Elias Gerlach
G. gehörte dem evangelischen Kantorenstand des 16. Jahrhunderts an, dessen Vertreter aufgrund ihrer soliden Ausbildung in der Regel eigenständig zu komponieren in der Lage waren und als Chorleiter und Schullehrer eine geachtete Stellung innehatten. Ungewöhnlicher Weise gab G. seinen Beruf jedoch auf und wurde Schankwirt. Als freischaffender Komponist verfasste er während dessen beachtliche Werke, der Durchbruch zu einem wirklich bedeutenden Klangmeister seiner Zeit gelang ihm jedoch nicht. – Den Colditzer Kirchenbüchern zufolge wurde G. 1560 ebendort geboren und nicht in Borna, wie im Lexikon von Robert Eitner verzeichnet ist, wo beide Einträge über einen Kantor Elias Gerlach auf ein und dieselbe Person zu beziehen sind. 1575 bis 1581 besuchte er die Grimmaer Fürstenschule und plante offenbar schon in dieser Zeit, ein Studium an der Universität Leipzig aufzunehmen. Trotz eines Eintrags in die Leipziger Matrikel 1577 kam es aber wohl nicht dazu. Jedenfalls trat er am 13.9.1581 das Kantorenamt in seiner Geburtsstadt Colditz an. Vielleicht wegen eines etwas schwierigen Charakters und auch körperlicher Schwächen wechselte G. im Anschluss mehrfach seine Dienststellen. So wurde er 1589 in Colditz entlassen, weil er unbescheiden und hochmütig gewesen sein soll. Bis Mitte 1590 wohnte G. nachweislich noch in Colditz, bevor er möglicherweise zu Verwandten seiner Frau nach Borna zog, wo er 1591 eine Patenschaft übernahm. Am 2.4.1593 fand G. eine neue Anstellung als 4. Lehrer und Kantor der Afrakirche an der Fürstenschule St. Afra in Meißen. U.a. wegen seiner Eigenmächtigkeiten sowie der Disziplinlosigkeit der Schüler kam er hier erneut in Schwierigkeiten, sodass er am 2.8.1602 freiwillig kündigte. 1603 bis 1605 erscheint er in den Torgauer Kantoreiakten und war damals nachweislich Lehrer am Torgauer Lyceum. 1605 kündigte er dort aber wegen körperlicher Gebrechen den Schuldienst und zog zurück nach Meißen. Spätestens jetzt übernahm er die dortige Domschänke und verdiente fortan seinen Lebensunterhalt als Wirt. Gleichzeitig begann er damals auch verstärkt zu komponieren. Schon 1604 hatte er, noch von Torgau aus, eine zehnstimmige Motette (Psalm 128) anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen Johann Georg (I.) nach Dresden geschickt. Damals nannte er sich im Begleitschreiben noch „Musikstudierender“. G.s wichtigste Komposition war aber wohl die Johannes-Historia von 1612. Bemerkenswert und äußerst ungewöhnlich ist an diesem Werk, dass G. die biblischen Berichte über Johannes den Täufer als Textgrundlage für eine Historia verwandte, während üblicherweise allein die biblischen Weihnachts-, Passions- und Oster-, selten die Texte zu Pfingsten die Grundlage für Historienkompositionen bildeten. – Da keines von G.s Werken zu seiner Zeit gedruckt wurde, fanden diese nur begrenzte Verbreitung und auch die Manuskripte seiner Werke gingen bis auf zwei Ausnahmen verloren. Als man sich aber Ende des 19. Jahrhunderts wieder verstärkt der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts zuwandte, geriet auch G. in das Blickfeld der Musikwissenschaftler. Diese kritisierten allerdings, dass G. die von Italien ausgehende musikalische Stilwende seiner Zeit nicht aufgenommen habe. Damals begann man in Italien, die streng geregelte polyphone Mehrstimmigkeit zunehmend durch eine affektbetonte Musik zu ersetzen, die von den Satzaußenstimmen (Sopran und Bass) dominiert wird. Um diesen Stilwandel mit zu vollziehen, hätte G. wie Heinrich Schütz oder Hans Leo Haßler nach Italien reisen müssen, um dort seine Fähigkeiten zu vervollkommnen, was ihm aber nicht möglich war. So konnte sich G. nur an damaligen regionalen Vorbildern orientieren, wie z.B. den Dresdner Hofkapellmeistern Rogier Michael und Antonio Scandello, die keinesfalls zu den Vorreitern des neuen Stils gehörten, während Schütz erst etwas später nach Dresden kam. G. blieb demgegenüber der alten Zeit mit deren Klangidealen verhaftet und seine durchaus sichtbaren Versuche, in seiner Musik moderne Wege einzuschlagen, wirken zaghaft und unfertig. Walter Blankenburg bescheinigt G. immerhin, dass seine Johannes-Historia den Vergleich mit ähnlichen Werken wie denen von Scandello und Michael nicht fürchten müsse.