Caspar Cruciger der Jüngere
Der Sohn des Wittenberger Reformators Caspar Cruciger d.Ä. wurde im Wintersemester 1532/33 an der Universität in Wittenberg, der sog. Leucorea, immatrikuliert. Der zu diesem Zeitpunkt erst siebenjährige C. wird als Erster in der Matrikel aufgeführt, konnte jedoch aufgrund seines Alters das Studium erst einige Jahre später tatsächlich aufnehmen. An der Leucorea wurde Philipp Melanchthon zu einem seiner wichtigsten Lehrer und Vorbilder. Das Studium der Artes schloss C. mit dem Magistergrad ab und wandte sich daraufhin der Theologie zu. Daneben hielt er seit 1556 Vorlesungen an der Artistenfakultät, so über Ovids „Metamorphosen“ und Ciceros „De officiis“. 1557 wurde ihm die Professur für Ethik übertragen. Nach dem Tod Melanchthons im April 1560 und einer interimistischen Besetzung seiner Vorlesungen für einige Monate plante die Universität, C. als Nachfolger des Reformators einzusetzen. Nach Aussage
Caspar Peucers, des Schwiegersohns Melanchthons, hatte dieser selbst kurz vor seinem Tod den Wunsch geäußert, seine zahlreichen Lektionen nicht aufzuteilen, sondern sie in ihrer Gesamtheit C. zu übertragen. Dies verdeutlicht das enge Verhältnis zwischen C. und seinem Lehrer sowie die intendierte Kontinuität der Melanchthonschen Lehre an der Wittenberger Universität. Die Leucorea unterstützte den Vorschlag und lobte in diesem Zusammenhang die Begabung C.s und seine Befähigung für diese Aufgabe. Kurfürst August von Sachsen befürwortete das Vorhaben grundsätzlich, nahm aber Einschränkungen vor. So sollte C. nur einen Teil der Lektionen übernehmen und darüber hinaus vorher den theologischen Doktorgrad erwerben. 1561 wurde C. zunächst lediglich zum Lizentiaten der Theologie promoviert, seine Doktorprüfung wurde wegen der Kosten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Vorlesungen an der Theologischen Fakultät hielt er bereits; seine offizielle Aufnahme in diese höhere Fakultät erfolgte 1569. Neben C. wurden die philippistisch gesinnten Theologen Christoph Pezel und
Heinrich Moeller auf Professuren berufen. Ein Jahr danach erwarb C. gemeinsam mit weiteren Kandidaten, unter ihnen Friedrich Widebram, den theologischen Doktorgrad. Im Sommersemester 1571 übernahm er mit dem Rektorat das höchste Amt der Universität, nachdem er bereits im Wintersemester 1564/65 das Prorektorat innegehabt hatte. – In seinen theologischen Ansichten war C. stark von seinem Lehrer Melanchthon geprägt. Er zählte zu den wichtigsten Vertretern des sog. Philippismus an der Leucorea und war direkt an den konfessionspolitischen Auseinandersetzungen der 1560er- und 1570er-Jahre beteiligt. Er gehörte neben anderen kursächsischen Theologen und Universitätsprofessoren zu den Verfassern des „Endlichen Berichts“, der sich gegen die Flacianer wandte. Diese konfessionellen Konflikte führten 1574 zur Krise des Philippismus in Kursachsen, von der auch C. betroffen war. Er verweigerte die Unterschrift unter die „Torgauer Artikel“ und verlor seine Professur an der Wittenberger Universität. Nach einer kurzzeitigen Inhaftierung in Leipzig musste er Wittenberg verlassen und hielt sich zwei Jahre lang in Merseburg auf, bevor er 1576 endgültig aus Kursachsen verwiesen wurde. C. wandte sich zunächst in das Territorium des Grafen
Johann VI. des Älteren von Nassau-Dillenburg, welcher kurze Zeit danach auch seinen Wittenberger Mitstreiter Pezel an seinen Hof holte. Dann berief Landgraf
Wilhelm IV. C. als Lehrer des Prinzen
Moritz an den Kasseler Hof. Später wurde C. Pfarrer und Vorsitzender des geistlichen Konsistoriums in Kassel. Die Landgrafschaft Hessen-Kassel verfolgte in diesen Jahren hinsichtlich des reformierten Bekenntnisses einen religionspolitisch offenen Kurs. Einen Ruf der calvinistischen Universität Leiden lehnte C. aber ab. Er blieb zeitlebens der philippistischen Tradition verbunden. Unter dem Nachfolger des sächsischen Kurfürsten August, Christian I., der zwischen 1586 und 1591 Schritte in Richtung Calvinismus unternahm, gab es Überlegungen, C. von neuem in das albertinische Territorium zu berufen. So wurde sein Name neben den Pezels auf eine Liste von Kandidaten für eine theologische Professur in Wittenberg gesetzt. Keiner der beiden Theologen kehrte jedoch nach Kursachsen zurück. C. wirkte bis zu seinem Tod in Kassel.
