Friedrich Caspar von Gersdorf
G. trat v.a. durch sein religiöses und bildungspolitisches Engagement in der Oberlausitz hervor. Gegen alle politischen Widerstände setzte er sich für das Bestehen der von seinem Großcousin Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf gegründeten Siedlung Herrnhut ein. Zugleich förderte G. die religiöse Erweckung der Sorben durch die Gründung mehrerer Schulen, die Unterstützung des sorbischen Buchdrucks und die Förderung der Laienarbeit. Damit erlangte G. großen Einfluss auf die kultur- und geistesgeschichtliche Entwicklung der Sorben, beförderte er doch durch sein Engagement den Übergang der bisher wesentlich von Mündlichkeit geprägten sorbischen Kultur hin zur Schriftlichkeit. – Als einziges Kind seiner Eltern erfuhr G. schon früh besondere Förderung und Aufmerksamkeit. Nach dem Unterricht durch Hauslehrer und dem Studium der Jurisprudenz in Leipzig (1717-1720) begab sich G. auf eine ausführliche Kavalierstour durch Österreich, die Niederlande und Frankreich. Zu Beginn dieser Reise stand ein längerer Besuch bei seinem Vater in Regensburg. Ihm war es als sächsischem Gesandten am Reichstag gelungen, den mit der Konversion Friedrich Augusts I. (August II., der Starke) und dessen Sohns strittig gewordenen Vorsitz Sachsens im Corpus Evangelicorum zu verteidigen und enge Beziehungen zu den kaiserlichen Bevollmächtigten aufzubauen. Diese Umstände mochten die am 20.5.1723 erfolgte Erhebung
Christoph Friedrich von Gersdorfs und seiner Familie in den Reichsgrafenstand durch Kaiser
Karl VI. wesentlich beeinflusst haben. 1724 vermählte sich G. mit
Dorothea Louise Charlotte von Flemming, einer Nichte des einflussreichen Jakob Heinrich Graf von Flemming, zu dessen Vertrauten G.s Vater zählte. Die Ehe der beiden blieb kinderlos. – Durch den neu erworbenen reichsgräflichen Rang sowie die hervorragenden familiären Bindungen erwies sich G. als prädestiniert für eine höhere Laufbahn in sächsischen Staatsdiensten. Zunächst als Hof- und Justizrat am sächsischen Hof, konnte G. 1730 die Wahl zum Oberamtshauptmann der Oberlausitz für sich entscheiden. Daraufhin wurde er 1734 zum Geheimen Rat ernannt. Weitere höhere Ämter blieben ihm jedoch versagt - vermutlich aufgrund seines Engagements zugunsten der Herrnhuter Brüdergemeine. – Von Beginn an förderte G. die frommen Bestrebungen Zinzendorfs durch Spenden, juristische Beratung und politische Unterstützung. Diese Bemühungen stießen in sächsischen Regierungskreisen auf äußerstes Missfallen, sodass sich G. im Frühjahr 1736 vor dem Geheimen Konsilium verantworten musste. Letztlich konnte auch sein unermüdlicher Einsatz die endgültige Ausweisung Zinzendorfs aus Sachsen 1738 nicht verhindern. Während Zinzendorfs Exiljahren wandte sich G. kurzfristig dem Halleschen Pietismus sowie der Schlossgemeine in der reußischen Residenz Ebersdorf im Vogtland zu, doch hielt er auch zu Zinzendorf regelmäßigen Kontakt. Ab 1746 engagierte sich G. für dessen dauerhafte Rückkehr nach Sachsen. Der Erfolg der Großhennersdorfer Kommission 1748, die den Bestand der Brüdergemeine in Sachsen sicherte, ist wesentlich auf sein diplomatisches Geschick zurückzuführen. – G., der umfangreiche, überwiegend von Sorben besiedelte Ländereien nördlich von Bautzen (sorb. Budyšin) besaß, unterstützte die von Herrnhut beeinflusste Erweckung unter den Sorben. Er ließ in Herrnhut Laien zu religiösen Stundenhaltern ausbilden und sicherte ihre Arbeit oftmals dadurch ab, dass er diese als Lehrer oder Gutsverwalter auf seinen Gütern einstellte. Auf seinem Gut Teichnitz bei Bautzen (sorb. Ćichońca) stellte er einen Absolventen der Theologie an, der religiöse Versammlungen hielt und die Laienarbeit koordinierte. Die Teichnitzer Arbeit entwickelte sich rasch zum Zentrum der Brüdergemeine unter den Sorben und war Vorläufer der späteren sorbischen brüderischen Kolonie Kleinwelka (sorb. Mały Wjelkow). – In vielen Dörfern seiner weitläufigen Herrschaft richtete G. Dorfschulen ein. Von besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung sind das Klixer Seminar (1737-1743) und die daraus hervorgegangenen Uhyster Anstalten (1743-1756). Bei der Gründung des Seminars in Klix (sorb. Klukš) wurde G. von seinem Hofprediger
