Arnošt Bart (Ernst Barth)

B. war einer der herausragenden Vertreter der Sorben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bekanntheit erlangte er v.a. als Initiator der sorbischen Autonomiebestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg. – B.s Vater siedelte 1872 von Litten bei Bautzen (sorb. Budyšin) nach Briesing über, wo er bis zu seinem frühen Tod 1875 eine kleine Landwirtschaft mit Schankrecht betrieb. Die Mutter führte die Wirtschaft und die Gaststätte weiter, während ihr zweiter Ehemann als Grubenarbeiter tätig war. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte B. 1885 bis 1888 an der Handelslehranstalt in Bautzen eine kaufmännische Lehre, die er mit einem Ehrenzeugnis abschloss. Als 20-Jähriger verließ B. die Lausitz und arbeitete als Kaufmann in Leipzig, Lauchhammer und Berlin. Anschließend führte ihn sein Weg nach Italien und Frankreich. Während dieser Zeit entwickelte sich sein starkes Interesse für die sorbische Sprache und Kultur. Gleichzeitig lernte er Englisch, Französisch, Russisch und Tschechisch. Schon 1890 trat B. der sorbischen wissenschaftlichen Gesellschaft „Maćica Serbska“ bei und leitete darin die nationalökonomische Abteilung. 1892 kehrte er nach Briesing zurück, um die elterliche Wirtschaft zu übernehmen. Kurze Zeit danach intensivierte er seine Aktivitäten im sorbischen und regionalen Vereinsleben. B. war Mitbegründer (1893) des sorbischen Vereins und des Bauerntheaters in Quatitz (sorb. Chwaćicy), der Quatitzer und Malschwitzer Spar- und Darlehnskasse, Gemeindevorstand in Briesing (1899) und Vertreter der Bauern im Oberlausitzer Provinziallandtag. Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die Bestrebungen der Sorben zu einem organisatorischen Zusammenschluss verstärkten, zeigte sich B. federführend. 1898 veröffentlichte er in der sorbischen Zeitschrift „Łužica“ (Lausitz) sein Programm zur Vereinigung der sorbischen nationalen Bewegung. Ein erster Versuch dazu scheiterte 1899. Doch 1912 wurde schließlich unter B.s Vorsitz die Domowina als Dachverband der sorbischen Vereine gegründet. – Im März 1911 wurde B. mit großer Stimmenmehrheit in den Sächsischen Landtag gewählt, wo er sich der konservativen Fraktion als Hospitant anschloss. Im Landtag trat er für die Verbesserung der nationalen Belange der Sorben ein, wobei für ihn das Schulwesen im Mittelpunkt stand. Ein durchschlagender Erfolg in dieser Angelegenheit blieb ihm jedoch bis 1918 verwehrt. – Zum Ende des Ersten Weltkriegs griff B. erneut die verdrängten nationalen Forderungen auf, um sie auf die Tagesordnung der Politik zu setzen. Am 5.11.1918 wurde in der Zweiten Kammer des Sächsischen Landtags über eine neue Regierungsform beraten. B. nahm die revolutionären Veränderungen gemeinsam mit seinem sorbischen Fraktionskollegen Michał Jan Kokla (Michael Johannes Kockel) zum Anlass, die sächsische Schulpolitik gegenüber den Sorben zu kritisieren. Am 13.11.1918, dem Tag der Thronentsagung des sächsischen Königs Friedrich August III., konstituierte sich der Wendische Nationalausschuss als Führungsgremium der sorbischen nationalen Bewegung mit B. an der Spitze. Die Forderungen des Nationalausschusses zielten darauf ab, autonome Strukturen für die sorbische Bevölkerung innerhalb Deutschlands zu schaffen. So sollte den Sorben kirchliche, schulische, wirtschaftliche und politische Selbstverwaltung und kulturelle Selbstständigkeit zugebilligt werden. Da von deutscher Seite derartige Ansprüche weitgehend ignoriert