Ferdinand Hartmann

H. war das fünfte von 13 Kindern. Seine kaufmännische Lehrzeit absolvierte er 1806 bis 1808 in der Seiden- und Galanteriewarenhandlung von Johann Christian Hollmann in Hannover und 1808 bis 1811 in der Firma Georg Wöbbeling. 1814 kam H. nach Leipzig und gründete dort 1822 eine Wollhandlung zusammen mit Ferdinand Portius. Als dieser 1829 ausschied, trat an seine Stelle H.s Neffe Wilhelm Hartmann als Teilhaber, der bereits in der Handlung des Onkels gelernt hatte. Beide entwickelten sich zu bedeutenden sächsischen Wollhändlern. Dabei wurden sie mit der rückständigen sächsischen Wollproduktion konfrontiert, die bis in die 1820er-Jahre hinein noch mit Hand- und Trittrad arbeitete. Um jedoch Anschluss an die aufkeimende Industrialisierung zu erlangen, war eine maschinelle Wollspinnerei erforderlich. Die Heirat mit der Tochter des Kammerrats Schall aus Frankenhausen ermöglichte H. die Gründung einer eigenen Kammgarnspinnerei. Der Schwiegervater erwarb 1829 zunächst im Namen seiner beiden Söhne Christian Friedrich und Wilhelm August vom Rat der Stadt Leipzig das Erbgut Pfaffendorf vor dem Hallischen Tor. Der Rat erhoffte sich durch die entstehende Fabrik neue Arbeitsplätze. 1830 erfolgte der Abschluss der Bauarbeiten und die Aufstellung der ersten Dampfmaschine in Leipzig. Die Unruhen in Leipzig im September 1830, die auch auf die Zerstörung der ersten Schnellpresse in der Druckerei von Brockhaus und die der Pfaffendorfer Dampfmaschine zielten, hatten für H. keine Auswirkungen. Trotz Anfangsschwierigkeiten entwickelte sich seine Fabrik erfolgreich. Ihre Produkte fanden aufgrund der hohen Garnqualität im In- und Ausland guten Absatz. Um 1831 waren 93 Arbeiter und Angestellte in Spinnerei und Kontor sowie 181 in den Handkämmereien (teilweise in auswärtigen Strafanstalten) beschäftigt. Finanzielle Engpässe glich H.s Schwiegervater aus, der seiner Tochter neben einer angemessenen Mitgift auch ihren Erbteil an der Fabrik auszahlte, hinzu kamen noch die Anteile ihrer Brüder nach Todesfall bzw. Rücktritt. Damit war die Ehefrau H.s alleinige Besitzerin der Spinnerei. – 1836 wandelte H. das Unternehmen gemeinsam mit seinem Neffen in eine Aktiengesellschaft mit 41 Aktionären aus Leipzig, Eilenburg und Mühlhausen um. Dem Ausschuss der Gesellschaft gehörten u.a. die Generalkonsule Caspar Hirzel und Gustav Moritz Clauß (1838-1859 Vorsitzender) sowie Carl und Gustav Harkort an. Dieser Aktienverein erwarb am 19.11.1836 die Spinnerei von H.s Ehefrau. In dieser Zeit verfügte die Fabrik über 2.744 Spindeln, deren Zahl sich bis 1840 auf 7.488 und bis Mitte 1842 auf 10.412 Spindeln erhöhte. Damit war die von H. gegründete Kammgarnspinnerei in Pfaffendorf die größte Sachsens. Der in seiner Arbeiterschaft sehr beliebte H. wurde hoch geehrt und u.a. mit der Großen Goldenen Sächsischen Medaille ausgezeichnet. Der Aktienverein wählte H. zum „vollziehenden Direktor“ und seinen Neffen zu dessen Stellvertreter. In dieser erfolgreichen Zeit verstarb H. unerwartet. Nachfolger wurde sein Neffe, der den Betrieb erfolgreich bis zu seinem Ausscheiden 1867 führte.

Literatur H. R. Wolf, 100 Jahre Kammgarnspinnerei zu Leipzig als Aktiengesellschaft, Leipzig 1936 (P); R. Forberger, Die Industrielle Revolution in Sachsen, Bd. 1: 1800-1830, Berlin 1982, Bd. 1/2, Tab. 139, Bd. 2: 1831-1861, Leipzig 1999-2003, Bd. 2/1, Kap. 1, 4, 5, Bd. 2/2, Tab. 859. – DBA II, III; DBE 4, S. 407; NDB 7, S. 742; Sächsische Lebensbilder, Bd. 3, Leipzig 1941, S. 128-142 (Bildquelle).

Ursula Forberger †
15.8.2005


Empfohlene Zitierweise:
Ursula Forberger †, Artikel: Ferdinand Hartmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1947 [Zugriff 22.11.2024].

Ferdinand Hartmann



Literatur H. R. Wolf, 100 Jahre Kammgarnspinnerei zu Leipzig als Aktiengesellschaft, Leipzig 1936 (P); R. Forberger, Die Industrielle Revolution in Sachsen, Bd. 1: 1800-1830, Berlin 1982, Bd. 1/2, Tab. 139, Bd. 2: 1831-1861, Leipzig 1999-2003, Bd. 2/1, Kap. 1, 4, 5, Bd. 2/2, Tab. 859. – DBA II, III; DBE 4, S. 407; NDB 7, S. 742; Sächsische Lebensbilder, Bd. 3, Leipzig 1941, S. 128-142 (Bildquelle).

Ursula Forberger †
15.8.2005


Empfohlene Zitierweise:
Ursula Forberger †, Artikel: Ferdinand Hartmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1947 [Zugriff 22.11.2024].