Georg Petermann unterstützt, der bereits in Berlin eine Schule nach Halleschem Vorbild gegründet hatte. Entsprechend den Franckeschen Stiftungen wurden am Klixer Seminar Absolventen der Theologie in einer Art Prediger- und Sprachseminar auf den Pfarrdienst in der sorbischen Lausitz vorbereitet und Lehrer für sorbische Dorfschulen ausgebildet. Diese hatten zugleich jüngere Knaben zu unterrichten und sie auf das Theologiestudium vorzubereiten. Die Theologieabsolventen kamen überwiegend aus Halle/Saale, die Schüler wiederum, darunter z.B. auch Jurij Mjeń (Georg Möhn), Begründer der sorbischen weltlichen Dichtung, wechselten nach ihrer Schulzeit in Klix direkt nach Halle. Zudem waren die Seminaristen an der Übersetzung und Redaktion der von dem Seminarleiter Jan Bohuměr Kühn (Johann Gottfried Kühn) in diesen Jahren zum Druck gebrachten religiösen Schriften beteiligt. Neben den Publikationen des Seminars förderte G. vermutlich auch die Schriften weiterer engagierter Pfarrer in seinem Umfeld wie
Jan Pjech (Johann Pech) oder
Christoph Friedrich Faber. – Um 1743 wurde das Seminar von G. nach Uhyst/Spree verlegt und inhaltlich neu ausgerichtet. Der Schwerpunkt verlagerte sich von der Theologenausbildung auf die Bildung sorbischer Mädchen und Knaben in jeweils gesonderten Anstalten. Die Uhyster Knabenanstalt, für die G. ein großzügiges Schulgebäude errichten ließ, wurde 1756 nach Niesky (sorb. Niska) verlegt. Die Mädchenanstalt dagegen wurde bereits 1751, wenige Monate nach G.s Tod, geschlossen. Beide Schulen boten der sorbischen evangelischen Jugend erstmals eine spezifisch auf ihre Bedürfnisse eingehende berufs- bzw. studienvorbereitende Bildung. Zahlreiche sorbische Geistliche und Gelehrte wurden am Klixer Seminar und den Uhyster Anstalten ausgebildet.
Quellen J. G. Kühn, Denkmahl der Liebe und Wahrheit. Dem Weyl. Hochgebohrnen Grafen… Friedrich Casparn des H. R. R. Graf von G., Görlitz [1752], Leichenpredigt (P); Unitätsarchiv Herrnhut.
Literatur F. Körner, Die kursächsische Staatsregierung dem Grafen Zinzendorf und Herrnhut gegenüber bis 1760, Leipzig 1878; F. S. Hark, Der Konflikt der kursächsischen Regierung mit Herrnhut und dem Grafen von Zinzendorf 1733-1738, in: NASG 3/1882, S. 1-65; ders., Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen und die Hennersdorfer Kommission 1747-1748, in: ebd. 6/1885, S. 264-307; W. v. Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 1, Görlitz 1912, S. 438-440; H. Mirtschin, Friedrich Caspar von G., in: Unitas Fratrum 63/64/2010, S. 39-52; L. Mahling, Der Pietismus und die Sorben, in: Lětopis 62/2015, H. 2, S. 15-33. – J. Šołta/P. Kunze/F. Šěn (Hg.), Nowy biografiski słownik k stawiznam a kulturje Serbow [Neues biografisches Lexikon zur Geschichte und Kultur der Sorben], Bautzen 1984, S. 151.
Porträt Friedrich Caspar Graf v. G., J. C. Püschel, 1751, Kupferstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, Porträtsammlung, Digitaler Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (Bildquelle).
Lubina Mahling
26.10.2016
Empfohlene Zitierweise:
Lubina Mahling, Artikel: Friedrich Caspar von Gersdorf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24247 [Zugriff 23.11.2024].
