Fedor Schnorr
Über Ausbildung und Tätigkeit S.s bis in die Mitte der 1840er-Jahre ist nichts bekannt. Die anhaltende Konjunktur der vogtländischen Weißwarenindustrie führte S. 1844 nach Plauen, wo er noch im April desselben Jahrs das Bürgerrecht erwarb. 1845 heiratete S. die Tochter des Advokaten
Johann Adolf Steinhäuser und fand damit Aufnahme in den Kreis der alteingessesenen Plauener Familien. Vielseitige und engagierte Teilhabe am öffentlichen Leben verschafften S. schnell Ansehen und Einfluss. Gemeinsam mit seinem Schwager
Gustav Steinhäuser gründete er 1845 die Firma Schnorr & Steinhäuser („Stickereien-Fabrik-Hdlg.“). – Zwischen 1840 und 1850 gelang es
Franz Elysäus Rittmeyer und
Franz Anton Vogler in der Schweiz, die 1828 von
Josua Heilmann erfundene Stickmaschine so weit zu verbessern, dass marktfähige Ware darauf hergestellt werden konnte. Nach der Krise der Handspinnerei um 1800 liefen Plauen und das Vogtland Gefahr, zum zweiten Mal innerhalb nur eines halben Jahrhunderts im Wettlauf zwischen Hand- und Maschinenarbeit das Nachsehen zu haben. S. begegnete dieser existenziellen Bedrohung der Weißwarenbranche mit unternehmerischem Weitblick und Wagemut. Unter Vermittlung von
Friedrich Kohl, Professor an der Königlich Mechanischen Baugewerken- und Werkmeisterschule zu Chemnitz, beauftragte er den dort studierenden
Albert Voigt mit der Beschaffung einiger Schweizer Maschinen. 1857 gelang Voigt der Erwerb zweier Exemplare, die er gemeinsam mit dem Schweizer Stickmaschinentechniker
Johann Conrad Dietrich in der Schnorr’schen Fabrik aufstellte. Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme im Januar 1858 war das Schweizer Monopol gebrochen, und im sächsischen Vogtland hielt die mechanische Stickerei Einzug. Durch S.s Tatkraft wurde somit in Sachsen die Entstehung einer neuen Industrie möglich, die eine ungeahnte Blüte erlebte und Weltgeltung erlangte. Die mechanische Stickerei breitete sich über das gesamte sächsische Vogtland aus, verdrängte die Weberei als textilen Haupterwerbszweig und entwickelte sich zur entscheidenden Grundlage für die maschinelle Fertigung von Spitzen. Der anhaltende Aufschwung der Branche löste die Entwicklung Plauens zur Großstadt aus und trug diese bis zum Ersten Weltkrieg. – 1858 engagierte sich S. als Mitglied im „provisorischen Komitee“ (später Handelsschulvorstand) für die Gründung der Plauener Handelsschule und als Vorsitzender des Handelsschulvereins (1874-1892) für deren Ausbau. In der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre verwendete sich S. erfolgreich für die Errichtung einer Industrieschule in Plauen. Seine Initiative war maßgeblich, als im Februar 1888 der Vogtländisch-Erzgebirgische Industrieverein zu Plauen i.V. als Träger der künftigen Industrieschule gegründet wurde. In den 1890er-Jahren zog sich S. aus der Geschäftsleitung der Firma Schnorr & Söhne zurück und musste mit ansehen, wie das einst große und erfolgreiche Unternehmen bis zur völligen Bedeutungslosigkeit verfiel. – S.s Verdienste um die sächsische Textilindustrie fanden 1868 durch Verleihung des Albrechtsordens erster Klasse Anerkennung. 1882 erhielt er als erster Unternehmer des sächsischen Vogtlands den Titel Kommerzienrat.
Quellen Stadtarchiv Plauen, Bürgerbuch 1844-1865; Pfarrarchiv St. Wolfgang Schneeberg; Pfarrarchiv St. Johannis Plauen.
Literatur L. Bein, Die Industrie des sächsischen Vogtlandes, Bd. 2: Die Textilindustrie, Leipzig 1884; H. Schuster, Plauen als Standort der Textilindustrie, Plauen 1937; W. Erhardt, Das Glück auf der Nadelspitze, Plauen 1995; G. Naumann, Die Plauener Spitzen- und Stickereiindustrie in Vergangenheit und Gegenwart, in: Sächsische Heimatblätter 43/1997, S. 236-246; ders., Zur Geschichte des Vogtländisch-Erzgebirgischen Industrievereins zu Plauen i.V. 1888-1949, in: Mitteilungen des Vereins zur Förderung des Plauener Spitzenmuseums e.V., Jahresschrift für das Jahr 1997, Plauen 1998, S. 36-47; G. Naumann, S., Fedor. Kaufmann, Unternehmer, Kommerzienrat, in: Berühmte Vogtländer, Bd. IV, hrsg. vom Verein für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde e. V., Plauen 2008, S. 81 (P). – DBA I.
Porträt Kommerzienrat Fedor S., Fotografie, Vogtlandmuseum Plauen, Bildsammlung (Bildquelle).
Gerd Naumann
3.5.2011
Empfohlene Zitierweise:
Gerd Naumann, Artikel: Fedor Schnorr,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22991 [Zugriff 20.12.2024].
Fedor Schnorr
Quellen Stadtarchiv Plauen, Bürgerbuch 1844-1865; Pfarrarchiv St. Wolfgang Schneeberg; Pfarrarchiv St. Johannis Plauen.
Literatur L. Bein, Die Industrie des sächsischen Vogtlandes, Bd. 2: Die Textilindustrie, Leipzig 1884; H. Schuster, Plauen als Standort der Textilindustrie, Plauen 1937; W. Erhardt, Das Glück auf der Nadelspitze, Plauen 1995; G. Naumann, Die Plauener Spitzen- und Stickereiindustrie in Vergangenheit und Gegenwart, in: Sächsische Heimatblätter 43/1997, S. 236-246; ders., Zur Geschichte des Vogtländisch-Erzgebirgischen Industrievereins zu Plauen i.V. 1888-1949, in: Mitteilungen des Vereins zur Förderung des Plauener Spitzenmuseums e.V., Jahresschrift für das Jahr 1997, Plauen 1998, S. 36-47; G. Naumann, S., Fedor. Kaufmann, Unternehmer, Kommerzienrat, in: Berühmte Vogtländer, Bd. IV, hrsg. vom Verein für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde e. V., Plauen 2008, S. 81 (P). – DBA I.
Porträt Kommerzienrat Fedor S., Fotografie, Vogtlandmuseum Plauen, Bildsammlung (Bildquelle).
Gerd Naumann
3.5.2011
Empfohlene Zitierweise:
Gerd Naumann, Artikel: Fedor Schnorr,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22991 [Zugriff 20.12.2024].