Gottfried Schmiedel

Der als „Baron Schmiedel“ bekannt gewordene S. erlangte im Augusteischen Zeitalter als zweiter Hoftaschenspieler an der Seite von Joseph Fröhlich einige Berühmtheit. Davon zeugen eine stattliche Anzahl figürlicher Darstellungen, Abbildungen und Bildhauerarbeiten sowie eine von Johann Joachim Kändler 1739 meisterhaft geschaffene, lebensgroße Büste aus Meißner Porzellan. – Vermutlich wurde S. 1700 als Johann Gottfried Graf in Schlesien als uneheliches Kind einer der schwarzen Magie verdächtigten „Tierheilerin“ geboren. Ein Freiherr nahm sich seiner an und schickte ihn zusammen mit seinem leiblichen Sohn zum Studium nach Breslau (poln. Wrocław). Statt eifrig zu studieren, ergab sich S. dem Trunk und Billardspiel. Als von ihm Rechenschaft über seine Studienergebnisse verlangt wurde, verlor er die Gunst seines Protegés. Mitte der 1720er-Jahre übersiedelte S. in die sächsische Residenzstadt Dresden, wo er sich als Diener verschiedener Adliger meist nur kurzzeitig durchschlug. Als Kellner im Speisehaus im „Friesengäßgen“, in dem Hofchargen verkehrten, fiel er Alexander Jósef Sułkowski - dem Jugendfreund des späteren Kurfürsten Friedrich August II. - dadurch auf, dass er ohne Instrument mit den Lippen Trompete blasen konnte. Von Sułkowski, der ihn in seinen Dienst nahm, wurde S. am Dresdner Hof eingeführt. Da er noch andere Eigenschaften aufwies, mit denen er die Hofgesellschaft belustigen konnte, wurde er um 1727 dem ersten Hoftaschenspieler zugeordnet, und beide bildeten fortan bis zu S.s Tod ein weithin berühmtes Paar. In diesem Hoftaschenspielerduo übernahm S. die melancholische Rolle und die Mitwirkung bei Zaubertricks. 1732 wurde S. im „Sächsischen Hof- und Staatskalender“ erstmalig als Kammerkurier „Mr. Schmiedel“ erwähnt und in den Folgejahren stets nach Fröhlich meist als Hoftaschenspieler geführt. Es wurden, wie zu dieser Zeit üblich, verschiedene Namen und „Titel“ verwendet. So trat er neben dem Namen Johann Gottfried Graf auch als Gottfried Tuchscherer und Gottfried Junge in Erscheinung, jedoch ständig mit dem Zusatz „genannt Baron (von) Schmiedel“ bzw. „der kleine Schmiedel“ und „der kleine Baron Schmiedel“ verbunden. Der Name Schmiedel stammt sehr wahrscheinlich von einem seiner Dienstherren; ein altes Adelsgeschlecht mit diesem Namen stand im Militärdienst des Hofs und seiner Dependancen. Für S. gibt es eine Reihe urkundlich erwähnter Funktionsbezeichnungen: Jagd-, Post-, Reise- und Kammerkurier, sowie „Baron sans repos“ (frz. „Baron Unruhe“, Dresdner Adressbuch 1740). Insbesondere als Tisch-Rat hatte er die Aufgabe, für Späße und derbe Belustigungen bei den Gelagen der Hofgesellschaft zu sorgen. In der von Friedrich August I. (König August II. von Polen, der Starke) gegründeten „Sociéte des antisobres“ (dt. „Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit“) führte er mit Fröhlich das große Wort. – Die offizielle Bestallung am Hof soll Friedrich August II. 1733/34 vorgenommen haben. Dem ging 1733 nach dem Tod Friedrich Augusts I. ein wahrscheinlich sehr kurzes Dienstverhältnis als Postmeister in Lauchstädt voraus, mit der Namensbezeichnung Gottfried Junge. Aus dieser Episode, die archivalisch nicht belegt werden konnte, rührt die Gestaltung der Kändler-Büste im damals üblichen Postmeisterhabit her. 1748 bis 1751 fehlt in den „Hof- und Staatskalendern“ der für S. übliche Eintrag, erst ab 1752 werden Fröhlich mit der neuen Bezeichnung Mühlenkommissar und S. als Jagdkommissar geführt. – In der Literaturgeschichte wird S. ein Gedicht zugeschrieben, in dem er Glückwünsche für eine Hochzeit im sächsischen Adelsstand ausspricht („Den allerbesten Vogelfang“, 1746). Aus einem 1742 anonym erschienenen Ruhm- und Spottgedicht auf S. („Da uns Der Erste Tag im Monath vom April …“) stammen die meisten Fakten zu seinem bisherigen Leben. Fast zum gleichen Zeitpunkt erschien ebenfalls anonym ein analoges Gedicht zu Fröhlich („Da der Geburths= und Nahmens=Tag des Joseph Frölichs ist erschienen …“, 1742). – Zu. S. gab es bislang keine zusammenfassende biografische Darstellung. In zeitgenössischen und historisch-wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird er vielfach sekundär im Kontext zu Fröhlich erwähnt, so z.B. in der romanhaften Veröffentlichung von Carl Willnau. Weiterhin wird eine Reihe von Erzählungen und Sagen tradiert, die zum Teil als „Dichtung und Wahrheit“ differenziert betrachtet werden müssen. – Die bisherige Forschung zu S. ging davon aus, dass er nach 1747 aus der sächsischen Geschichte „verschwand“. Ein Gedicht aus dem Jahr 1754 über die Bautzener Ortenburg weist jedoch markante Bezugspunkte bei den Verfasserangaben und im Stil zu S. auf: Als Autor wird einer seiner Namen und die Bezeichnungen Schlossinspektor sowie bestallter Oberjagdkommissar genannt. Tatsächlich wird S. 1754 im Hofkalender zusätzlich als Adjunktus (Stellvertreter) des Bettmeisters der Ortenburg und 1755/56 als Schlossinspektor genannt. Eine Akte im Hauptstaatsarchiv Dresden belegt die vom Premierminister Heinrich Graf von Brühl am 16.2.1754 unterzeichnete Bestallung für 285 Taler jährlich. Dieser Archivbestand enthält auch die Nachfolgeregelung nach S.s Tod im Juli 1756 in Dresden. Einer Akte des Amtsgerichts Dresden zufolge wurde S.s Nachlass durch seine Mutter nach Sommerfeld (poln. Lubsko) in Schlesien überführt und nach „allerhöchster Anordnung“ von der Erbschaftssteuer befreit. Beim Verkauf seiner Bekleidung, Möbel und Gebrauchsgegenstände etc. wurde die beachtliche Summe von rund 2.212 Talern erzielt. Nach Abzug aller Ausgaben verblieb immer noch ein Überschuss von 563 Talern. Anhand des ersten Datums dieser Ausgaben muss S. vor dem 14.7.1756 verstorben sein.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32866, Rep. LII, Gen. Nr. 1325, Spezialrescripte (1542-1831), Bd. 1754, Bl. 68, 10047 Amtsgericht Dresden, Nr. 2724; Königl. Polnischer und Churfürstl Sächsischer Hoff- und Staatskalender 1732-1756; Das jetztlebende königliche Dresden, Dresden ³1740, S. 120; Da uns Der Erste Tag im Monath vom April Des Baron Schmiedels Fest zugleich bemercken will, So will der Mäuse Heer auch jetzt vor allen Dingen Sein wohlverdientes Lob vor aller Welt besingen, [Dresden?] 1742.

