Erich Kotte
K. bestand 1907 an der Fürstenschule St. Afra in Meißen das Abitur. Das Jurastudium in Leipzig schloss er 1911 mit der ersten juristischen Staatsprüfung ab. Unmittelbar nach der zweiten juristischen Staatsprüfung 1915 wurde er zum Militärdienst eingezogen und 1919 als Leutnant der Reserve entlassen. 1920 trat er als juristischer Hilfsarbeiter in das Evangelisch-Lutherische Landeskonsistorium zu Dresden ein und wurde 1923 als Landeskonsistorialrat dessen Mitglied. 1927 erfolgte die Ernennung zum Geheimen Konsistorialrat. In den Auseinandersetzungen der 1920er-Jahre zwischen dem Freistaat Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche um die ihr zustehenden Staatsleistungen hatte K. wesentlichen Anteil am positiven Ausgang für die kirchliche Seite. – Einschneidende Veränderungen erfuhr K.s Lebensweg in der Zeit des Nationalsozialismus. Der sächsische Innenminister Karl Fritsch setzte am 30.6.1933 mit der „Verordnung zur Behebung des Notstandes im kirchlichen Leben der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens“ als Landesbischof den nationalsozialistischen Pfarrer Friedrich Coch ein und übertrug ihm gleichzeitig auch die Funktionen aller anderen Verfassungsorgane der Landeskirche. Am 1.7.1933 beurlaubte Coch K., wie viele ihm politisch missliebige Superintendenten, Pfarrer und Kirchenbeamte, zwangsweise. Als der sächsische Innenminister Karl Fritsch allerdings am 14.7.1933 seine Verordnung vom 30.6. aufhob, nahm Coch noch am selben Tag die von ihm ausgesprochenen Beurlaubungen zurück. Doch bereits im Oktober 1933 versuchten K.s Gegner erneut, ihn wegen seiner grundsätzlichen Voten gegen die von nationalsozialistischer Ideologie geprägte deutschchristliche Kirchenpolitik zwangsweise in den Ruhestand zu versetzen. Daraufhin gab K. Ende 1933 den Dienst im Landeskirchenamt auf und trat 1934 der Bekennenden Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens bei. Er wurde juristischer Beirat und später Mitglied des sächsischen Landesbruderrats. K. war maßgeblich an der Ausprägung des 1934 proklamierten kirchlichen Notrechts für Sachsen beteiligt und beriet die Mitglieder der Bekennenden Kirche Sachsens in ihren Auseinandersetzungen mit dem deutschchristlichen Kirchenregiment. – Ende 1935 setzte der Landeskirchenausschuss K. ab März 1936 als präsidialen Leiter des Landeskirchenamts ein. Nachdem jedoch der Landeskirchenausschuss am 9.8.1937 von Oberkirchenrat Johannes Klotsche mit Waffengewalt aus dem Landeskirchenamt vertrieben worden war, sah sich K. zur Fortsetzung seines Diensts in diesem Amt nicht mehr in der Lage. Das daraufhin gegen K. eingeleitete Disziplinarverfahren endete 1940 mit seiner Versetzung in den Wartestand wegen Gehorsamsverweigerung und Amtspflichtverletzung. Aufgrund seiner Tätigkeit für die Bekennende Kirche wurde K. mehrfach verhaftet. – Mit dem Nationalsozialismus endete auch das deutschchristliche Kirchenregiment. K. übernahm im Mai 1945 erneut die Leitung des Landeskirchenamts und löste am 30.5. die Finanzabteilung beim Landeskirchenamt auf, die auf die Vertreibung des Landeskirchenausschusses planmäßig hingewirkt hatte. Gemeinsam mit dem zum Landessuperintendenten ernannten Dresdner Pfarrer Franz Lau leitete er die Wiedererrichtung eines legitimen Kirchenregiments in die Wege. K. wurde 1947 von der landeskirchlichen Entnazifizierungskommission und 1948 von der Landessynode in seinem Amt bestätigt. Mit Inkrafttreten der neuen Kirchenverfassung 1950 führte er als Leiter des Landeskirchenamts die Amtsbezeichnung Präsident. Die Wertschätzung seiner theologischen Kenntnisse und seines Einsatzes für die Landeskirche manifestierte sich 1949 in der Verleihung der theologischen Ehrendoktorwürde durch die Universität Leipzig. – Auch außerhalb der sächsischen Landeskirche bekleidete K. wichtige Funktionen: 1946 wurde er Mitglied des Nachprüfungsgerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland und 1948 der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Zudem war er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1957 Mitglied der Synoden der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche. 1958 übernahm er das Amt des Vizepräsidenten des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. 1957 wurde K. Domherr des Kollegialstifts Wurzen. – K. gehörte zu jenen Juristen, deren Fachkompetenz in Fragen der Kirchenverfassung der Bekennenden Kirche ebenso unentbehrlich war wie ihre Hilfestellung für Einzelne in disziplinarischen Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zu anderen Kirchenjuristen der Bekennenden Kirche fiel K. nicht der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer, erlitt allerdings große materielle Einbußen, Schikanen und Verhaftungen. Seine Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen mit Deutschen Christen und Nationalsozialisten brachte K. in den kirchlichen Neuaufbau nach dem Krieg ein. Zu K.s bleibenden Verdiensten gehört die zügige Neuorganisation des Landeskirchenamts und seiner nachgeordneten Dienststellen.
