Johann Friedrich Carl Teichert
T. war der erste Produzent der „Meißner Patentkachel“ und mit der ersten Meißner Ofenfabrik Begründer der weltbekannten Meißner Ofenindustrie. – T. war vermutlich wie auch sein 1832 geborener Bruder Ernst ein Findel- oder Waisenkind und wuchs als Sohn eines Schmiedemeisters in Bobersberg (poln. Bobrowice) heran. Nach dem Tod des Vaters wurde T. gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Ernst zu Verwandten in Bobersberg gegeben; vermutlich zu dem aus Radeburg stammenden Töpfermeister und Bobersberger Stadtverordneten
Johann Gottlob Kurzreiter, denn dieser legte 1854 die Verwaltungsgebühren für T.s Entlassung aus dem Untertanenverband des Königreichs Preußen aus. Bei diesem erlernte T. den Beruf eines Töpfers. Als er als wandernder Töpfergeselle im März 1853 in Meißen eintraf, hatte er seinen dreijährigen Militärdienst sowie eine mindestens drei Jahre währende Wanderschaft erfüllt. Er arbeitete in der Töpferei
Juliane Wilhelmine Voigts, der Witwe des 1850 verstorbenen Töpfermeisters
Carl Leberecht Voigt, als Werkführer, wahrscheinlich, weil sich deren Sohn selbst noch auf Wanderschaft befand. T. verlobte sich mit deren Tochter
Marie Amalie und erwartete ein Kind mit dieser. Folgerichtig beantragte T. am 20.4.1854 beim Rat der Stadt Meißen dringend seine Naturalisierung (Einbürgerung). Am 4.7.1854 wurde er aus dem preußischen Untertanenverband entlassen. Seiner Aufnahme in den sächsischen Untertanenverband, der Bedingung für eine Heirat und Niederlassung in Meißen, stand nach Maßgabe der Kreisdirektion Dresden jedoch noch das fehlende Meisterrecht entgegen. In aller Eile wurde das Meisterstück anberaumt, das am 21.8. abgenommen wurde. Am 30.8. wurde er von der Kreisbehörde als sächsischer Untertan bestätigt. Schon am 19.8. war das erste Kind
Carl Lebrecht vorehelich geboren worden. Am 17.9.1854 heiratete T. im Meißner Dom seine Verlobte, anschließend ließen die Eheleute das Kind taufen. Noch Anfang September 1854 hatte T. das Haus in der Meißner Vorstadt „Über dem Fleischsteg“ (heute Hahnemannplatz 8) gekauft und richtete darin eine Töpferei ein. Da er dort einen Brennofen aufbauen konnte, war ihm bis Mitte September auch das Meisterrecht zugesprochen worden. Am 4.7.1857 wurde er zum Obermeister der Meißner Töpferinnung gewählt und blieb es bis zu seinem Tod. – T. kam 1857 in Kontakt mit Johann Gottfried Heinrich Melzer, Bossierer an der Königlichen Porzellanmanufaktur, Erfinder und Inhaber des Patents der „Meißner Patentkachel“. Dieser hatte vergeblich versucht, seine Erfindung einer weißen, haarrissfreien Kachel auf Basis von Blei und Kaolin, wie sie damals für Öfen sehr begehrt waren, wirtschaftlich selbst zu nutzen und wandte sich an den gegenüber seiner Wohnung niedergelassenen Töpfermeister T. Beide kamen überein und ab 1857 formte und brannte T. in seiner Werkstatt die Kacheln, während Melzer in seiner Wohnung noch einige Jahre die Glasur dafür herstellte. Das Glasurrezept teilte Melzer T. zu einem unbekannten Zeitpunkt, sicher aber spätestens 1863 mit. 1859 stellte T. erstmals einen Patentkachelofen auf einer Gewerbeausstellung in Meißen aus. Bereits 1854 war T.s Bruder, ebenfalls Töpfergeselle, nach Meißen gekommen. In T.s Töpferei spezialisierte sich Ernst ab 1857 auf das Setzen der „Patentkachel“-Öfen. Hier begann sich das Berufsbild des Ofensetzers aus dem des traditionellen Töpfers herauszulösen. – Am 3.7.1863 kaufte T. von einer Witwe das weiträumige Grundstück in der Meißner Vorstadtsiedlung Neumarkt (heute Nr. 5). Vermutlich noch im Winter ging die kleine Fabrik in Betrieb. T.s Wohnhaus auf dem Fabrikgelände wurde 1865 fertiggestellt. 