Georg Bodemer

B. erhielt eine sorgfältige Erziehung und absolvierte 1820 eine zweijährige Lehre bei einem Apotheker in Erfurt. Danach übernahm er im väterlichen Betrieb die „Couleurküche“. 1825 bis 1829 studierte er am Polytechnikum in Wien Mathematik, Mechanik und Physik. Nach seiner Rückkehr war er auf eigenen Wunsch in der Zschopauer Spinnerei tätig und übernahm 1830 nach dem Tod des Geschäftsführers Immanuel Gottlob Heßler die selbstständige Leitung. 1836 erwarb er die Fabrik, die fortan unter „Georg Bodemer“ firmierte. Unter B. entwickelte sich der Betrieb zu einer der modernsten Spinnereien Sachsens. Bereits 1833 erhielt die Spinnerei ein zweites Hauptgebäude zur Aufstellung zunächst aus dem Ausland bezogener Maschinen, später solcher von Constantin Pfaff und Richard Hartmann aus Chemnitz. Aus dem Elsass z.B. erwarb B. Differentialflyer und Streckwerke. 1840 stellte er breite Krempelmaschinen und erstmalig für Sachsen eine hochmoderne Schlagmaschine mit Ventilation und Wickeldoublierung aus England auf. Auch der erste sächsische Selfactor (Selbstspinner) lief um 1845 in der Zschopauer Spinnerei. 1844 erhielten die Fabrikräume Dampfheizung und 1845 eine Harzgasbeleuchtung, eingerichtet durch den ehemaligen Artilleriehauptmann Backenberg aus Dresden. Auf seinen Studienreisen durch England, das Elsass und die Schweiz lernte B. auch den modernen Turbinenbau kennen und ließ durch den Schweizer Techniker Mathys bei Hartmann in Chemnitz eine ca. 80-PS-Turbine in seiner Spinnerei einbauen und den dazu benötigten Abzugsgraben anlegen. Durch die stetige Vervollkommnung mit modernen Maschinen konnten besonders gleichmäßige und feine Garne erzeugt werden, die 1845 auf der Dresdner Gewerbsausstellung mit der Goldmedaille prämiert wurden. – Mitte der 1840er-Jahre erreichte B.s Unternehmen, in dem insgesamt 128 Personen beschäftigt waren, eine Jahresproduktion von 250.000 Pfund Garn. Im Zuge der Revolution von 1848/49 kam der europäische Handel B.s mit Webgarnen zum Erliegen. Er stellte deshalb die Produktion auf Strumpfgarne um. Mit der Fabrikmarke „Katze“ eroberte er den Weltmarkt und erhielt sowohl auf der Industrieausstellung 1850 in Leipzig als auch auf der Londoner Weltausstellung 1851 große Anerkennung. Als die amerikanische Baumwolle 1861 bis 1865 - bedingt durch den Bürgerkrieg - vom Markt verschwand, kam auch die Fabrik von B. vorübergehend zum Stillstand, bis durch die Umstellung auf levantinische Baumwolle weiter produziert werden konnte. Großen Aufschwung erfuhr das Unternehmen durch die Eröffnung der Eisenbahnlinie Chemnitz-Annaberg. – 1868 übertrug B. die technische Leitung des Betriebs seinem Sohn Johann, die kaufmännische Geschäftsführung übernahm sein Schwiegersohn Wilhelm Dürrfeld. 1871 ließ B. einen weiteren Fabrikbau ausführen. Am 5.12.1872 zog er sich vollständig aus seinem Unternehmen zurück und lebte fortan in Dresden und Pillnitz. – B. hat sich vielfältig sozial engagiert und sich insbesondere um die Fortbildung seiner Belegschaft bemüht. Bereits 1845 gründete er eine Fabrikschule. Die Löhne seiner Arbeiter lagen höher als damals üblich. 1850/51 wurde eine Kranken- und Fabriksparkasse eingerichtet. B. galt nicht nur als ein Pionier auf dem Gebiet der modernen Spinntechnik, sondern auch als Förderer der Volksbildung. In über 200 Orten - auch in Siebenbürgen - richtete er auf der Grundlage seiner „Bodemerstiftung“ Volksbibliotheken ein. Die Gründung der Stadtbibliothek in Chemnitz geht ebenfalls auf seine Anregung zurück. Erst nach seinem Tod wurde sein soziales Engagements in vollem Umfang bekannt, für das er 20 Jahre lang die Hälfte seines privaten Einkommens zur Verfügung gestellt hatte. Die Städte Zschopau, Chemnitz, Marienberg, Oberwiesenthal, Brand, Schlettau, Scheibenberg, Zwönitz und Thum verliehen ihm die Ehrenbürgerschaft. Zschopau würdigte sein Andenken mit einem Denkmal.

Literatur Zschopauer Baumwollspinnerei Aktiengesellschaft (vormals Georg Bodemer), o.O. 1919 (Bildquelle); R. Forberger, Die Industrielle Revolution in Sachsen 1800-1861, Bd. 1: 1800-1830, Berlin 1982, Teil 1/1, S. 399 u.a., Bd. 1/2, Tab. 121, Bd. 2: 1831-1861, Leipzig 1999-2003, Bd. 2/1, S. 515, Bd. 2/2, Tab. 1190. – DBA II, III; DBE 1, S. 602.

Ursula Forberger †
6.7.2005


Empfohlene Zitierweise:
Ursula Forberger †, Artikel: Georg Bodemer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/621 [Zugriff 23.12.2024].

Georg Bodemer



Literatur Zschopauer Baumwollspinnerei Aktiengesellschaft (vormals Georg Bodemer), o.O. 1919 (Bildquelle); R. Forberger, Die Industrielle Revolution in Sachsen 1800-1861, Bd. 1: 1800-1830, Berlin 1982, Teil 1/1, S. 399 u.a., Bd. 1/2, Tab. 121, Bd. 2: 1831-1861, Leipzig 1999-2003, Bd. 2/1, S. 515, Bd. 2/2, Tab. 1190. – DBA II, III; DBE 1, S. 602.

Ursula Forberger †
6.7.2005


Empfohlene Zitierweise:
Ursula Forberger †, Artikel: Georg Bodemer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/621 [Zugriff 23.12.2024].