Ernst Koch

Als Leiter der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden gab K. erstmals gedruckte Neuerwerbungskataloge heraus. – K.s familiäre Wurzeln führen in die deutsche Auswandererkolonie Esperanza (Argentinien), wo sein Vater 1898 bis 1905 als Pastor wirkte. Nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland war dieser als Pfarrer in Radefeld, Wittenberg und Greifswald tätig. K. lernte zunächst bei seinem Vater Latein und besuchte ab 1911 das Melanchthon-Gymnasium in Wittenberg und ab 1914 das Gymnasium in Greifswald. Während des Ersten Weltkriegs leistete er ab 1917 seinen Militärdienst. Er erlangte 1918 sein Reifezeugnis und studierte an den Universitäten in Göttingen und Greifswald klassische Philologie, vergleichende Sprachwissenschaften, Geschichte und Philosophie. 1921 unterbrach er sein Studium, um an den Kämpfen um Oberschlesien, die aus polnischen Versuchen zum Anschluss dieses Gebiets an Polen resultierten, teilzunehmen. Im Dezember desselben Jahrs promovierte er bei Ernst Lommatzsch in Greifswald zum Doktor der Philosophie mit der lateinischen Abhandlung „Ciceronis carmina historica restituta atque enarrata“, die aus einer Preisarbeit hervorgegangen war. Anschließend wirkte er als Studienreferendar am Gymnasium in Stralsund und am Pädagogium in Putbus. In seiner Zeit als Stipendiat der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft e.V. am Thesaurus linguae Latinae in München vom 1.7.1924 bis zum 31.12.1925 verfasste er zahlreiche Artikel für das hier herausgegebene Wörterbuch. Schon frühzeitig wandte sich K. dem Nationalsozialismus zu und trat unter der Mitgliedsnummer 130 am 23.3.1925 in München der NSDAP bei. Im Januar 1926 begann er seine Ausbildung für den höheren Dienst im Bibliothekswesen. Er absolvierte anschließend Volontariate an der Stadtbibliothek Erfurt und an der dortigen Städtischen Volksbücherei und schließlich ab Dezember 1927 an der Deutschen Bücherei in Leipzig und ab Oktober 1928 an der dortigen Universitätsbibliothek. In Leipzig bestand er im März 1929 die Fachprüfung für Bibliothekare. Im Anschluss daran arbeitete er im Antiquariatsbuchhandel und als Lehrer an der Thomas- und Nikolaischule. Im Januar 1931 absolvierte er die pädagogische Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Schulen mit dem Abschlussaufsatz „Die Schulprogramme der Deutschen Sozialdemokratie und der Nationalsozialisten und ihre ideologischen Grundlagen“. Ab April 1931 war er für vier Jahre im höheren Schuldienst als Studienassessor in den Fächern Latein und Griechisch an der Baltenschule in Misdroy/Pommern (poln. Międzyzdroje) tätig. Mit Wirkung zum 1.12.1935 wurde K. zum Leiter der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden berufen, 1942 folgte die Ernennung zum Bibliotheksrat. Als Bibliotheksleiter gab er gedruckte Neuerwerbungskataloge heraus. Zwar hatte bereits Hermann Neubert 1931 mit vierteljährlichen Veröffentlichungen begonnen, doch handelte es sich hierbei nur um maschinengeschriebene Einzelschriften, die weder Register enthielten noch einen großen Personenkreis ansprachen. Die erste Auflage der „Neuerwerbungen der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden“ erschien 1937 bereits mit einer Auflage von 2.000 Stück, die Kataloge finanzierte er durch Anzeigen. K. intensivierte zudem die Beziehungen zur Wirtschaft und ließ vermehrt Bücher aus den Bereichen Industrie und Technik bereitstellen. 1933/34 bis 1938/39 stiegen die Ausgaben für Bücher und Zeitschriften für diesen Bereich von 7.616 auf 8.035 Reichsmark. Außerdem bot K. erstmals einstündige bibliografische Übungen für Studenten an, mit besonderer Berücksichtigung der nationalsozialistischen Literatur. Seine Verbundenheit mit dem NS-Regime manifestierte sich auch 1936 anlässlich seiner Rede bei der Enthüllung der Büste Adolf Hitlers in der Technischen Hochschule; bei dieser Gelegenheit übergab K. der Öffentlichkeit einen 66 Werke umfassenden Buchbestand mit der wichtigsten nationalsozialistischen Literatur. Im Vorfeld des Dresdner Bibliothekartags im Juni 1936 stellte K. - allerdings erfolglos - den Antrag, dass alle Bibliothekare, die - wie er selbst - das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP und den sog. Blutorden, die Medaille zur Erinnerung an den 9. November 1923, der Partei trugen, zu Ehrenmitgliedern des Vereins Deutscher Bibliothekare ernannt werden sollten. – Von November 1939 bis August 1941 war K. im Heeresdienst in einem Dresdner Lazarett tätig. Dennoch führte er täglich für zwei Stunden die Bibliotheksgeschäfte weiter. Am 17.5.1943 erfolgte seine erneute Einberufung zum Kriegsdienst, diesmal nach Frankreich. K. geriet in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er am 26.7.1945 entlassen wurde. Sein Amt als Bibliotheksdirektor hatte bereits zum 1.9.1944 Hans Hofmann kommissarisch übernommen. Von Dresden siedelte K. am 24.10.1945 nach Schöningen im Braunschweiger Land über, wo er 1952 bis 1956 als Ratsherr amtierte. – Anfang Juli 1971 zog er nach Gronau/Westfalen und heiratete dort am 23.7.1971 seine Jugendliebe Elly, mit der er bereits 1924 einen Sohn hatte.

