Friedrich Adolf Willers

W. legte die Reifeprüfung 1903 am Gymnasium in Stade ab und begann im gleichen Jahr sein Studium der Fächer Mathematik und Physik an der Universität Jena. Nach einem Jahr wechselte er an die Universität Göttingen und beendete sein Studium 1907. Seit Oktober 1905 war er bereits als Hilfsassistent bei seinem Lehrer Carl Runge, einem Pionier der angewandten Mathematik in Deutschland, angestellt. 1906 promovierte W. bei Runge mit einer vielbeachteten Dissertation „Die Torsion eines Rotationskörpers um seine Achse“. W. entwickelt darin ein mit schrittweiser Näherung arbeitendes grafisches Verfahren zur Bestimmung der Verteilung der Schubspannungen über dem Meridianschnitt eines auf Verdrehung beanspruchten Rotationskörpers. Er zeigte sich dabei als echter Schüler Runges, dem es stets darum ging „seine Methoden bis zur wirklichen Brauchbarkeit durchzubilden; bis dahin, wo der rechnende Praktiker seine Abneigung gegen den mathematischen Mechanismus verliert“ (E. Trefftz). Fragen der numerischen Mathematik galten zu Beginn des 20. Jahrhunderts als uninteressant, und so unternahmen Runge und W. einen kühnen Vorstoß in ein zu Unrecht vernachlässigtes Gebiet der Mathematik und betraten in vielerlei Hinsicht völliges Neuland. – 1907/08 arbeitete W. als Assistent am Geophysikalischen Institut der Universität Göttingen. 1907 legte er die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab und begann im Herbst 1908 als Assistent für Darstellende Geometrie und Grafische Statik an der Technischen Hochschule Danzig. 1909 kehrte er von dort nach Göttingen zurück und unterrichtete an höheren Schulen in Göttingen, Wilhelmshaven und ab 1910 in Bünde/Westfalen sowie ab 1911 am Mommsengymnasium in Berlin-Charlottenburg. W.s mathematische Tätigkeit wurde während des Ersten Weltkriegs durch zweimalige Einberufung unterbrochen. – In seinen wissenschaftlichen Arbeiten konzentrierte er sich immer mehr auf die Integration (z.B. von Differentialgleichungen) als einen geometrisch konstruktiven und kinematisch reproduzierbaren Vorgang. Veröffentlichungen hierzu in den 1920er-Jahren fasste er zusammen in seinem Hauptwerk ,,Methoden der Praktischen Analysis“, das 1928 erschien. Mit diesem Buch leistete er ausgesprochene Pionierarbeit. 1923 habilitierte sich W. an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und wurde Privatdozent für Darstellende Geometrie und Praktische Mathematik an der Landwirtschaftlichen Hochschule und an der Technischen Hochschule Berlin. – Im Oktober 1928 wurde W. an die Bergakademie Freiberg als ordentlicher Professor für Mathematik und Darstellende Geometrie und als Direktor des gleichnamigen Instituts berufen. In dieser für ihn neuen Umgebung entwickelte er eine Lehr- und Forschungstätigkeit, die auf die Bedürfnisse der Freiberger technischen Institute in hervorragender Weise einging. Gegen den Willen des Freiberger Professorenkollegiums musste er 1934 aus hochschulpolitischen Gründen seine Emeritierung beantragen. In enger Zusammenarbeit mit Erich Trefftz (Technische Hochschule Dresden) entstanden in der Folgezeit zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet der mathematischen Elastizitätstheorie, in denen auch wichtige ingenieurpraktische Fragen gelöst wurden. Nach Trefftz’ Tod übernahm W. die Schriftleitung der „Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik“, die er über 20 Jahre innehatte und welche nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 als erste mathematische Zeitschrift in Deutschland wieder erschien. Nach der Wiedereröffnung der Technischen Hochschule Dresden 1946 wirkte W., der 1944 auf den dortigen Lehrstuhl für Angewandte Mathematik berufen worden war, als Pionier der ersten Stunde am Wiederaufbau der mathematischen Institute und des mathematischen Lehrbetriebs an vorderster Stelle; zu Recht erhielt das von ihm initiierte Gebäude dieser Institute später den Namen „Willersbau“ (1961). Als erster Dekan der neu gegründeten Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften (1949-1954) setzte er Maßstäbe für den Aufschwung der Fakultät. 1956 erfolgte seine Emeritierung. – Bereits während des Zweiten Weltkriegs hatte sich W. mit mathematischen Instrumenten befasst. 1943 erschien sein Buch „Mathematische Instrumente“, das er 1951 unter dem Eindruck der Entwicklung der ersten elektronischen Rechenanlagen in den USA unter dem erweiterten Titel „Mathematische Maschinen und Instrumente“ herausgab. Nach Kriegsende unterstützte er v.a. die Arbeiten von Nikolaus Joachim Lehmann, der die ersten elektronischen Rechenanlagen an der Technischen Hochschule Dresden entwarf und einrichtete. – Unter den zahlreichen Ehrungen, die W., insbesondere anlässlich seines 70. Geburtstags, zuteil wurden, seien genannt: die Mitgliedschaften in der Akademie der Naturforscher (Leopoldina) zu Halle und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig sowie 1953 der Nationalpreis der DDR. 1952 verlieh ihm die Technische Hochschule Darmstadt die Ehrendoktorwürde.

Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv.

Werke Methoden der praktischen Analysis, Berlin 1928, 41971 (englische Übersetzung: New York 1948); Das Knicken schwerer Gestänge, in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 20/1941, S. 43-51; Mathematische Instrumente, München/Berlin 1943 (russische Übersetzung: Moskau 1949); Mathematische Maschinen und Instrumente, Berlin 1951; Elementarmathematik, Dresden/Leipzig 1948, 121965.

Literatur E. Trefftz, Carl Runge, in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 6/1926, S. 423f.; R. Sauer/H. Heinrich, Friedrich Adolf W., in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 40/1960, S. 1-8 (WV, P); D. Flaxa, Das Wirken W.s als Hochschullehrer an der Bergakademie Freiberg, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden 33/1984, S. 89-92 ; I. Küchler/T. Riedrich, Friedrich Adolf W. (1883-1959), in: Bedeutende Gelehrte der Technischen Universität Dresden, hrsg. von der Technischen Universität Dresden, Bd. 2, Dresden 1990, S. 41-73 (P). – DBA II, III; DBE 10, S. 511f.; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 1049f.

Porträt Friedrich Adolf W., Ölgemälde, Technische Universität Dresden, Kunstsammlung.

Thomas Riedrich
5.7.2004


Empfohlene Zitierweise:
Thomas Riedrich, Artikel: Friedrich Adolf Willers,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18266 [Zugriff 22.12.2024].

Friedrich Adolf Willers



Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv.

Werke Methoden der praktischen Analysis, Berlin 1928, 41971 (englische Übersetzung: New York 1948); Das Knicken schwerer Gestänge, in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 20/1941, S. 43-51; Mathematische Instrumente, München/Berlin 1943 (russische Übersetzung: Moskau 1949); Mathematische Maschinen und Instrumente, Berlin 1951; Elementarmathematik, Dresden/Leipzig 1948, 121965.

Literatur E. Trefftz, Carl Runge, in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 6/1926, S. 423f.; R. Sauer/H. Heinrich, Friedrich Adolf W., in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 40/1960, S. 1-8 (WV, P); D. Flaxa, Das Wirken W.s als Hochschullehrer an der Bergakademie Freiberg, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden 33/1984, S. 89-92 ; I. Küchler/T. Riedrich, Friedrich Adolf W. (1883-1959), in: Bedeutende Gelehrte der Technischen Universität Dresden, hrsg. von der Technischen Universität Dresden, Bd. 2, Dresden 1990, S. 41-73 (P). – DBA II, III; DBE 10, S. 511f.; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 1049f.

Porträt Friedrich Adolf W., Ölgemälde, Technische Universität Dresden, Kunstsammlung.

Thomas Riedrich
5.7.2004


Empfohlene Zitierweise:
Thomas Riedrich, Artikel: Friedrich Adolf Willers,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18266 [Zugriff 22.12.2024].