wurden, kam es zur Radikalisierung der sorbischen Bewegung. Anfang 1919 sprach sich der Nationalausschuss erstmals dafür aus, die Lausitz entweder der neu entstandenen Tschechoslowakei anzuschließen oder einen selbstständigen „Lausitzisch-Sorbischen Staat“ zu gründen. Die sorbische Frage wurde tatsächlich auf der Friedenskonferenz in Versailles (Frankreich) behandelt, zu der B. mit einem seiner Mitstreiter, Jan Bryl (Johannes Brühl), gereist war. B. beanspruchte nach der Wilsonschen Konzeption des Selbstbestimmungsrechts der Völker auch für die Sorben Unabhängigkeit und Autonomie. Doch lediglich in der tschechischen Delegation erhielt er für seine Ziele eine begrenzte Unterstützung. In den schriftlichen Abschlussdokumenten des im Juni 1919 unterzeichneten Versailler Friedensvertrags fanden die Sorben keine Erwähnung. In der Lausitz hatte sich im „Ausschuss sachsentreuer Wenden“ bereits eine große Mehrheit gegen den Separatismus organisiert. Diese Vereinigung entwickelte - zunächst in Kooperation mit den Stadträten der sächsischen Oberlausitz, insbesondere der Stadt Bautzen, später im Zusammengehen mit allen vier Parteien im Bautzener Raum - eigene Aktivitäten. Dabei wurden wichtige ethnische Forderungen des Nationalausschusses aufgegriffen, um eine weitere Radikalisierung der sorbischen Autonomiebewegung zu verhindern. Auch der sächsische Kultusminister erklärte sich zu Zugeständnissen bereit. Dies führte schließlich in der Weimarer Republik zu Verbesserungen im Volksschulwesen sowie im Kirchenwesen der zweisprachigen Lausitz. – B. wurde am 2.10.1919 aufgrund seines Auftretens während der Versailler Friedenskonferenz beim Grenzübertritt nach Deutschland festgenommen. Das Reichsgericht Leipzig verurteilte ihn am 21.1.1920 wegen „versuchten Landesverrats“ und „Anstiftung zu versuchtem Briefschmuggel“ zu drei Jahren Festungshaft. Der Schuldspruch entfachte einen Proteststurm im tschechoslowakischen Parlament sowie in der europäischen Presse, insbesondere in Frankreich und Jugoslawien. Die heftigen internationalen Reaktionen führten dazu, dass B. auf Empfehlung des Auswärtigen Amts schon im September 1920 nach neun Monaten Gefängnishaft freigelassen wurde. – B. blieb auch in den folgenden Jahren in nationalen Fragen aktiv. Bis 1927 wirkte er als Vorsitzender der Domowina, wobei er u.a. durch den Aufbau der Wendischen Volksbank ihre ökonomische Basis stärkte. Als Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der Domowina vertrat B. mit seiner christlich-sozialen Denkweise v.a. die Interessen der sorbischen Arbeiter und Kleinbauern. Er kritisierte u.a. den gezielten Aufkauf kleiner Bauernstellen durch Großagrarier. Darin sah er eine Schwächung des Bauernstands, einer seiner Meinung nach grundlegenden Säule des sorbischen Ethnikums. – 1930 warnte B. anlässlich eines Besuchs von Adolf Hitler in Bautzen vor dem Nationalsozialismus, da diese Bewegung den Frieden zwischen den Völkern gefährdete. Im April 1933 wurde B. gemeinsam mit anderen sorbischen Protagonisten mehrere Wochen inhaftiert. Wiederholt erfolgten bei ihm Hausdurchsuchungen. Bis 1945 stand er unter ständiger Beobachtung der Gestapo. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgte er interessiert die erneut auflebende sorbische nationale Bewegung und ihr Ringen um Autonomie und nationale Gleichberechtigung. Bis zuletzt setzte er sich für sorbische Belange ein und scheute sich nicht, auch die neuen Machthaber in minderheitenrechtlichen Angelegenheiten zu kritisieren.