Quellen Scriptorvm pvblice propositorvm a gvbernatoribvs studiorum in Academia Witebergensi, [T. 2-4], Wittenberg 1561-1568; C. E. Foerstemann (Hg.), Liber Decanorum Facultatis Theologicae Academiae Vitebergensis, Leipzig 1838; ders. (Hg.), Album Academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque ad a. MDLX, [Bd. 1], Leipzig 1841; O. Hartwig (Hg.), Album Academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque ad a. MDCII, volumen secundum [Bd. 2], Halle 1894; N. Müller (Hg.), Philipp Melanchthons letzte Lebenstage, Leipzig 1910; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimer Rat (Geheimes Archiv).
Werke Oratio Habita in academia Witebergensi a magistro Casparo Crucigero Decano Collegij Philosophici ..., Wittenberg 1560; Propositiones de qvibvs Deo ivvante pvblice respondebit ..., Wittenberg 1561; In epistolam Pavli ad Romanos scriptam commentarivs..., Wittenberg 1567; u.a., Endlicher Bericht und Erklerung der Theologen beider Universiteten, Leipzig und Wittemberg, Auch der Superintendenten der Kirchen in des Churfürsten zu Sachsen Landen ..., Wittenberg 1570; Propositiones theologicae repetentes ..., Wittenberg 1570; Propositiones theologicae de vsitates ac receptis in ecclesia definitionibvs, cum peccati in genere ..., Wittenberg 1571; In libros, titvlo theologiae calvinisticae a Conrado Schlvsselbergio ..., Bremen 1592.
Literatur J. C. Erdmann, Lebensbeschreibungen und litterarische Nachrichten von den Wittenbergschen Theologen seit der Stiftung der Universitaet 1502, bis zur dritten hundertjaehrlichen Saekularfeyer 1802, Wittenberg 1804; W. Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle 1917; E. Koch, Der kursächsische Philippismus und seine Krise in den 1560er und 1570er Jahren, in: H. Schilling (Hg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland, Gütersloh 1986, S. 60-77; H.-P. Hasse, Zensur theologischer Bücher in Kursachsen im konfessionellen Zeitalter, Leipzig 2000. – ADB 4, S. 622f.; DBA I, II; III; DBE 2, S. 405; NDB 3, S. 428; A. Hauck (Hg.), Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 4, Leipzig 31898, S. 344; C. G. Joecher (Hg.), Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bd. 1, Leipzig 1775 (ND Hildesheim 1960), Sp. 2226.
Ulrike Ludwig
18.1.2006
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Ludwig, Artikel: Caspar Cruciger der Jüngere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1076 [Zugriff 7.12.2024].
Caspar Cruciger der Jüngere
Quellen Scriptorvm pvblice propositorvm a gvbernatoribvs studiorum in Academia Witebergensi, [T. 2-4], Wittenberg 1561-1568; C. E. Foerstemann (Hg.), Liber Decanorum Facultatis Theologicae Academiae Vitebergensis, Leipzig 1838; ders. (Hg.), Album Academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque ad a. MDLX, [Bd. 1], Leipzig 1841; O. Hartwig (Hg.), Album Academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque ad a. MDCII, volumen secundum [Bd. 2], Halle 1894; N. Müller (Hg.), Philipp Melanchthons letzte Lebenstage, Leipzig 1910; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimer Rat (Geheimes Archiv).
Werke Oratio Habita in academia Witebergensi a magistro Casparo Crucigero Decano Collegij Philosophici ..., Wittenberg 1560; Propositiones de qvibvs Deo ivvante pvblice respondebit ..., Wittenberg 1561; In epistolam Pavli ad Romanos scriptam commentarivs..., Wittenberg 1567; u.a., Endlicher Bericht und Erklerung der Theologen beider Universiteten, Leipzig und Wittemberg, Auch der Superintendenten der Kirchen in des Churfürsten zu Sachsen Landen ..., Wittenberg 1570; Propositiones theologicae repetentes ..., Wittenberg 1570; Propositiones theologicae de vsitates ac receptis in ecclesia definitionibvs, cum peccati in genere ..., Wittenberg 1571; In libros, titvlo theologiae calvinisticae a Conrado Schlvsselbergio ..., Bremen 1592.
Literatur J. C. Erdmann, Lebensbeschreibungen und litterarische Nachrichten von den Wittenbergschen Theologen seit der Stiftung der Universitaet 1502, bis zur dritten hundertjaehrlichen Saekularfeyer 1802, Wittenberg 1804; W. Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle 1917; E. Koch, Der kursächsische Philippismus und seine Krise in den 1560er und 1570er Jahren, in: H. Schilling (Hg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland, Gütersloh 1986, S. 60-77; H.-P. Hasse, Zensur theologischer Bücher in Kursachsen im konfessionellen Zeitalter, Leipzig 2000. – ADB 4, S. 622f.; DBA I, II; III; DBE 2, S. 405; NDB 3, S. 428; A. Hauck (Hg.), Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 4, Leipzig 31898, S. 344; C. G. Joecher (Hg.), Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bd. 1, Leipzig 1775 (ND Hildesheim 1960), Sp. 2226.
Ulrike Ludwig
18.1.2006
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Ludwig, Artikel: Caspar Cruciger der Jüngere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1076 [Zugriff 7.12.2024].