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10036 Finanzarchiv, Loc. 12050/12; Archiv der ev. Kirchgemeinde Colditz, Kirchbücher 1554-1620, Großes Kantoreibuch (ab 1588); Universitätsarchiv Leipzig, Matrikelbuch Wintersemester 1577; Archiv der Kirchgemeinde St. Afra Meißen, Bestattungsbuch 1619-1657; Archiv der ev. Kirchgemeinde Torgau, Straffregister der Cantorey, angefangen den 7. Sonntag nach Trinitatis Anno Christi 1599; Stadtarchiv Torgau, Ratsprotokoll 1605, H 733, Walpurgisrechnungen H 2792, H 2793; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Mscr. Dresd. M 261. – Johann David Schreber, Vita clarissimi viri Georgii Fabricii Chemnicensis ..., Leipzig 1717; Johann Kamprad, Leisnigker Chronika oder Beschreibung der sehr alten Stadt Leisnigk …, Leisnig 1753; Johann August Müller, Versuch einer vollständigern Geschichte der Chursächsischen Fürsten- und Landesschule zu Meissen, Bd. 2, Leipzig 1789; Christian Gottlob Lorenz, Grimmenser-Album. Verzeichniss sämmtlicher Schüler der Königlichen Landesschule zu Grimma von ihrer Eröffnung bis zur dritten Jubelfeier, Grimma 1850; Die jüngere Matrikel der Universität Leipzig, hrsg. von Georg Erler, Bd. 1, Leipzig 1909, S. 132.
Werke Vokalmusik: Psalm 128, „Beati omnes …“, Torgau 1604 [Ms. Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10036 Finanzarchiv, Loc. 12050/12, Elias G. aus Colditz, zehnstimmiger Hochzeitsgesang für 2 Chöre, anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen Johann Georg I. von Sachsen mit Sibylle Elisabeth von Württemberg]; Weihnachtskomposition, 1611 (verschollen); Die Historia vom Christlichen Lauff vnd dem Seeligen Ende Johannis des Teuffers, 1612, in: Handbuch der deutschen evangelischen Kirchenmusik, Bd. 1, H. 3, S. 141-144, H. 4, S. 131-150, hrsg. von Konrad Ameln, Göttingen 1938; gesenge für die Stadt Naumburg (verschollen). – Schriften: Cornelius Schonaeus, Triumphus Christi. Das ist Die historia von der Sieghafften Aufferstehung Jesu Christi von den Todten …, Dresden 1606 (Übersetzung aus dem Lateinischen) [Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Mscr. Dresd. M 261].
Literatur Ferdinand Bellger, Historische Beschreibung der Stadt Colditz …, Leipzig 1832; Johannes Rautenstrauch, Luther und die Pflege der kirchlichen Musik in Sachsen, Leipzig 1907, S. 463; Reinhard Vollhardt, Geschichte der Cantoren und Organisten von den Städten im Königreich Sachsen, Berlin 1899; Arnold Schering, Geschichte des Oratoriums, Leipzig 1911; Arno Werner, Die alte Musikbibliothek und die Instrumentensammlungen von St. Wenzel zu Naumburg, in: Archiv für Musikwissenschaft 8/1927, H. 4, S. 390-415; Wolfgang Matthäus, Die Evangelienhistorie von Johann Walther bis Heinrich Schütz, Diss. Frankfurt/Main 1942 [Ms.]; Walter Blankenburg, Historia, in: MGG 6, 1957, Sp. 480; Robert Koch, Elias Gerlach aus Colditz - Kantor, Komponist und Domschänkenwirt. Datensammlung und Versuch einer Biografie, Colditz 2013 [Ms.]; ders., Elias Gerlach (1560-1628). Auf der Suche nach einem vergessenen Colditzer Komponisten, in: Sächsische Heimatblätter 62/2016, H. 1, S. 7-13. – DBA I; Robert Eitner, Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten der christlichen Zeitrechnung bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, Bd. 4, Leipzig 1901, S. 207f.