Literatur H. Zwahr, Arnošt B.-Brězynčanski 1870-1956, Bautzen 1970, 21981; J. Šołta/H. Zwahr, Geschichte der Sorben, Bd. 2: Von 1789 bis 1917, Bautzen 1974; F. W. Remes, Die Sorbenfrage 1918/19, Bautzen 1993; T. Meškank, Kultur besteht - Reich vergeht, Berlin 2000; P. Schurmann, Die Sorbenfrage als Politikum, in: E. Pech/D. Scholze (Hg.), Zwischen Zwang und Beistand, Bautzen/Dresden 2003, S. 151-183.

Porträt Fotografie, Sorbisches Institut Bautzen, Sorbisches Kulturarchiv (Bildquelle).

Edmund Pech
30.1.2014


Empfohlene Zitierweise:
Edmund Pech, Artikel: Arnošt Bart (Ernst Barth),
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10805 [Zugriff 2.11.2024].

Arnošt Bart (Ernst Barth)

B. bě jedyn z wusahowacych zastupjerjow Serbow w prěnjej połojcy 20. lětstotka. Znaty bu wón předewšěm jako iniciator prócowanjow wo awtonomiju Serbow po Prěnjej swětowej wójnje. – B.owy nan přesydli so 1872 z Lětonja pola Budyšina do bliskeje Brězynki, hdźež hospodarješe hač do swojeje zažneje smjerće 1875 na małym ratarstwje z prawom korčmarjenja. Mać wjedźeše žiwnosć a korčmu dale, mjeztym zo jeje druhi mandźelski jako hórnik we wuhlowej jamje dźěłaše. Po wopyće ludoweje šule absolwowaše B. 1885 do 1888 na wikowanskim wustawje w Budyšinje wukubłanje na překupca, kotrež z čestnym diplomom wotzamkny. Jako 20-lětny wopušći B. domiznu a dźěłaše jako překupc w Lipsku, Lauchhammeru a Berlinje. Potom wjedźeše jeho puć do Italskeje a Francoskeje. W tutym času wuwiwaše so jeho sylny zajim za serbsku rěč a kulturu. Runočasnje wuknješe jendźelsce, francosce, rusce a čěsce. Hižo 1890 přistupi B. serbskej wědomostno-kulturelnej towaršnosći Maćica Serbska a nawjedowaše w njej ludohospodarski wotrjad. 1892 nawróći so do Brězynki, zo by staršisku žiwnosć přewzał. Krótko po tym zesylni swoje aktiwity w serbskim a regionalnym towarstwowym žiwjenju. B. bě sobuzałožer (1893) serbskeho towarstwa a burskeho dźiwadła w Chwaćicach, Chwačanskeho a Malešanskeho wupožčowanskeho a nalutowanskeho towarstwa, gmejnski předsyda w Brězynce (1899) a zastupjer burow w Hornjołužiskim prowincialnym sejmje. Hdyž so kónc 19. lětstotka prócowanja Serbow wo organizatoriske zjednoćenje zesylnichu, bě B. pjerowodźacy. 1898 wozjewi w časopisu „Łužica“ swój program za zjednoćenje serbskeho narodneho hibanja. Prěni pospyt k tomu zwrěšći 1899. Tola 1912 załoži so skónčnje pod B.owym předsydstwom Domowina jako třěšny zwjazk serbskich towarstwow. – W měrcu 1911 wuzwoli so B. z wulkej wjetšinu hłosow do Sakskeho krajneho sejma, hdźež so konserwatiwnej frakciji jako hospitant přizamkny. W krajnym sejmje zastupowaše narodne prašenja Serbow, při čimž steješe za njeho šulstwo w srjedźišću. Rozsudźacy wuspěch w tutej naležnosći pak so jemu hač do 1918 njeporadźi. – Na kóncu Prěnjeje swětoweje wójny přimaše so B. znowa potłóčenych narodnych žadanjow, zo by je na dnjowy porjad politiki stajił. Dnja 5.11.1918 wuradźowachu w Druhej komorje Sakskeho krajneho sejma wo nowej knježerstwowej reformje. B. wuži rewolucionarne změny - zhromadnje ze swojim serbskim frakciskim kolegu Michałom Janom Koklu - za přičinu, saksku šulsku politiku napřećo Serbam kritizować. 