Quellen Bundesarchiv Berlin, NSDAP-Gaukartei; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts, Bibliothek an der Technischen Hochschule 1935-1942; Stadtarchiv Schöningen, Meldekartei Ernst K.; Stadtarchiv Gronau, Meldekartei Ernst K.

Werke Ciceronis carmina historica restituta atque enarrata, Diss. Greifswald 1922; Dresden. Bibliothek der Technischen Hochschule, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 53/1936, H. 7, S. 385-387; (Hg.), Neuerwerbungen der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden 1/1937-12/1944; Die Bibliothek der Technischen Hochschule und die Industrie, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 56/1939, H. 9/10, S. 476-484.

Literatur Personal- und Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1939, hrsg. von der Technischen Hochschule Dresden, Dresden 1939, S. 31; Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken 33/1943, S. 132, 34/1950, S. 191; H. Heyden (Bearb.), Die Evangelischen Geistlichen des ehemaligen Regierungsbezirkes Stralsund, Bd. 3, Greifswald 1964, S. 111; D. Krömer/M. Flieger (Hg.), Thesaurus-Geschichten, Stuttgart/Leipzig 1996, S. 197; E. Plassmann/L. Syré, Verein Deutscher Bibliothekare 1900-2000, Wiesbaden 2000, S. 91. – DBA III; A. Habermann/R. Klemmt/F. Siefkes, Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925-1980, Frankfurt/Main 1985, S. 164; H.-D. Wüstling, Die Direktoren der Universitätsbibliothek Dresden von 1928 bis 1996, Dresden 2005, S. 57-59; T. Bürger/K. Hermann, Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 132.

Porträt Ernst K., Fotografie, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Fotoarchiv (Bildquelle).

Andreas Peschel
10.11.2010


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Peschel, Artikel: Ernst Koch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24809 [Zugriff 2.11.2024].

Ernst Koch



Quellen Bundesarchiv Berlin, NSDAP-Gaukartei; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts, Bibliothek an der Technischen Hochschule 1935-1942; Stadtarchiv Schöningen, Meldekartei Ernst K.; Stadtarchiv Gronau, Meldekartei Ernst K.

Werke Ciceronis carmina historica restituta atque enarrata, Diss. Greifswald 1922; Dresden. Bibliothek der Technischen Hochschule, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 53/1936, H. 7, S. 385-387; (Hg.), Neuerwerbungen der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden 1/1937-12/1944; Die Bibliothek der Technischen Hochschule und die Industrie, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 56/1939, H. 9/10, S. 476-484.

Literatur Personal- und Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1939, hrsg. von der Technischen Hochschule Dresden, Dresden 1939, S. 31; Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken 33/1943, S. 132, 34/1950, S. 191; H. Heyden (Bearb.), Die Evangelischen Geistlichen des ehemaligen Regierungsbezirkes Stralsund, Bd. 3, Greifswald 1964, S. 111; D. Krömer/M. Flieger (Hg.), Thesaurus-Geschichten, Stuttgart/Leipzig 1996, S. 197; E. Plassmann/L. Syré, Verein Deutscher Bibliothekare 1900-2000, Wiesbaden 2000, S. 91. – DBA III; A. Habermann/R. Klemmt/F. Siefkes, Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925-1980, Frankfurt/Main 1985, S. 164; H.-D. Wüstling, Die Direktoren der Universitätsbibliothek Dresden von 1928 bis 1996, Dresden 2005, S. 57-59; T. Bürger/K. Hermann, Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 132.

Porträt Ernst K., Fotografie, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Fotoarchiv (Bildquelle).

Andreas Peschel
10.11.2010


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Peschel, Artikel: Ernst Koch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24809 [Zugriff 2.11.2024].