Ernst Lert

L. verband zeitlebens künstlerische Tätigkeit mit wissenschaftlichem Interesse. Ein Studium der Philosophie und Germanistik an der Universität Wien schloss er mit der Promotion zum Dr. phil. ab, wandte sich jedoch früh der Theatergeschichte und Dramaturgie zu. L. arbeitete ab 1908 zunächst als Regievolontär am Hofburgtheater in Wien, später am Stadttheater Breslau (poln. Wrocław), bevor er die künstlerische Leitung des Stadttheaters in Freiburg/Breisgau übernahm. 1912 wurde L. vom Stadttheater Leipzig als Oberregisseur der Oper engagiert. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte er sich bereits theoretisch mit aktuellen Theaterfragen wie der Schaffung von Ausbildungsstätten für künftige Regisseure oder dem Urheberrecht auf Inszenierungen. Auch nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, an dem L. teilnahm und mehrfach verwundet wurde, setzte er diese Arbeit fort. – Zu L.s herausragenden Regiearbeiten in Leipzig zählte ein viel beachteter Mozart-Zyklus, dessen künstlerische Ergebnisse er in dem Buch „Mozart auf dem Theater“ (1918) niederlegte. Daneben widmete er sich dem zeitgenössischen Theater, wie die Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals „Alkestis“ im Oktober 1917 belegt. 1919 verließ L. Leipzig und übernahm nach einem Intermezzo als Intendant der Basler Oper im September 1920 die Direktion des Frankfurter Opernhauses. Auch hier setzte er bis 1923 zahlreiche Ur- oder Erstaufführungen, z.B. von Werken Paul Hindemiths, durch. Danach arbeitete L. hauptsächlich als Gastregisseur an Opernhäusern in ganz Europa, war aber auch als Bearbeiter und Übersetzer von Libretti tätig. – Seit 1929 arbeitete L. in New York, wo er an der Metropolitan Opera und als Oberregisseur des Hippodrome tätig war. Ab Mitte der 1930er-Jahre widmete er sich der Lehrtätigkeit, zunächst bis 1938 als Leiter der Opernabteilung am Curtis Institute of Music in Philadelphia, ab 1942 lehrte er am Peabody Conservatory in Baltimore Musikgeschichte. – Weder L.s künstlerische noch seine wissenschaftliche Tätigkeit haben bis heute eine angemessene Würdigung erfahren. L. hatte an der Gründung der „Vereinigung künstlerischer Bühnenvorstände“ (1911), der ersten Standesvertretung für Regisseure und Dramaturgen, entscheidenden Anteil und prägte in den ersten Jahren deren Arbeit. Sein besonderes Augenmerk galt den sozialen Belangen der Regisseure. Die unter L.s Ägide aufgestellten Forderungen der Vereinigung umfassten u.a. eine angemessene Entlohnung der v.a. an kleineren Theatern auch als Regisseure tätigen Schauspieler für ihren Mehraufwand. Die gängige Praxis, erprobte und erfolgreiche Stückeinrichtungen auch an anderen Theatern zu übernehmen, sollte durch den Schutz des geistigen Eigentums an einer Inszenierung eingedämmt werden. – In die Leipziger Zeit fielen auch L.s Überlegungen zur Gründung einer Regieschule. Mit dem Plan einer Berufsvorbereitung für Regisseure an einem akademischen Institut für Theaterwissenschaft oder einer Hochschule für Bühnenkunst modifizierte er das seit Conrad Ekhofs Gründung einer Schauspiel-Akademie 1753 immer wieder erwogene Konzept einer Theaterschule. Dieses schließlich gescheiterte Vorhaben kann als interessanter Alternativentwurf zu einer sich in dieser Zeit herausbildenden universitär institutionalisierten Theaterwissenschaft in Deutschland angesehen werden.

Werke Bühnenmusik: Der Mönch von St. Gallen (Ekkehard), o.J.; Das geistige Eigentum des Regisseurs, in: Die Scene 1/1911/12, Nr. 6, S. 85-89; Ein Institut für Theaterwissenschaft, in: Akademische Rundschau 4/1916, Nr. 11/12, S. 503-511; Otto Lohse als Opernleiter, Leipzig 1918; Mozart auf dem Theater, Berlin 1918, 41921.

Literatur B. Stratzer, Die Leipziger Tätigkeit Dr. L.s, in: Zeitschrift für Musik 87/1920, Nr. 18, S. 320f.; F. Hennenberg, Umwälzende Regiemusik. Ernst L.s Mozart-Verständnis, in: B. Richter/U. Oehme, Mozart in Kursachsen, Leipzig 1991, S. 89-99 (Bildquelle). – DBA II, III; DBE 6, S. 340; Wer ist’s?, Bd. 9, Leipzig 1928, S. 937; S. Wininger, Große Jüdische National-Bibliographie, Bd. 7, Cernăuţi 1936, S. 233; W. Kosch, Deutsches Theater-Lexikon, Bd. 2, Klagenfurt/Wien 1960, S. 1219; RiemannL, Personenteil L-Z, Mainz 121961, S. 59f.; H. Seeger, Musiklexikon in zwei Bänden, Bd. 2, Leipzig 1966, S. 30; W. Klötzer (Hg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, Frankfurt/Main 1994, S. 454; MGG2P, Bd. 10, Kassel/Stuttgart 2003, Sp. 1637f.

Corinna Kirschstein
16.12.2005


Empfohlene Zitierweise:
Corinna Kirschstein, Artikel: Ernst Lert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22756 [Zugriff 21.11.2024].

Ernst Lert



Werke Bühnenmusik: Der Mönch von St. Gallen (Ekkehard), o.J.; Das geistige Eigentum des Regisseurs, in: Die Scene 1/1911/12, Nr. 6, S. 85-89; Ein Institut für Theaterwissenschaft, in: Akademische Rundschau 4/1916, Nr. 11/12, S. 503-511; Otto Lohse als Opernleiter, Leipzig 1918; Mozart auf dem Theater, Berlin 1918, 41921.

Literatur B. Stratzer, Die Leipziger Tätigkeit Dr. L.s, in: Zeitschrift für Musik 87/1920, Nr. 18, S. 320f.; F. Hennenberg, Umwälzende Regiemusik. Ernst L.s Mozart-Verständnis, in: B. Richter/U. Oehme, Mozart in Kursachsen, Leipzig 1991, S. 89-99 (Bildquelle). – DBA II, III; DBE 6, S. 340; Wer ist’s?, Bd. 9, Leipzig 1928, S. 937; S. Wininger, Große Jüdische National-Bibliographie, Bd. 7, Cernăuţi 1936, S. 233; W. Kosch, Deutsches Theater-Lexikon, Bd. 2, Klagenfurt/Wien 1960, S. 1219; RiemannL, Personenteil L-Z, Mainz 121961, S. 59f.; H. Seeger, Musiklexikon in zwei Bänden, Bd. 2, Leipzig 1966, S. 30; W. Klötzer (Hg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, Frankfurt/Main 1994, S. 454; MGG2P, Bd. 10, Kassel/Stuttgart 2003, Sp. 1637f.

Corinna Kirschstein
16.12.2005


Empfohlene Zitierweise:
Corinna Kirschstein, Artikel: Ernst Lert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22756 [Zugriff 21.11.2024].