13.11.1918, na dnju wotstupa sakskeho krala Friedricha Augusta III., konstituowaše so Serbski narodny wuběrk jako nawjedowacy gremij serbskeho narodneho hibanja z B. na čole. Žadanja narodneho wuběrka měrjachu so na wutworjenje awtonomnych strukturow za serbske wobydlerstwo w Němskej. Tak mějachu so Serbam cyrkwinske, šulske, hospodarske a politiske samorjadowanje a kulturelna samostatnosć přizwolić. Dokelž so wot němskeje strony tajke žadanja zwjetša ignorowachu, dóńdźe k radikalizaciji serbskeho hibanja. Spočatk 1919 wupraji so narodny wuběrk prěni raz za to, Łužicu pak nowonastatej Čěskosłowakskej přirjadować abo samostatny „Łužisko-serbski stat“ załožić. Serbske prašenje so woprawdźe na měrowej konferency we Versaillesu (Francoska) wobjednawaše, na kotruž běše sej B. z jednym z jeho sobuwojowarjow, Janom Brylom, dojěł. B. žadaše sej po Wilsonowej koncepciji wo prawach na samopostajenje ludow tež za Serbow njewotwisnosć a awtonomiju. Tola jeničce z čěskeje delgacije dósta za swoje zaměry wobmjezowanu podpěru. W pisomnych zakónčacych dokumentach w juniju 1919 podpisaneho Versailleskeho měroweho zrěčenja njebuchu Serbja ani naspomnjeni. We Łužicy bě so we Wuběrku saksoswěrnych Serbow hižo wulka wjetšina přećiwo separatizmej organizowała. Tute zjednoćenstwo wuwiwaše - najprjedy w kooperaciji z měšćanskimi radami sakskeje Hornjeje Łužicy, wosebje města Budyšina, pozdźišo zhromadnje ze wšěmi štyrjomi stronami w Budyskej kónčinje - swójske aktiwity. Při tym so wažne etniske žadanja narodneho wuběrka wobkedźbowachu, zo by so dalšemu radikalizowanju hibanja za serbsku awtonomiju zadźěwało. Tež sakski kultusowy minister wupraji so ke koncesijam zwólniwy. To wjedźeše skónčnje we Weimarskej republice k polěpšenjam w ludowym šulstwje kaž tež w cyrkwi dwurěčneje Łužicy. – B. zaja so 2.10.1919 na zakładźe swojeho wustupowanja na Versailleskej měrowej konferency při přestupjenju hranicy do Němskeje. Mócnarske sudnistwo w Lipsku zasudźi jeho dnja 21.1.1920 dla „pospytaneje krajneje přerady“ a „naškaranja k pospytnemu pašowanju listow“ k třom lětam jastwa w twjerdźiznje. Zasudźenje wubudźi wichorojty protest w čěskosłowakskim parlamenće kaž tež w europskim nowinarstwje, wosebje w Francoskej a Juhosłowjanskej. Sylne mjezynarodne reakcije wjedźechu k tomu, zo so B. na doporučenje Wonkowneho ministerstwa hižo w septembru 1920 po dźewjeć měsacach z jastwa pušći. – B. wosta tež w přichodnych lětach w narodnostnych prašenjach aktiwny. Do 1927 skutkowaše jako předsyda Domowiny, při čimž wón mj. dr. z natwarom Serbskeje ludoweje banki jeje ekonomisku bazu sylnješe. Jako zapósłanc krajneho sejma a předsyda Domowiny zastupowaše ze swojej křesćansko-socialnej zmyslenosću předewšěm zajimy serbskich dźěłaćerjow a małoburow. Wón kritizowaše mj. dr. zaměrny wotkup małych burskich kubłow přez wulkoagrarnikow. W tym widźeše słabjenje burskeho stawa, po jeho měnjenju zakładneho stołpa serbskeho etnikuma. – 1930 warnowaše B. składnostnje wopyta Adolfa Hitlera w Budyšinje před nacionalsocializmom, dokelž tute hibanje měr mjez ludami wohrožowaše. W aprylu 1933 bu B. zhromadnje z druhimi serbskimi protagonistami wjacore tydźenje zajaty. Wospjet přewjedźechu pola njeho přepytowanja bydlenja. Hač do 1945 steješe stajnje pod wobkedźowanjom Gestapo. Po Druhej swětowej wójnje sćěhowaše B. znowa so wožiwjace serbske narodne hibanje a bój Serbow wo awtonomiju a narodnu runoprawosć. Hač doposledka zasadźowaše so za serbske naležnosće a njeboješe so, tež nowych mócnarjow w narodnoprawniskich prašenjach kritizować.

Literatur H. Zwahr, Arnošt B.-Brězynčanski 1870-1956, Bautzen 1970, 21981; J. Šołta/H. Zwahr, Geschichte der Sorben, Bd. 2: Von 1789 bis 1917, Bautzen 1974; F. W. Remes, Die Sorbenfrage 1918/19, Bautzen 1993; T. Meškank, Kultur besteht - Reich vergeht, Berlin 2000; P. Schurmann, Die Sorbenfrage als Politikum, in: E. Pech/D. Scholze (Hg.), Zwischen Zwang und Beistand, Bautzen/Dresden 2003, S. 151-183.

Porträt Fotografie, Sorbisches Institut Bautzen, Sorbisches Kulturarchiv (Bildquelle).

Edmund Pech
30.1.2014


Empfohlene Zitierweise:
Edmund Pech, Artikel: Arnošt Bart (Ernst Barth),
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10805 [Zugriff 2.11.2024].