Franz Alfred Brodauf
B. erwarb 1891 in Freiberg die allgemeine Hochschulreife und studierte bis 1895 Jura in Leipzig. Er wurde 1900 als Assessor und Hilfsrichter beim Landgericht Chemnitz angestellt, 1903 zum Landrichter, 1910 zum Landgerichtsrat und 1919 zum Landgerichtsdirektor ernannt. Dieses Amt übte er bis zu seinem Ausscheiden 1933 aus. – 1902 trat B. in Chemnitz in die Freisinnige Volkspartei ein, wurde 1903 Vorstandsmitglied des Ortsvereins und 1906 Mitglied des Landesvorstands. Bei der Landtagswahl 1909 setzte er sich im Wahlkreis 35 (obererzgebirgischer ländlicher Wahlkreis) in der Stichwahl durch und war bis 1918 Abgeordneter der II. Kammer. Laut Rednerstatistik war B. im Sächsischen Landtag sehr aktiv. Seiner beruflichen Tätigkeit entsprechend, standen juristische Themen im Mittelpunkt seines parlamentarischen Engagements. Zudem gehörte er 1909/10 und 1913 bis 1918 der Gesetzgebungsdeputation an. Großes Aufsehen erregte er in der Haushaltsdebatte zum Etat 1918/19. B. griff scharf die Agitation der Deutschen Vaterlandspartei gegen die Friedensresolution des Reichstags vom 17.7.1917 sowie deren Vorsitzenden
Alfred von Tirpitz an. Im Reichstag, dessen Mitglied er seit 1919 war, ging B. in zentralen innenpolitischen Fragen häufig nicht mit der Meinung seiner Partei- und Fraktionsführung konform. Er brachte dies nicht nur durch sein Abstimmungsverhalten zum Ausdruck, sondern nahm auch in öffentlichen Veranstaltungen und Schriftwechseln mit Reichsministern eine kämpferische Haltung für die junge Demokratie ein. In der Nationalversammlung hatte B., wie der größte Teil seiner Fraktion, für die Beibehaltung der alten Farben der Flagge gestimmt, stellte sich aber nach der Abstimmung voll hinter die Schwarz-Rot-Goldene Flagge und setzte sich in der Folgezeit besonders für die neuen Reichsfarben ein. Daneben wehrte er sich gegen die aktive Einbeziehung der Reichswehr in die Traditionspflege für die Königlich Sächsische Armee. – Der starke Stimmenrückgang für die DDP bei der Reichstagswahl 1928 führte zu seinem Ausscheiden aus dem Reichstag. Über seine politischen Aktivitäten hinaus war B. Mitbegründer (1922) und Vorsitzender des sächsischen Landesverbands des „Republikanischen Richterbunds“. Dieser verstand sich nicht als Vertreter richterlicher Interessen, sondern als Vereinigung zur Stärkung der Republik. Trotz der geringen Mitgliederzahl war seine Wirkung nicht zu unterschätzen, da viele einflussreiche Juristen und Abgeordnete diesem Verein angehörten. B. nahm im Reichstag wiederholt für den Richterbund engagiert Stellung. Gegen Ende der Weimarer Republik wurde auch der Druck auf den Landgerichtsdirektor B. größer. In einem Prozess wegen Körperverletzung gegen Mitglieder der NSDAP 1932 beispielsweise lehnte deren Verteidiger den liberalen Vorsitzenden B. wegen angeblicher Befangenheit ab. Die Berufungskammer hatte die Ablehnung für berechtigt erklärt. Der sächsische Justizminister Karl Ernst Mannsfeld fand zwar im Landtag diese Entscheidung bedenklich, sah jedoch keine Möglichkeit dagegen vorzugehen. Im Frühjahr 1933 wurde B. aus politischen und gesundheitlichen Gründen pensioniert und zog mit seiner Frau nach Dresden. Auch wenn er nach 1945 seine ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus betonte, kann in keiner Weise von Widerstand gegen das Regime gesprochen werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb B. in Dresden und nahm 1945 als Gründungsmitglied der LDP in Klotzsche bei Dresden seine politische Arbeit wieder auf. Zuletzt trat er am 16.3.1946, wenige Tage vor seinem Tod, in Aue als Redner für seine Partei mit dem Vortrag „Was wollen wir als Demokraten und was als Liberale?“ auf. Außerdem war er als Mitarbeiter im Sächsischen Justizministerium tätig. – B., der wie die bedeutenden Liberalen Wilhelm Külz und
Theodor Heuss im Kaiserreich seine Sozialisation erfuhr, seinen beruflichen Aufstieg begann und erste politische Erfahrungen sammelte, hatte sich in seiner zweiten Lebenshälfte politisch entscheidend gewandelt. Er scheute sich nicht, innerhalb seiner Partei immer wieder gegen den Strom zu schwimmen und Missstände anzuprangern. B. war ein sächsischer Liberaler, der sich vom königstreuen Juristen zum kämpferischen Republikaner entwickelte.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13308 Nachlass B., Personalakten Justizministerium vor 1945; Archiv des Liberalismus (ADL), Gummersbach, 20792 B.
Literatur L. Sartor, Der Richter und Parlamentarier Alfred B. (1871-1946), in: Jahrbuch zur Liberalismusforschung 16/2004, S. 173-192. – E. Döscher/W. Schröder, Sächsische Parlamentarier 1869-1918, Düsseldorf 2001, S. 231 (Bildquelle), 356.
Lutz Sartor
20.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
Lutz Sartor, Artikel: Franz Alfred Brodauf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/803 [Zugriff 26.12.2024].
Franz Alfred Brodauf
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13308 Nachlass B., Personalakten Justizministerium vor 1945; Archiv des Liberalismus (ADL), Gummersbach, 20792 B.
Literatur L. Sartor, Der Richter und Parlamentarier Alfred B. (1871-1946), in: Jahrbuch zur Liberalismusforschung 16/2004, S. 173-192. – E. Döscher/W. Schröder, Sächsische Parlamentarier 1869-1918, Düsseldorf 2001, S. 231 (Bildquelle), 356.
Lutz Sartor
20.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
Lutz Sartor, Artikel: Franz Alfred Brodauf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/803 [Zugriff 26.12.2024].