Friedrich List
L. stammte aus einer wohlhabenden Familie und schlug nach Abbruch von Lateinschule und Gerberlehre die Verwaltungslaufbahn ein. Neben seiner Aktuarsausbildung in
Tübingen belegte er an der dortigen Universität Kurse in den Fächern Kameralwesen, Zivilprozess- und Staatsrecht, ohne hierin jedoch einen Abschluss zu erwerben. – Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen reformorientierten und restaurativen Strömungen in Deutschland publizierte L. 1815/16 seine erste politische Schrift mit dem Titel „Kampf um Reformen bei Erstellung einer württembergischen Verfassung“. Durch seine Herausgeberschaft der Zeitschrift „Württembergisches Archiv“ gelangte er zu allgemeiner Bekanntheit und erwarb sich auch eine gewisse Anerkennung, was ihm 1817 die Professur für Staatsverwaltungspraxis an der Universität Tübingen einbrachte. L.s Beschäftigung mit seinerzeit aktuellen Problemen der Staatspraxis ließ mannigfache Reformpläne reifen. Nach Veröffentlichungen zu diesen Themen sah er sich zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt. Besonders die 1819 erschienene „Bittschrifft an die Bundesversammlung um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines allgemeinen deutschen, auf dem Prinzip der Retorsion beruhenden Zollsystems gegen die angrenzenden Staaten“ erregte den Unwillen der konservativen württembergischen Regierung, weshalb L. noch im gleichen Jahr seine Lehrtätigkeit aufgab. – In der Folgezeit war L. maßgeblich an der Entstehung des Deutschen Handels- und Gewerbevereins beteiligt, der als organisatorischer Auftakt auf dem Weg zum 1834 gegründeten Deutschen Zollverein zu sehen ist. Aufgrund seiner politisch-publizistischen Tätigkeiten stand er jedoch weiterhin im Konflikt mit der Obrigkeit und entging 1825 einer Verurteilung zu Festungshaft nur durch die Emigration nach Nordamerika. Dort lebte er als Farmer, Journalist und Geschäftsmann und gründete u.a. eine eigene Eisenbahngesellschaft. Später erwarb er auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. L. übernahm die Redaktion der Zeitung „Readinger Adler“, verfasste die „Outlines of American political economy“ und profilierte sich als Verfechter für eine amerikanische Schutzzollpolitik. Zwischenzeitlich zum Konsul der Vereinigten Staaten ernannt, kehrte L. 1831 nach Europa zurück und besuchte etliche deutsche Staaten. 1834 bis 1837 war er als amerikanischer Konsul in Sachsen tätig und warb hier massiv für den Eisenbahnbau. Seine berühmte Leipziger Denkschrift „Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden“ gab den entscheidenden Anstoß zum Bau der ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke zwischen den beiden sächsischen Metropolen. L.s Bestrebungen, darüber hinaus in der zu gründenden Eisenbahngesellschaft eine führende Position zu erlangen, scheiterten am Widerstand einflussreicher sächsischer Honoratioren. – Mit seinen wirtschaftstheoretischen Überlegungen unterstützte L. die bürgerliche Bewegung, die die nationale und ökonomische Einheit Deutschlands forderte. Nach seiner Auffassung sollten durch gezielte Förderung, u.a. auch mittels zeitlich begrenzter Schutzzölle, sog. Erziehungszölle, Gewerbe und Industrie so gestärkt werden, dass sie dem internationalen Wettbewerb, namentlich der englischen Konkurrenz, standhalten konnten. Seine komplexen wirtschaftstheoretischen Gedanken fasste L. in dem 1841 erschienenen Werk „Das Nationale System der Politischen Ökonomie“ zusammen. Konkrete Vorschläge zur Etablierung eines deutschen Nationalstaats publizierte er vier Jahre später in dem Opus „Die politisch-ökonomische Nationaleinheit der Deutschen“. Infolge seiner wirtschaftlich wie persönlich schwierigen Lage suchte der rastlose L. während einer Reise durch Tirol den Freitod.
Quellen Stadtarchiv Reutlingen, List-Archiv; Universitätsarchiv Heidelberg, Nachlass Ludwig Häusser.
Werke Outlines of American political economy, Philadelphia 1827; Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, Leipzig 1833; Das natürliche System der politischen Ökonomie, Berlin 1837; Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung, Leipzig 1838; Der Internationale Handel, die Handelspolitik und der deutsche Zollverein, Stuttgart 1841; Das Nationale System der politischen Ökonomie, Stuttgart/Tübingen 1841; F. Lenz/E. Wiskemann (Hg.), Die politisch-ökonomische Nationaleinheit der Deutschen, Berlin 1931.
Literatur H. Besters (Hg.), Die Bedeutung Friedrich L.s in Vergangenheit und Gegenwart, Baden-Baden 1990; E. Enderl, Durch Wohlstand zur Freiheit: Neues zum Leben und Werk von Friedrich L., Baden-Baden 2003. – ADB 18, S. 761-774; DBA I, II, III; DBE 6, S. 424; NDB 14, S. 694-697.
Porträt Friedrich-List-Denkmal, N. Pfretzschner, 1906, Marmor, Kufstein; J. Kriehuber, 1845, Steindruck, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Peter E. Fäßler
30.5.2007
Empfohlene Zitierweise:
Peter E. Fäßler, Artikel: Friedrich List,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2701 [Zugriff 21.11.2024].
Friedrich List
Quellen Stadtarchiv Reutlingen, List-Archiv; Universitätsarchiv Heidelberg, Nachlass Ludwig Häusser.
Werke Outlines of American political economy, Philadelphia 1827; Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, Leipzig 1833; Das natürliche System der politischen Ökonomie, Berlin 1837; Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung, Leipzig 1838; Der Internationale Handel, die Handelspolitik und der deutsche Zollverein, Stuttgart 1841; Das Nationale System der politischen Ökonomie, Stuttgart/Tübingen 1841; F. Lenz/E. Wiskemann (Hg.), Die politisch-ökonomische Nationaleinheit der Deutschen, Berlin 1931.
Literatur H. Besters (Hg.), Die Bedeutung Friedrich L.s in Vergangenheit und Gegenwart, Baden-Baden 1990; E. Enderl, Durch Wohlstand zur Freiheit: Neues zum Leben und Werk von Friedrich L., Baden-Baden 2003. – ADB 18, S. 761-774; DBA I, II, III; DBE 6, S. 424; NDB 14, S. 694-697.
Porträt Friedrich-List-Denkmal, N. Pfretzschner, 1906, Marmor, Kufstein; J. Kriehuber, 1845, Steindruck, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Peter E. Fäßler
30.5.2007
Empfohlene Zitierweise:
Peter E. Fäßler, Artikel: Friedrich List,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2701 [Zugriff 21.11.2024].