Robert Koch
17.11.2020
Empfohlene Zitierweise:
Robert Koch, Artikel: Elias Gerlach,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27717 [Zugriff 7.11.2024].
Elias Gerlach
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10036 Finanzarchiv, Loc. 12050/12; Archiv der ev. Kirchgemeinde Colditz, Kirchbücher 1554-1620, Großes Kantoreibuch (ab 1588); Universitätsarchiv Leipzig, Matrikelbuch Wintersemester 1577; Archiv der Kirchgemeinde St. Afra Meißen, Bestattungsbuch 1619-1657; Archiv der ev. Kirchgemeinde Torgau, Straffregister der Cantorey, angefangen den 7. Sonntag nach Trinitatis Anno Christi 1599; Stadtarchiv Torgau, Ratsprotokoll 1605, H 733, Walpurgisrechnungen H 2792, H 2793; Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Mscr. Dresd. M 261. – Johann David Schreber, Vita clarissimi viri Georgii Fabricii Chemnicensis ..., Leipzig 1717; Johann Kamprad, Leisnigker Chronika oder Beschreibung der sehr alten Stadt Leisnigk …, Leisnig 1753; Johann August Müller, Versuch einer vollständigern Geschichte der Chursächsischen Fürsten- und Landesschule zu Meissen, Bd. 2, Leipzig 1789; Christian Gottlob Lorenz, Grimmenser-Album. Verzeichniss sämmtlicher Schüler der Königlichen Landesschule zu Grimma von ihrer Eröffnung bis zur dritten Jubelfeier, Grimma 1850; Die jüngere Matrikel der Universität Leipzig, hrsg. von Georg Erler, Bd. 1, Leipzig 1909, S. 132.
Werke Vokalmusik: Psalm 128, „Beati omnes …“, Torgau 1604 [Ms. Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10036 Finanzarchiv, Loc. 12050/12, Elias G. aus Colditz, zehnstimmiger Hochzeitsgesang für 2 Chöre, anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen Johann Georg I. von Sachsen mit Sibylle Elisabeth von Württemberg]; Weihnachtskomposition, 1611 (verschollen); Die Historia vom Christlichen Lauff vnd dem Seeligen Ende Johannis des Teuffers, 1612, in: Handbuch der deutschen evangelischen Kirchenmusik, Bd. 1, H. 3, S. 141-144, H. 4, S. 131-150, hrsg. von Konrad Ameln, Göttingen 1938; gesenge für die Stadt Naumburg (verschollen). – Schriften: Cornelius Schonaeus, Triumphus Christi. Das ist Die historia von der Sieghafften Aufferstehung Jesu Christi von den Todten …, Dresden 1606 (Übersetzung aus dem Lateinischen) [Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Mscr. Dresd. M 261].
Literatur Ferdinand Bellger, Historische Beschreibung der Stadt Colditz …, Leipzig 1832; Johannes Rautenstrauch, Luther und die Pflege der kirchlichen Musik in Sachsen, Leipzig 1907, S. 463; Reinhard Vollhardt, Geschichte der Cantoren und Organisten von den Städten im Königreich Sachsen, Berlin 1899; Arnold Schering, Geschichte des Oratoriums, Leipzig 1911; Arno Werner, Die alte Musikbibliothek und die Instrumentensammlungen von St. Wenzel zu Naumburg, in: Archiv für Musikwissenschaft 8/1927, H. 4, S. 390-415; Wolfgang Matthäus, Die Evangelienhistorie von Johann Walther bis Heinrich Schütz, Diss. Frankfurt/Main 1942 [Ms.]; Walter Blankenburg, Historia, in: MGG 6, 1957, Sp. 480; Robert Koch, Elias Gerlach aus Colditz - Kantor, Komponist und Domschänkenwirt. Datensammlung und Versuch einer Biografie, Colditz 2013 [Ms.]; ders., Elias Gerlach (1560-1628). Auf der Suche nach einem vergessenen Colditzer Komponisten, in: Sächsische Heimatblätter 62/2016, H. 1, S. 7-13. – DBA I; Robert Eitner, Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten der christlichen Zeitrechnung bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, Bd. 4, Leipzig 1901, S. 207f.
Robert Koch
17.11.2020
Empfohlene Zitierweise:
Robert Koch, Artikel: Elias Gerlach,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27717 [Zugriff 7.11.2024].