Friedrich Caspar von Gersdorf
G. wuznamjenja so předewšěm přez swój nabožinski a kubłanskopolitiski angažement w Hornjej Łužicy. Přećiwo wšěm politiskim spjećowanjam zasadźowaše so wón za dalewobstaće wot swojeho wulkokuzenka Nikolausa Ludwiga hrabje von Zinzendorfa załoženeho sydlišća Ochranow (němsce Herrnhut). Zdobom spěchowaše G. nabožne wubudźenje Serbow ze załoženjom wjacorych šulow, z podpěru serbskeho knihićišća a spěchowanjom lajskeho sobudźěła. Z tym docpě wulki wliw na kulturno- a duchownostawizniske wuwiće Serbow, wšako pospěši wón ze swojim angažementom přechod dotal ertneje serbskeje kultury k pismowstwu. – Jako jeničke dźěćo swojeju staršeju nazhoni G. hižo zahe wosebite spěchowanje a kedźbliwosć. Po wučbje přez domjacych wučerjow a studiju jurisprudency w Lipsku (1717-1720) poda so G. na wobšěrnu kawalěrsku turu přez Awstrisku, Nižozemsku a Francosku. Na spočatku pućowanja steješe dlěši wopyt pola swojeho nana w Regensburgu. Jemu bě so jako sakskemu pósłancej při reichstagu poradźiło, předsydstwo Sakskeje w Corpusu Evangelicorum zakitować, kotrež sta so z konwersiju Awgusta II. a jeho syna njewěste, a wuske styki ke kejžorskim społnomócnjenym nawjazać. Tute wobstejnosće su drje dnja 20.5.1723 wuwjedźene pozběhnjenje Christopha Friedricha von Gersdorfa a jeho swójby do stawa reichsgrafow přez kejžora Korlu VI. bytostnje wobwliwowali. 1724 zmandźeli so G. z Dorotheju Louisu Charlottu von Flemming, bratrowču wliwapołneho Jacoba Heinricha hrabje von Flemming, ke kotrehož přećelam G.owy nan słušeše. Jeju mandźelstwo wosta bjez dźěći. – Přez zdobytu kejžorstwo-hrabinsku dostojnosć kaž tež wuběrne swójbne zwiski wopokaza so G. jako predestinowany za wyšu karjeru w sakskich statnych słužbach. Najprjedy dwórski a justicny radźićel při sakskim dworje, móžeše G. 1730 wólby wyšeho hamtskeho hejtmana Hornjeje Łužicy za sebje rozsudźić. Na to bu 1734 na tajneho radźićela pomjenowany. Dalše wyše zastojnstwa wšak wostachu jemu zapowědźene, najskerje dla jeho angažementa na dobro Ochranowskeje bratrowskeje wosady (Herrnhuter Brüdergemeine). – Wot sameho spočatka spěchowaše G. pobožne prócowanja Zinzendorfa z pjenježnymi darami, juristiskim poradźowanjom a politiskej podpěru. Tute prócowanja storčichu w sakskich knježerskich kruhach na najwjetše njespodobanje, tak zo dyrbješe so G. w nalěću 1736 před tajnym konsiliumom zamołwić. Skónčnje njemóžeše tež jeho njewomučne zasadźenje doskónčne wupokazanje Zinzendorfa ze Sakskeje 1738 wotwobroćić. W času Zizendorfoweho eksila přiwobroći so G. krótkodobnje Halleskemu pietizmej kaž tež hrodowskej wosadźe w pruskej rezidency Ebersdorf we Vogtlandźe, tola pěstowaše tohorunja k Zinzendorfej prawidłowny kontakt. Wot 1746 angažowaše so G. za jeho trajny nawrót do Sakskeje. Wuspěch Großhennersdorfskeje komisije 1748, kotraž wobstaće bratrowskeje wosady w Sakskej zawěsći, wisowaše bytostnje z jeho diplomatiskej wušiknosću. – G., kotryž wobsedźeše rozsahłe, we wjetšinje wot Serbow wobsydlene ležownosće sewjernje Budyšina, podpěrowaše wot Ochranowa wobwliwowane wubudźenje mjez Serbami. w Ochranowje da lajkow za dźerženje nabožnych hodźinow wukubłać a zawěsći jich dźěło často přez to, zo jich jako wučerjow abo šosarjow na swojich kubłach přistaji. Na swojim kuble w Ćichońcy pola Budyšina přistaji wón absolwenta teologije, kotryž nabožne zhromadźizny dźěržeše a dźěło lajkow koordinowaše. Ćichońske