Quellen Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, hrsg. von C. Nicolaisen/N. A. Schulze, 2 Bde., Göttingen 1995-1997; Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Best. 5, Kirchenkampfsammlung, Best. 13, Handakten Erich K., Best. 36, Kirchenkampfdokumentation der Bekennenden Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11376 Landesregierung Sachsen, Ministerpräsident.
Literatur G. Fuß, Altpräsident Geheimrat D. Erich K. †, in: Der Sonntag 16/1961, Nr. 51; H. Hahn, Kämpfer wider Willen. Erinnerungen des Landesbischofs D. Hugo Hahn aus dem Kirchenkampf 1933-1945, hrsg. von G. Prater, Metzingen 1969; J. Fischer, Die sächsische Landeskirche im Kirchenkampf 1933-1937, Halle/Saale 1972; H. Klemm, Im Dienst der Bekennenden Kirche, Göttingen 1986; D. Auerbach, Evangelisches Sachsen, Leipzig 1999; M. Hein, Die sächsische Landeskirche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945-1948), Leipzig 2002. – DBA III; BBKL, Bd. 24, Nordhausen 2005, Sp. 966-968 (Online-Ausgabe: www.bautz.de/bbkl/).
Porträt Erich K., W. Rudolph, 1957, Ölgemälde, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Dresden (Bildquelle).
Carlies Maria Raddatz
7.6.2006
Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz, Artikel: Erich Kotte,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9167 [Zugriff 22.12.2024].
Erich Kotte
Quellen Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, hrsg. von C. Nicolaisen/N. A. Schulze, 2 Bde., Göttingen 1995-1997; Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Best. 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Best. 5, Kirchenkampfsammlung, Best. 13, Handakten Erich K., Best. 36, Kirchenkampfdokumentation der Bekennenden Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11376 Landesregierung Sachsen, Ministerpräsident.
Literatur G. Fuß, Altpräsident Geheimrat D. Erich K. †, in: Der Sonntag 16/1961, Nr. 51; H. Hahn, Kämpfer wider Willen. Erinnerungen des Landesbischofs D. Hugo Hahn aus dem Kirchenkampf 1933-1945, hrsg. von G. Prater, Metzingen 1969; J. Fischer, Die sächsische Landeskirche im Kirchenkampf 1933-1937, Halle/Saale 1972; H. Klemm, Im Dienst der Bekennenden Kirche, Göttingen 1986; D. Auerbach, Evangelisches Sachsen, Leipzig 1999; M. Hein, Die sächsische Landeskirche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945-1948), Leipzig 2002. – DBA III; BBKL, Bd. 24, Nordhausen 2005, Sp. 966-968 (Online-Ausgabe: www.bautz.de/bbkl/).
Porträt Erich K., W. Rudolph, 1957, Ölgemälde, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens, Dresden (Bildquelle).
Carlies Maria Raddatz
7.6.2006
Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz, Artikel: Erich Kotte,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9167 [Zugriff 22.12.2024].