch, dass H. offenbar zeit seines Lebens Laie blieb, was bei den gelehrten Juristen und Räten in dieser Zeit noch sehr selten war. H. konnte daher zwar nicht - wie üblich - mit kirchlichen Pfründen versorgt werden, aber er war ungebundener und konnte seine Fähigkeiten und sein Wissen je nach dem unmittelbaren finanziellen Ertrag anbieten. H. erwarb dabei beträchtlichen Besitz, v.a. um Nürnberg und Würzburg. Er war zudem in der Lage, dem Bischof von Würzburg hohe Beträge zu leihen. Ein in dieser Zeit von gelehrten Juristen sonst unerreichtes Spitzeneinkommen stellt der Sold von 600 Gulden im Jahr dar, den Herzog Albrecht von Österreich H. seit 1458 zahlte – Trotz seines modern anmutenden juristischen Unternehmergeists stand H. aber besonders in der Frage der Kirchenreform für eine zunehmend klare und selbstständige, freilich auch mehr und mehr isolierte politische Position. Nachdem er in Basel im Streit zwischen Papst und Konzil noch die kurfürstliche Neutralität vertreten hatte, verfocht er im Laufe der Zeit gegen den päpstlichen Primat immer radikaler die Konzilsidee und die Forderung nach einer Kirchenreform. Dieser bedingungslose Konziliarismus und die Kritik am Papsttum brachte ihn in scharfen Gegensatz zu Eneas Silvio Piccolomini (den späteren Papst Pius II.) und Nikolaus von Kues, die er seit den Basler Verhandlungen kannte. Der Konflikt eskalierte, als H. sich im Auftrag Herzog Sigmunds von Tirol auf dem Fürstentag zu Mantua 1459 gegen Pius’ II. Pläne zum Türkenkreuzzug aussprach und Cusanus wegen der zwischen Tirol und Brixen strittigen Gerichtsbarkeit juristisch und publizistisch angriff. Dabei verband er die Angelegenheit des Herzogs mit den Forderungen der sich radikalisierenden Konziliaristen. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurde H. 1460 gemeinsam mit dem habsburgischen Herzog und dessen Helfern exkommuniziert. Mit wütenden publizistischen Angriffen gegen Pius II. zog sich H. 1461 außerdem auch den großen Kirchenbann zu. Als Herzog Sigmund 1464 zu einem Ausgleich mit der Kurie kam und der Papst ihn und seine Anhängerschaft vom Bann löste, wurde H. übergangen. Schon 1460 hatte Pius II. den Würzburger und den Nürnberger Rat aufgefordert, H.s. Besitz einzuziehen. Dieser Anordnung hatte man allerdings offenbar zunächst keine Folge geleistet. Zwar war das Tätigkeitsfeld des gebannten H. seit 1461 deutlich eingeschränkt, er war aber weder in seiner fränkischen Heimat isoliert noch von allen Kontakten nach außen abgeschnitten. – Es ist daher nicht Folge gesellschaftlicher Ächtung, sondern Ausdruck von H.s antikurialer Haltung, dass er 1466 - mit sächsischem Geleit - nach Böhmen ging und in die Dienste des „Ketzerkönigs“ Georg Podiebrad trat. Dessen romfeindliche Politik unterstützte H. anschließend auch publizistisch. Allerdings erreichte er dabei nicht die gleiche öffentliche Resonanz, die seine Polemiken gegen Eneas Silvio und Cusanus - zumindest im Spiegel der breiten handschriftlichen Überlieferung - erlangt hatten. Erst 1468 konfiszierte der Bischof von Würzburg auf Anweisung des Papsts tatsächlich H.s beträchtlichen Besitz, womit dieser von seiner Heimat und materiellen Lebensbasis abgeschnitten wurde. H.s Sohn Jakob gelang es jedoch, erhebliche Teile des väterlichen Erbes aus der Konfiskationsmasse für die Familie zurückzugewinnen. – Als H. nach Podiebrads Tod 1471 die wettinischen Erbansprüche auf die böhmische Krone unterstützte, wurde er bald aus Böhmen vertrieben. Am 10.8.1471 fand er Zuflucht bei Herzog Albrecht von Sachsen, der ihn heimlich zum Schloss Tharandt brachte, um Aufsehen um den immer noch Gebannten zu vermeiden. – H. hatte schon seit mehr als drei Jahrzehnten Verbindungen nach Sachsen, die offenbar nie völlig abgerissen waren. Aus den Jahren 1433 bis 1437 sind mehrere Bestallungsverträge überliefert, mit denen Kurfürst Friedrich II. von Sachsen H. für ein jährliches Gehalt von 60 Gulden als Advokat und Prokurator auf dem Basler Konzil und bei Kaiser Sigismund in seinen Dienst nahm. Noch 1439 berichtete H. aus Basel und vom Mainzer Reichstag nach Sachsen und forderte seinen ausstehenden Sold. 1434 beriet H. die sächsischen Herzöge Friedrich II. und Sigismund in ihrem Streit mit Heinrich I. von Plauen um die Burggrafschaft Meißen und in ihrer Auseinandersetzung mit Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg um die sächsische Kur. 1447 versuchte Kurfürst Friedrich II. von Sachsen offenbar erfolglos, den sehr gefragten H. wieder in seinen Dienst zu nehmen. Für Herzog Wilhelm III. von Sachsen hielt H. auf dem Mantuaner Kongress 1459 eine Rede vor Papst Pius II. 1466/67 stand H. wieder in sächsischem Sold. – Von Sachsen aus bemühte sich H. nun - wohl im Angesicht des nahenden Tods - um Versöhnung mit Rom. Am 19.3.1472 empfing er auf Fürsprache der Herzöge Albrecht und Ernst mit Erlaubnis von Papst Sixtus IV. vom Bischof von Meißen die Absolution. Nur wenige Monate später, im August 1472, verstarb er auf Schloss Wehlen an der Elbe und wurde in der Kirche der Dresdner Franziskaner begraben. – Im Spannungsfeld der Verhandlungen um die Kirchen- und Reichsform wurde H. zu einem der einflussreichsten und bedeutendsten Juristen, Gesandten und Kirchenpolitiker, die das deutsche Spätmittelaltervorgebracht hat, wenngleich er - anders als z.B. Cusanus, Johannes von Lysura oder Heinrich Toke - weniger durch programmatische Schriften zur Kirchen- und Reichsreform als durch aktuelle politische Reden, Manifeste und Invektiven sowie durch eine breite juristische Alltagstätigkeit hervorgetreten ist. Einige seiner Arbeiten haben – obwohl es sich meist um Prozessschriften handelt – aufgrund ihrer eloquenten Polemik und ihrer kirchenpolitischen Brisanz über den unmittelbaren Anlass hinaus auch literarisch gewirkt. Sie sind daher nicht nur archivalisch, sondern z.T. auch breit in handschriftlichen Kontexten überliefert. Man findet sie dabei nicht nur in politisch-akademischem Umfeld, sondern selbst in den Gebrauchshandschriften einfacher Seelsorger. Auf diesem Weg wurde H.s. Werk noch vor der Durchsetzung des Buchdrucks einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und strahlte bis in das Jahrhundert der Reformation aus.

