Ferdinand von Schill

S. war ein in Sachsen geborener preußischer Offizier, der noch vor Beginn der Befreiungskriege gegen Napoleon 1809 einen letztendlich gescheiterten Aufstand wagte, was ihn nicht nur unter seinen Zeitgenossen äußerst populär machte, sondern auch eine Vereinnahmung seiner Person durch verschiedene politische Systeme bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bewirkte. – S. entstammte einer Bauernfamilie, die ursprünglich im böhmischen Egerland ansässig war. Sein Vater, der im Siebenjährigen Krieg als Freikorpsführer auf sächsischer Seite gekämpft hatte, erlangte mit Unterstützung Prinz Xavers 1766 den Aufstieg in den Reichsadel. Seine Vornamen erhielt S. von einem seiner Taufpaten, Ferdinand Baptista von Renard, einem Gönner und Kommandeur des Vaters in der sächsischen Armee. S. wuchs die ersten Jahre auf dem Vorwerk Wilmsdorf bei Dresden auf, ehe die Familie - nach dem Übertritt des Vaters in preußische Dienste, spätestens aber um 1780 - nach Schlesien auf ein Gut bei Lublinitz (poln. Lubliniec) zog. Lange Zeit war S.s Geburtsort umstritten, bis der Possendorfer Pfarrer Friedrich Leberecht Lehmann 1855 den Taufeintrag entdeckte. – Schon in jungen Jahren trat S. als Husar in die preußische Armee ein und diente ab 1790 beim Ansbach-Bayreuther Dragonerregiment. Er beteiligte sich an den Feldzügen des Ersten Koalitionskriegs und nahm u.a. an der Schlacht von Valmy (Frankreich) 1792 teil. 1806 wurde er in der Schlacht von Jena und Auerstedt schwer verwundet und flüchtete vor den französischen Truppen über Magdeburg nach Kolberg (poln. Kołobrzeg), das er im November 1806 erreichte. S., der bis dahin keine herausragenden Leistungen vollbracht und es lediglich zum Sekondeleutnant gebracht hatte, beteiligte sich in Kolberg - gemeinsam mit August Neidhardt von Gneisenau und dem hiesigen Bürger Joachim Nettelbeck - an der erfolgreichen Verteidigung der Stadt gegen die französischen Truppen. Hierfür stellte er ein eigenes Freikorps auf, zu dem u.a. auch der spätere Freikorpsführer Adolf Wilhelm von Lützow zählte. Der von S. geführte Klein- und Partisanenkrieg machte ihn schlagartig bekannt. Er selbst wurde zum Major befördert und sein Freikorps nach Abschluss des Tilsiter Friedens im Juli 1807 unter seiner Leitung als 2. Brandenburgisches Husarenregiment in die preußische Armee eingegliedert. Seine in dieser Zeit erlangte Bekanntheit verdeutlicht nicht nur eine Reise im Mai 1808 nach Königsberg (russ. Kaliningrad), wo er vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. und von Königin Luise empfangen wurde, sondern auch die auf ihn verfassten Lieder und Gedichte sowie die Herstellung und der Verkauf von Devotionalien. – Nach dem Tilsiter Frieden kam S. in engen Kontakt zu deutsch-patriotischen Kreisen. So wurde er u.a. Mitglied im Tugendbund - einem Kreis um Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, Gerhard von Scharnhorst und August Neidhardt von Gneisenau -, der im Geheimen Pläne für einen Volksaufstand gegen Napoleon entwickelte. Zur Vorbereitung einer Erhebung gegen Napoleon stand S. u.a. auch in brieflichem Kontakt mit Erzherzog Karl von Österreich. – Anfang 1808 verlobte sich S. mit Elisa von Rüchel, deren Vater, der preußische General Ernst Wilhelm Friedrich Philipp von Rüchel, seit 1807 selbst an Plänen für einen antinapoleonischen Volksaufstand arbeitete. – Unter dem Eindruck der Aufstände Wilhelm von Dörnbergs und Friedrich von Kattes im Königreich Westfalen sowie des Ausbruchs des Fünften Koalitionskriegs entschloss sich S. zum eigenmächtigen Handeln. So brach er mit seinem Regiment am 28.4.1809 von Berlin zu einem Übungsritt auf, erklärte jedoch kurz nach Verlassen der Stadt, dass er einen Aufstand gegen das napoleonische Besatzungssystem plane. S.s Zug führte über sächsisches und anhaltinisches Gebiet schließlich auf das Territorium des Königreichs Westfalen in die Nähe von Magdeburg. Noch in Dessau veröffentlichte er seinen „Aufruf an die Deutschen“, in dem er das Volk zum Aufstand aufrief. Trotz einiger mehr oder minder erfolgreicher Gefechte gegen westfälisch-französische Truppen blieb der erhoffte Volksaufstand aus. Auch litt das Schillsche Freikorps, das sich - wie schon in Kolberg - auf den Kleinen Krieg beschränkte, unter mangelhafter Ausrüstung und dem geringen Zulauf aus der Bevölkerung. Vonseiten des preußischen Königs wurde S. zum Deserteur erklärt. Angesichts dieser Lage entschloss sich S., nach Stralsund zu ziehen, auch um sich möglicherweise von dort nach England verschiffen zu lassen. Am 25.5.1809 besetzte das Schillsche Freikorps Stralsund. Bereits am 31.5. kam es jedoch zum Angriff auf die Stadt durch die mit Napoleon verbündeten holländischen und dänischen Truppen, in dessen Verlauf S. fiel. Nach seinem Tod wurde sein Kopf vom Körper getrennt und dem westfälischen König Jérôme Bonaparte überreicht, der S. zuvor zum Banditen ernannt und ein Kopfgeld ausgestellt hatte. Der Kopf wurde später an der Universität Leyden (Niederlande) aufbewahrt und erst 1837 in Braunschweig beerdigt. Die überlebenden Mitglieder des Schillschen Freikorps kamen entweder in französische Kriegsgefangenschaft oder wurden nach ihrer Flucht wieder in die preußische Armee eingegliedert. Elf Offiziere wurden von einem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und in Wesel hingerichtet. – Die Rezeption S.s begann bereits in der Zeit der Befreiungskriege sowie im Vormärz und setzte sich durch Lieder, Gedichte, Theaterstücke und erste Denkmalsetzungen im Laufe des 19. Jahrhunderts fort. 1904 wurde u.a. nahe seinem Geburtshaus in Wilmsdorf ein Denkmal aufgestellt, 1909 ein Schilldenkmal in Stralsund errichtet. Zudem erinnerten Filme wie „Die elf Schillschen Offiziere“ (1932) oder die NS-Propagandaproduktionen „Der Feuerreiter“ (1940) und „Kolberg“ (1945) an das Schillsche Freikorps bzw. das Wirken S.s. Eine besondere Würdigung und Vereinnahmung erfuhr S. schließlich noch einmal in der DDR, wo er Teil des öffentlichen Geschichtsbilds wurde. So setzten sich nicht nur wissenschaftliche Studien und populäre Romane mit seiner Person auseinander, sondern es kam auch zur Herausgabe von Sonderbriefmarken (1953) und einer Gedenkmünze (1976). Zudem wurden Straßen und sogar ein Kampfhubschraubergeschwader der NVA nach ihm benannt. – Auch wenn S. in der Gegenwart kaum noch rezipiert wird, so gelangte er doch noch einmal 2009 anlässlich seines 200. Todestags durch Gedenkveranstaltungen und Ausstellungen, u.a. in Stralsund, Wilmsdorf und Wesel, zu öffentlichem Interesse.

