Giovanni Maria Nosseni

N. gehörte zu den Künstlern, die im 16. Jahrhundert aus Italien nach Sachsen kamen und dort sehr geschätzt waren. Als Baumeister der Kurfürsten August, Christian I., Christian II. und Johann Georg I. erlangte er hohes Ansehen. Die von N. errichteten und ausgestatteten Bauten, darunter die kurfürstliche Begräbniskapelle in Freiberg, verdeutlichen den europäischen Rang der sächsischen Bau- und Bildhauerkunst um 1600. N. war auch als Unternehmer erfolgreich. Ihm ist die Erschließung der Marmor- und Alabastervorkommen in Sachsen zu verdanken. – N. entstammte - zumindest mütterlicherseits - einer Künstlerfamilie aus Lugano. Er ist seiner Herkunft nach deshalb zu den Comasken zu zählen, den italienischsprachigen Steinmetzen aus der Gegend um den Comer und Luganer See, die als Wanderkünstler durch Europa zogen und so ihren Lebensunterhalt verdienten. N. verließ seine Heimat frühzeitig. Über seine Ausbildung wissen wir nichts. 1574 lernte er den aus Florenz stammenden Hans Albrecht Graf von Sprintzenstern kennen, einen ausgewiesenen Experten der Kriegs- und Festungsbaukunst, der Kurfürst August von Sachsen auf N. aufmerksam machte. Auf diese Weise kam N. 1575 nach Dresden und wurde mit einem Jahresgehalt von 400 Talern als Bildhauer, Maler, Dekorationskünstler und Baumeister angestellt. Für den sächsischen Hof stellte er kunstgewerbliche Gegenstände aus Alabaster her und erhielt die Genehmigung, in Sachsen neue Marmorsteinbrüche zu erschließen und auszubeuten. 1576 ließ sich N. in Torgau nieder, zog aber 1583 wieder nach Dresden, wo er sich ein Haus in der Nähe des Georgentors des Dresdner Schlosses erbaute. 1588 erfolgte der Umzug nach Freiberg. Davor bereits trat er zur evangelisch-lutherischen Konfession über. – Bei seiner Erforschung einheimischer Natursteinarten entdeckte N. ein Marmorvorkommen in Lengefeld im Erzgebirge. Die Natursteine aus Sachsen setzte er gezielt für seine Bildhauerarbeiten ein. N. schuf für den sächsischen Hof Mobiliar aus Alabaster und Ebenholz, Kunstkammerstücke, Altäre und Schmuckfußböden. Zugleich verkaufte er den in seinen Steinbrüchen gewonnenen Marmor. 1585 erhielt er auf 20 Jahre das Privileg für die Ausbeutung aller sächsischen Marmor- und Edelsteinbrüche. 1597 erwarb er die Papiermühle vor dem Wilsdruffer Tor in Dresden, um hier Marmor schleifen und polieren zu können. Darüber hinaus gestaltete N. Aufzüge, Maskeraden, Turniere und Festdekorationen aller Art, nicht nur für den sächsischen Hof, sondern auch für auswärtige Höfe. U.a. inszenierte er 1582 die Hochzeit des späteren Kurfürsten Christian I. von Sachsen mit Sophie von Brandenburg und 1609 den Fastnachtsaufzug in Dresden. – Das bedeutendste Werk N.s war die Ausstattung der fürstlichen Begräbniskapelle im Chor des Freiberger Doms. 1585 wurden N. und Paul Buchner d.Ä. beauftragt, Pläne und Modelle zur Umgestaltung des dynastischen Monuments zu erstellen. Den endgültigen Plan entwickelte er 1594. N., der nicht nur für die Entwürfe zuständig war, sondern auch das Material beschaffte und weitere Künstler anwarb, gestaltete eine beeindruckende Wandgliederung in den Formen der italienischen Hochrenaissance, respektierte dabei aber die Raumverhältnisse des gotischen Chors. Besonders feierlich wirkt die 1595 fertig gestellte Chorausstattung durch die Vielfarbigkeit des sächsischen Marmors, die lebensgroßen Bronzefiguren und das beherrschende Deckengemälde mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts. Die ausführenden Künstler holte N. aus Italien, darunter Carlo Cesare, der den Großteil der plastischen Bildwerke in Bronze goss. – Aufgrund des Rufs, den sich N. durch die Freiberger Begräbniskapelle erworben hatte, erhielt er 1608 den Auftrag, in Stadthagen ein Mausoleum für Graf Ernst von Schaumburg-Holstein zu errichten. Der Kuppelbau über siebeneckigem Grundriss, ausgestattet mit sächsischem und italienischem Marmor und Bronzefiguren des Bildhauers Adriaen de Vries, wurde 1609 nach N.s Plänen begonnen und 1625 fertig gestellt. – Nicht erhalten ist das von N. entworfene, ebenfalls reich mit Marmor ausgestattete Belvedere auf der Jungfernbastei in Dresden, ein zweigeschossiges Lusthaus, das nach dem Vorbild des Belvederes in Prag gestaltet war. Nachdem Buchner und N. erste Entwürfe erstellt hatten, wurde N. 1589 allein mit der Ausführung beauftragt. Da sich die Anfertigung der Wandarchitektur verzögerte, konnten erst 1617 die ersten Teile der Marmorausstattung versetzt werden. Nach N.s Tod setzte Sebastian Walther die Bauarbeiten fort. Das prächtige Gebäude fiel 1747 einer Pulverexplosion zum Opfer. – 1606 schuf N. den aus buntem Marmor gestalteten Hauptaltar der Sophienkirche in Dresden (heute in der Kirche in Dresden-Loschwitz). Verloren gegangen sind die von N. gestalteten Altäre in den Schlosskirchen zu Waldheim und Lichtenburg bei Prettin. Die Bildhauerarbeiten, die N. für König Christian IV. von Dänemark zur Innenausstattung des Schlosses Frederiksborg anfertigte, wurden beim Schlossbrand 1859 zerstört. – Zudem betrieb N. historische Studien. Über die von ihm 1601 angefertigte Holzstatue, die symbolisch die Träume des Königs Nebukadnezar darstellte, verfasste er mehrere Bücher. 1602 erschienen die italienischen Sonette im Druck, die N. seinen Freunden und der kurfürstlichen Familie widmete. Seine umfangreiche Kunstsammlung ging nach seinem Tod ebenso wie seine mineralogische Sammlung und Bibliothek in den Besitz des Kurfürsten Johann Georg I. über. Das 1616 von Sebastian Walther geschaffene Grabdenkmal für N. in der Dresdner Sophienkirche, ein Ecce-Homo-Christus, wurde 1945 zerstört.