Quellen Deutsche Reichstagsakten, Bd. 13-15, Oldenburg 2008; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Böhm. Sachen; Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 1092; Bayrische Staatsbibliothek München, clm 522.

Werke Oratio pro petendis insigniis doctoratus, ca. 1429/30; Admonitio de iniustis usurpationibus paparum, nach 1446; Reden auf dem Kongreß von Mantua, u.a. für Herzog Wilhelm von Sachsen, 1459; Tractatus super excommunicatione Pii papae II, 1460; Invectiva in Nicolaum Cusanum, 1461; De militia et republica ad ducem Victorinum (Sohn Georg Podiebrads), 1469; Briefwechsel mit Johannes Rot in Rom über Jurisprudenz, 1454 und mit Mgf. Albrecht Achilles von Brandenburg, 1468/70.

Literatur P. Joachimsen, Gregor H., Bamberg 1891; A. Wendehorst, Gregor H., in: Fränkische Lebensbilder 4/1971, S. 112-129; T. Maerker, Das Burgrafthum Meißen, Dresden 1842, S. 324-326; A. Thieme, Landesherrschaft und Reichsunmittelbarkeit, in: J. Rogge/U. Schirmer (Hg.), Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), Stuttgart 2003, S.135-161, S. 150f. – ADB 11, S. 327-330; NDB 8, S. 274f.; Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Stuttgart 1999, Sp. 1682f.; K. Ruh u.a. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters, Bd. 3, Berlin 21981, Sp. 629-642.

Marek Wejwoda
21.10.2009


Empfohlene Zitierweise:
Marek Wejwoda, Artikel: Gregor Heimburg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25340 [Zugriff 21.11.2024].

Gregor Heimburg



Quellen Deutsche Reichstagsakten, Bd. 13-15, Oldenburg 2008; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Böhm. Sachen; Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 1092; Bayrische Staatsbibliothek München, clm 522.

Werke Oratio pro petendis insigniis doctoratus, ca. 1429/30; Admonitio de iniustis usurpationibus paparum, nach 1446; Reden auf dem Kongreß von Mantua, u.a. für Herzog Wilhelm von Sachsen, 1459; Tractatus super excommunicatione Pii papae II, 1460; Invectiva in Nicolaum Cusanum, 1461; De militia et republica ad ducem Victorinum (Sohn Georg Podiebrads), 1469; Briefwechsel mit Johannes Rot in Rom über Jurisprudenz, 1454 und mit Mgf. Albrecht Achilles von Brandenburg, 1468/70.

Literatur P. Joachimsen, Gregor H., Bamberg 1891; A. Wendehorst, Gregor H., in: Fränkische Lebensbilder 4/1971, S. 112-129; T. Maerker, Das Burgrafthum Meißen, Dresden 1842, S. 324-326; A. Thieme, Landesherrschaft und Reichsunmittelbarkeit, in: J. Rogge/U. Schirmer (Hg.), Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), Stuttgart 2003, S.135-161, S. 150f. – ADB 11, S. 327-330; NDB 8, S. 274f.; Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Stuttgart 1999, Sp. 1682f.; K. Ruh u.a. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters, Bd. 3, Berlin 21981, Sp. 629-642.

Marek Wejwoda
21.10.2009


Empfohlene Zitierweise:
Marek Wejwoda, Artikel: Gregor Heimburg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25340 [Zugriff 21.11.2024].