Werke Den allerbesten Vogelfang sollte bey der Hennick- und Berlepschischen Vermählung am 22ten Sept. 1746 glückwünschend zeigen, Naumburg 1746; Des Königl. Pohln. und Churfürstlich Sächs. in dem Marggrafthum Ober-Lausitz gelegenen Schlosses Orttenburg zu Budißin …, Cottenberg 1754.

Literatur C. Willnau, Hofnarr Fröhlich. Die ergötzliche Chronik seines Lebens, Rudolstadt 1954; R. Rückert, Der Hofnarr Joseph Fröhlich 1694-1757. Taschenspieler und Spaßmacher am Hofe August des Starken, Offenbach 1998; E. Schmiedel, Ein Taugenichts bey Hofe. Das buntschillernde Leben des Johann Gottfried Graf 1700-1756 am sächsischen Hof, CD-ROM 22014.

Porträt Büste Gottfried S., Fotografie, Andreas Großmann, Moritzburg (Bildquelle) [CC-BY-ND-3.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Unported License]; Büste des Postmeisters S., J. J. Kändler, 1739, Porzellan, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Porzellansammlung, PE 248.

Eberhard Schmiedel
13.7.2015


Empfohlene Zitierweise:
Eberhard Schmiedel, Artikel: Gottfried Schmiedel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27575 [Zugriff 21.11.2024].

Gottfried Schmiedel



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32866, Rep. LII, Gen. Nr. 1325, Spezialrescripte (1542-1831), Bd. 1754, Bl. 68, 10047 Amtsgericht Dresden, Nr. 2724; Königl. Polnischer und Churfürstl Sächsischer Hoff- und Staatskalender 1732-1756; Das jetztlebende königliche Dresden, Dresden ³1740, S. 120; Da uns Der Erste Tag im Monath vom April Des Baron Schmiedels Fest zugleich bemercken will, So will der Mäuse Heer auch jetzt vor allen Dingen Sein wohlverdientes Lob vor aller Welt besingen, [Dresden?] 1742.

Werke Den allerbesten Vogelfang sollte bey der Hennick- und Berlepschischen Vermählung am 22ten Sept. 1746 glückwünschend zeigen, Naumburg 1746; Des Königl. Pohln. und Churfürstlich Sächs. in dem Marggrafthum Ober-Lausitz gelegenen Schlosses Orttenburg zu Budißin …, Cottenberg 1754.

Literatur C. Willnau, Hofnarr Fröhlich. Die ergötzliche Chronik seines Lebens, Rudolstadt 1954; R. Rückert, Der Hofnarr Joseph Fröhlich 1694-1757. Taschenspieler und Spaßmacher am Hofe August des Starken, Offenbach 1998; E. Schmiedel, Ein Taugenichts bey Hofe. Das buntschillernde Leben des Johann Gottfried Graf 1700-1756 am sächsischen Hof, CD-ROM 22014.

Porträt Büste Gottfried S., Fotografie, Andreas Großmann, Moritzburg (Bildquelle) [CC-BY-ND-3.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Unported License]; Büste des Postmeisters S., J. J. Kändler, 1739, Porzellan, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Porzellansammlung, PE 248.

Eberhard Schmiedel
13.7.2015


Empfohlene Zitierweise:
Eberhard Schmiedel, Artikel: Gottfried Schmiedel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27575 [Zugriff 21.11.2024].