aktiwity wuwiwachu so bórze k srjedźišću bratrowskeje wosady mjez Serbami a běchu předschodźenk pozdźišeje bratrowskeje kolonije w Małym Wjelkowje. – W mnohich wsach jeho wulkeho knjejstwa zarjadowa G. wjesne šule. Wosebity kulturnostawizniski wuznam maja Klukšanski seminar (1737-1743) a z njeho wušłe Delnjowujězdźanske wustawy (1743-1756). Při załoženju seminara w Klukšu bu G. wot swojeho dwórskeho prědarja Georga Petermanna podpěrowany, kotryž bě hižo w Berlinje šulu po Halleskim přikładźe załožił. Wotpowědnje załožbje Franckesche Stiftungen přihotowachu w Klukšanskim seminarje absolwentow teologije po wašnju prědarskeho a rěčneho seminara na farsku słužbu w serbskej Łužicy a wukubłachu wučerjow za serbske wjesne šule. Tući mějachu zdobom młódšich hólcow wuwučować a jich na teologiski studij přihotować. Absolwenća teologije přichadźachu zwjetša z Halle nad Solawu, šulerjo pak, mjez nimi na př. Jurij Mjeń, załožer serbskeho swětneho basnistwa, přeńdźechu po swojim šulskim času w Klukšu direktnje do Halle. Wyše toho běchu seminarisća na přełožku a redakciji nabožnych spisow wobdźěleni, kotrež bě nawoda seminara Jan Bohuměr Kühn w tutych lětach do ćišća dał. Nimo publikacijow seminara spěchowaše G. prawdźepodobnje tež spisy dalšich fararjow w swojim wobłuku kaž Jana Pjecha abo Christopha Friedricha Fabera. – Wokoło 1743 přepołoži so seminar do Delnjeho Wujězda a so wobsahowje na nowo wusměri. Ćežišćo přeńdźe wot teologiskeho wukubłanja na kubłanje serbskich holcow a hólcow w rozdźělnych wustawach. Delnjowujězdźanski hólči wustaw, za kotryž bě G. wulkomyslny šulski dom natwarić dał, přeměstni so 1756 do Niskeje. Holčacy wustaw porno tomu bu hižo 1751, někotre měsacy po G.owej smjerći, zawrjeny. Wobě šuli skićeštej serbskej ewangelskej młodźinje prěni raz wukubłanje, kotrež bě specifisce na powołanje resp. studij přihotowace potrjeby wusměrjene. Mnozy serbscy duchowni a wučency so w Klukšanskim seminarje a na Delnjowujězdźanskich wustawach wukubłachu.
Quellen J. G. Kühn, Denkmahl der Liebe und Wahrheit. Dem Weyl. Hochgebohrnen Grafen… Friedrich Casparn des H. R. R. Graf von G., Görlitz [1752], Leichenpredigt (P); Unitätsarchiv Herrnhut.
Literatur F. Körner, Die kursächsische Staatsregierung dem Grafen Zinzendorf und Herrnhut gegenüber bis 1760, Leipzig 1878; F. S. Hark, Der Konflikt der kursächsischen Regierung mit Herrnhut und dem Grafen von Zinzendorf 1733-1738, in: NASG 3/1882, S. 1-65; ders., Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen und die Hennersdorfer Kommission 1747-1748, in: ebd. 6/1885, S. 264-307; W. v. Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 1, Görlitz 1912, S. 438-440; H. Mirtschin, Friedrich Caspar von G., in: Unitas Fratrum 63/64/2010, S. 39-52; L. Mahling, Der Pietismus und die Sorben, in: Lětopis 62/2015, H. 2, S. 15-33. – J. Šołta/P. Kunze/F. Šěn (Hg.), Nowy biografiski słownik k stawiznam a kulturje Serbow [Neues biografisches Lexikon zur Geschichte und Kultur der Sorben], Bautzen 1984, S. 151.
Porträt Friedrich Caspar Graf v. G., J. C. Püschel, 1751, Kupferstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, Porträtsammlung, Digitaler Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (Bildquelle).
Lubina Mahling
26.10.2016
Empfohlene Zitierweise:
Lubina Mahling, Artikel: Friedrich Caspar von Gersdorf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24247 [Zugriff 23.11.2024].