Werke Freiberger Dom, Begräbniskapelle im Domchor, 1588-1594; Schlosskirche Waldheim, Altar, 1594; Sophienkirche Dresden, Hauptaltar, 1606; Mausoleum, Stadthagen, 1609 (fertig gestellt 1625 nach N.s Plänen); Schlosskirche Lichtenburg, Altar, 1613; Schloss Frederiksborg, Kamine, 1615-1616; Druckwerke: Annali suopra la statua di Nabuchodonosore monarcha di Babilonia, Dresden 1602; Zeit-Register auff die statuam Nabuchodonosoris, Dresden 1602; Sonetti fatti in laude et honore della serenissima casa di Sassonia, Dresden 1602; Statua Nabuchodonosoris mitt vielen künstlichen Kupfferstücken unnd Schrifften erkleret, Leipzig 1606; Chronologia und Beschreibung des grossen Bildes, welches dem König Nebuchadnezar im Traum erschienen, Dresden 1612.

Literatur W. Mackowsky, Giovanni Maria N. und die Renaissance in Sachsen, Berlin 1904; W. Bachmann, N.s Lusthaus auf der Jungfernbastei in Dresden, in: NASG 57/1936, S. 1-29; M. Meine-Schawe, Die Grablege der Wettiner im Dom zu Freiberg/München 1992. – ADB 52, S. 659-663; DBA I, II, III; DBE 7, S. 441; NDB 19, S. 349f.; Thieme/Becker, Bd. 25, Leipzig 1931, S. 522.

Matthias Donath
7.8.2006


Empfohlene Zitierweise:
Matthias Donath, Artikel: Giovanni Maria Nosseni,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3033 [Zugriff 20.4.2024].

Giovanni Maria Nosseni



Werke Freiberger Dom, Begräbniskapelle im Domchor, 1588-1594; Schlosskirche Waldheim, Altar, 1594; Sophienkirche Dresden, Hauptaltar, 1606; Mausoleum, Stadthagen, 1609 (fertig gestellt 1625 nach N.s Plänen); Schlosskirche Lichtenburg, Altar, 1613; Schloss Frederiksborg, Kamine, 1615-1616; Druckwerke: Annali suopra la statua di Nabuchodonosore monarcha di Babilonia, Dresden 1602; Zeit-Register auff die statuam Nabuchodonosoris, Dresden 1602; Sonetti fatti in laude et honore della serenissima casa di Sassonia, Dresden 1602; Statua Nabuchodonosoris mitt vielen künstlichen Kupfferstücken unnd Schrifften erkleret, Leipzig 1606; Chronologia und Beschreibung des grossen Bildes, welches dem König Nebuchadnezar im Traum erschienen, Dresden 1612.

Literatur W. Mackowsky, Giovanni Maria N. und die Renaissance in Sachsen, Berlin 1904; W. Bachmann, N.s Lusthaus auf der Jungfernbastei in Dresden, in: NASG 57/1936, S. 1-29; M. Meine-Schawe, Die Grablege der Wettiner im Dom zu Freiberg/München 1992. – ADB 52, S. 659-663; DBA I, II, III; DBE 7, S. 441; NDB 19, S. 349f.; Thieme/Becker, Bd. 25, Leipzig 1931, S. 522.

Matthias Donath
7.8.2006


Empfohlene Zitierweise:
Matthias Donath, Artikel: Giovanni Maria Nosseni,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3033 [Zugriff 20.4.2024].