1863 bis 1871, T.s Todesjahr, wuchs die Ofen- und Tonwarenfabrik von ursprünglich zwei auf zwölf Gebäude. Die Anzahl der Arbeiter erhöhte sich in dieser Zeit von 60 auf 150. Neben den „Patentkacheln“ führte T. auch noch ein Sortiment an Töpferwaren und Ähnlichem, auch wenn diese Produkte bis heute schwer zu verifizieren sind. T. begleitete 1871 einen Transport mit „Liebesgaben“ der Meißner Einwohner an die Soldaten des II. Sächsischen Jägerbataillons, Nr. 13 der Meißner Garnison im Deutsch-Französischen Krieg. In Mitry bei Paris verstarb er - wie es amtlich hieß - infolge eines Schlaganfalls, wobei bis heute auch Gerüchte um einen Unfalltod kursieren. Am 14.2. traf der Sarg mit T.s Leichnam in Meißen ein und wurde einen Tag später auf dem Friedhof St. Nikolai beigesetzt. – Da T.s ältester Sohn Carl noch zu jung war, um sein Erbe anzutreten, verkaufte die Witwe die Fabrik am 1.10.1872 für 750.000 Taler an ein Konsortium, das kurz darauf eine Aktiengesellschaft bildete.
Quellen Stadtarchiv Meißen, Urbarium, Heimatsachen, Bauarchiv; Evangelisch-Lutherische Frauenkirchgemeinde St. Afra, Ehestandsregister 1854, Taufregister 1854.
Literatur F. Wolf, Die Meißner Ofenindustrie, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen 3/1894, H. 1, S. 6-16; J. Haase, Sächs. Ofen- u. Chamottenwaaren-Fabrik vorm. E. Teichert in Cölln bei Meißen, Meißen [1897]; S. Förster, Melzer und T. - „Patentkachel“ und Ofenindustrie, in: Teichert, SOMAG & Saxonia, hrsg. vom Stadtmuseum Meißen, Meißen 1998, S. 12-21; K. B. Thomas, Carl und Ernst Teichert und die keramische Industrie in Meißen, in: Sächsische Heimatblätter 64/2018, H. 1, S. 49-54; Johann Gottlieb Teichert, in: genealogy.net, 2008 – ADB 37, S. 537f.; DBA I.
Porträt Carl T., Fotografie, Stadtarchiv Meißen (Bildquelle).
Steffen Förster
13.7.2018
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Johann Friedrich Carl Teichert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3866 [Zugriff 22.12.2024].
Johann Friedrich Carl Teichert
Quellen Stadtarchiv Meißen, Urbarium, Heimatsachen, Bauarchiv; Evangelisch-Lutherische Frauenkirchgemeinde St. Afra, Ehestandsregister 1854, Taufregister 1854.
Literatur F. Wolf, Die Meißner Ofenindustrie, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen 3/1894, H. 1, S. 6-16; J. Haase, Sächs. Ofen- u. Chamottenwaaren-Fabrik vorm. E. Teichert in Cölln bei Meißen, Meißen [1897]; S. Förster, Melzer und T. - „Patentkachel“ und Ofenindustrie, in: Teichert, SOMAG & Saxonia, hrsg. vom Stadtmuseum Meißen, Meißen 1998, S. 12-21; K. B. Thomas, Carl und Ernst Teichert und die keramische Industrie in Meißen, in: Sächsische Heimatblätter 64/2018, H. 1, S. 49-54; Johann Gottlieb Teichert, in: genealogy.net, 2008 – ADB 37, S. 537f.; DBA I.
Porträt Carl T., Fotografie, Stadtarchiv Meißen (Bildquelle).
Steffen Förster
13.7.2018
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Johann Friedrich Carl Teichert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3866 [Zugriff 22.12.2024].