Quellen Pfarrarchiv Possendorf.

Literatur J. C. L. Haken, Ferdinand von S., 2 Bde., Leipzig 1824; O. Zimmermann, Ferdinand von S., Leipzig 1909; K. Urban, Oberschlesien - S.s. Jugendland, in: Oberschlesien im Bild 15.6.1934; H. Heinz, Ferdinand von S., Freital 1959; W. Eckermann, Ferdinand von S., Berlin 1963; H. Bock, S. - Rebellenzug 1809, Berlin 1969; S. Fischer, Ferdinand von S., Possendorf 1984; S. A. Mustafa, The Long Ride of Major S. - A Journey through German History and Memory, Lanham 2008; V. Veltzke (Hg.), Für die Freiheit - gegen Napoleon. Ferdinand von S., Preußen und die deutsche Nation, Köln/Weimar/Wien 2009. – ADB 31, S. 210-212; DBA I, II, III; DBE 8, S. 634; K. Bosl (Hg.), Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 3, München 1953; Pommersche Lebensbilder, Bd. 4, Köln/Wien 1966, S. 241-266; K. Obermann u.a. (Hg.), Biographisches Lexikon zur deutschen Geschichte, Berlin 1967, S. 417f.; Magdeburger Biografisches Lexikon, Online-Ausgabe: www.uni-magdeburg.de/mbl/.

Porträt Ferdinand von S., Ludwig Buchhorn, 1807, Punktierstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, Signatur PORT_00150609_01 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz].

Henrik Schwanitz
24.7.2017


Empfohlene Zitierweise:
Henrik Schwanitz, Artikel: Ferdinand von Schill,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25321 [Zugriff 2.11.2024].

Ferdinand von Schill



Quellen Pfarrarchiv Possendorf.

Literatur J. C. L. Haken, Ferdinand von S., 2 Bde., Leipzig 1824; O. Zimmermann, Ferdinand von S., Leipzig 1909; K. Urban, Oberschlesien - S.s. Jugendland, in: Oberschlesien im Bild 15.6.1934; H. Heinz, Ferdinand von S., Freital 1959; W. Eckermann, Ferdinand von S., Berlin 1963; H. Bock, S. - Rebellenzug 1809, Berlin 1969; S. Fischer, Ferdinand von S., Possendorf 1984; S. A. Mustafa, The Long Ride of Major S. - A Journey through German History and Memory, Lanham 2008; V. Veltzke (Hg.), Für die Freiheit - gegen Napoleon. Ferdinand von S., Preußen und die deutsche Nation, Köln/Weimar/Wien 2009. – ADB 31, S. 210-212; DBA I, II, III; DBE 8, S. 634; K. Bosl (Hg.), Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 3, München 1953; Pommersche Lebensbilder, Bd. 4, Köln/Wien 1966, S. 241-266; K. Obermann u.a. (Hg.), Biographisches Lexikon zur deutschen Geschichte, Berlin 1967, S. 417f.; Magdeburger Biografisches Lexikon, Online-Ausgabe: www.uni-magdeburg.de/mbl/.

Porträt Ferdinand von S., Ludwig Buchhorn, 1807, Punktierstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, Signatur PORT_00150609_01 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz].

Henrik Schwanitz
24.7.2017


Empfohlene Zitierweise:
Henrik Schwanitz, Artikel: Ferdinand von Schill,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25321 [Zugriff 2.11.2024].