Carl Ferdinand Philippi

Carl Ferdinand Philippi gehörte zu den Intellektuellen jüdischer Herkunft im 19. Jahrhundert, die durch Konversion und weitgehende Anpassung den Zutritt zur bürgerlichen Gesellschaft erreichten. Dabei waren die besonders für die Stadt Grimma bedeutsamen Aktivitäten Philippis von Erfolgen wie auch durch Konflikte und Rückschläge geprägt. – Philippi war eines von zwölf bekannten Kindern des Leipziger Schutzjuden, Unternehmers und sächsischen Hofagenten Herz Löb Levy. Vermutlich vor 1818 ließ sich Philippi taufen und legte damit wahrscheinlich auch seinen Geburtsnamen ab. Er trat, wie die meisten seiner Geschwister, zur evangelisch-lutherischen Konfession über. Nach seinem Studium an der Leipziger Universität und einer Zeit in der Oberlausitz wurde Philippi in Dresden wohnhaft, wo er Direktor eines Realinstituts und Lehrer an der Garnisonschule wurde. Neben seinem ehrenamtlichen Engagement u.a. für Reformen im Bildungswesen, in der Armenfürsorge und für eine Reorganisation der Polizei begann Philippi in Dresden auch auf journalistischem Gebiet tätig zu werden. Ab 1818 publizierte er Beiträge in Form von Rätseln und Gedichten in der „Abendzeitung“, wurde 1819 Teilhaber am Verlag Hilscher und gab den „Literarischen Merkur“ heraus. Diverse Veröffentlichungen zu literarischen und historischen Themen aus dieser Zeit tragen den Namen Philippis. – 1824 wurde er durch Karl August, Großherzog von Sachsen-Weimar, zum Hofrat ernannt. 1826 heiratete er nach dem frühen Tod seiner ersten Ehefrau eine Dresdnerin. Den Titel des Königlich Sächsischen Hofrats in der 4. Klasse der Hofrangordnung erhielt Philippi am 30.1.1831 verliehen. Mit dem Konkurs des Verlags Hilscher im gleichen Jahr büßte Philippi einen Großteil seiner Rücklagen ein und musste auch den „Merkur“ aufgeben. Einer kurzen Station in Altenburg zwischen März 1832 und Mai 1833, wo Philippi mit der „Bürgerzeitung“, den „Osterländischen Blättern“ und der „Ameise“ drei neue Zeitungen herausgab, folgte wegen Konflikten mit der obrigkeitsstaatlichen Zensur die Rückkehr Philippis nach Leipzig. Ähnliche Probleme mit den Behörden und wirtschaftliche Komplikationen veranlassten Philippi bereits 1834 zum Umzug nach Grimma. Hier legte er mit dem Erwerb des Hauses in der heutigen Frauenstraße 37 von der Verlegerwitwe Henriette Göschen den Grundstein für seinen weiteren Berufsweg. Philippi pachtete zunächst die im Nachbargebäude befindliche Druckerei des verstorbenen Georg Joachim Göschen und erwarb dieselbe 1840. Während seiner 14 Jahre dauernden Anwesenheit in Grimma, wo bereits sein Vater als Kaufmann Stoffe produziert und veredelt hatte, konnte sich Philippi ein dauerhaft erfolgreiches Verlagskomptoir aufbauen, wobei er finanziell durch seinen Bruder, den Leipziger Arzt Bernhard Georg Lippert, unterstützt wurde. Philippis vielgelesene und beliebte Zeitschrift „Der Dorfbarbier“, die er zwischen 1844 und 1848 verantwortete, war mit einer Auflage von bis zu 10.000 Exemplaren seine erfolgreichste Veröffentlichung. Der durch die populäre Leipziger Zeitschrift „Die Gartenlaube“ bekannte Ferdinand Stolle fand als ein seinerzeit geschätzter Autor hier eine neue publizistische Heimat. Philippi gab von Grimma aus bis zu 12 Zeitschriften heraus. Schon in der damaligen Wahrnehmung blieb der Verleger gleichwohl umstritten, weil er nach Meinung von Kritikern wahllos ideologische Denkrichtungen aller Art bediente. Dazu kamen sein ausgeprägter Geschäftssinn und der Vorwurf von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren nach der Insolvenz des Verlags Hilscher 1831. In diesem Kontext dürfte wohl auch der 1835 erfolgte Entzug des sächsischen Hofratstitels zu deuten sein. Philippi selbst verfocht in seinen Blättern grundsätzlich eine liberale Position, die auf die Einhaltung bürgerlich-demokratischer Partizipationsrechte bestand. Sein vehementes Plädoyer für die Pressefreiheit brachte ihm dabei wiederholt Ärger mit den Behörden in Sachsen sein. Eine einschlägige Karikatur im satirischen Blatt „John Falstaff“ wurde durch die Zensur 1846 untersagt. Zwischen 1844 und 1848 lief ein letztlich eingestelltes Verfahren gegen das von Philippi herausgegebene „Grimmaische Wochenblatt“ wegen eines kritischen Aufsatzes, der im Dezember 1842 ohne Freigabe publiziert worden war. Als Philippi im Juni 1848 das Bürgerrecht erhalten, sich dem Dienst in der Kommunalgarde jedoch mehrfach entzogen hatte, flüchtete er im Oktober des gleichen Jahrs wegen der revolutionären Ereignisse aus Grimma zurück in seine Geburtsstadt Leipzig. Anlass dafür war auch der Amtsantritt des reaktionären Ernst Ludwig Hennig als Bürgermeister in Grimma Ende Juli. Die schikanöse Zensurpraxis der Zeit veranlasste ihn um 1848 zu einem Kommentar im „Grimmaischen Wochenblatt“, wo er resigniert erklärte, „dieser immerwährende kleine und kleinliche Krieg mit der Behörde“ widere ihn an, es dränge ihn daher dorthin, wo „geistige Bestrebungen wie die meinen eine andere und gerechtere Würdigung finden.“ Knapp vier Jahre später verstarb Philippi mit 57 Jahren in Leipzig an den Folgen einer Krankheit. – Auch später erzeugte der Name Philippis nicht zuletzt wegen seiner markanten Persönlichkeit, die in einer relativ kleinen Stadt wie Grimma deutlich herausragte, einen langanhaltenden Nachhall. Philippi, der in Grimma zeitweise als Vorsteher der Gesellschaft „Erholung“ aktiv war, sah sich bereits bei seinem Wegzug Schmähanzeigen ausgesetzt, die ihn etwa als „Mauschel von Grimma“ bezeichneten. Die Heimatgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus griff derlei Abwertungen später willfährig auf und bettete Philippis Vita in das antisemitische Narrativ der NS-Ideologie ein, verwies auf seine angeblich betrügerische Geschäftspraxis und sein amoralisches Handeln. Dem stehen positive Stimmen aus der Zeit kurz nach seinem Tod gegenüber, die Philippi als integer, geistreich, gerecht und gebildet schilderten. In der Rückschau verbleibt insgesamt das Bild einer schillernden Persönlichkeit und eines Freigeists, der sich selbst in erster Linie als bürgerlich-liberal und dem Toleranzideal der Aufklärung verpflichtet sah. Besondere Verbindungen zum jüdischen Leben dürfte er jenseits allgemeiner Aussagen, die zu religiöser und geistiger Toleranz im weitesten Sinne aufriefen, nach seiner Taufe nicht mehr gehabt haben.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig, 20008 Amt Grimma, Nr. 1207, 22179 Genealogische Mappenstücke, Nr. Ma 23963; Stadtarchiv Leipzig, 0008 Ratsstube, Ratsbücher, Handelsbuch des Stadtgerichts Leipzig 1832, Bd. 2, 0006 Leichenschreiberei, Leichenbücher, Reg.-Nr. 177 (1852), Gräberbücher 19. Jahrhundert (Rote Reihe); Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. C 131, Nr. 4163 Kirchenbuch Hayn 1822, S. 12, Nr. 2 (ancestry.de); Literarische Zeitung 2/1835, Nr. 20, Sp. 359.

Werke (Hg.), Literarischer Merkur oder wöchentliches Unterhaltungsblatt für alle Stände / Merkur: Mittheilungen aus den Vorräthen der Heimath und der Fremde, für Wissenschaft, Kunst und Leben 1819-1831; (Hg.), Taschenbuch zum geselligen Vergnügen 1826-1829; Dramaturgische Brandraketen des Dresdner Merkur, Dresden 1826; Atrium hebraicum: oder grammatische Vorschule für das exegetisch-dogmatische Studium der Schriften des alten Bundes, Neustadt/Orla 1826; Geschichte des Freistaats von Santo Domingo (Hayti), Dresden 1826/1827; Geschichte der vereinigten Freistaaten von Nordamerika, Dresden 1826, 21827; Geschichte von Venedig, Dresden 1828; Geschichte des Papstthums, 17 Bde., Dresden/Zittau/Leipzig 1828-1840; Die Liquidation der Hilscherschen Buchhandlung und mein Verhältniß zu ihr, Dresden 1831; (Hg.), Constitutionelle Staatsbürgerzeitung und Insel Rügen. Zur Verständigung über Gegenstände des gesellschaftlichen Lebens, der Staats- und Gemeindeverwaltung, der Volksbildung, der kirchlichen Verfassung und des gewerblichen Verkehrs (Bürgerzeitung) 1833-1846; (Hg.), Osterländische Blätter 1833-1847; (Hg.), Die Ameise. Vaterländische Blätter für Haus und Leben 1833-1846/1848; (Hg.), Grimmaisches Wochenblatt 1834-1850/1852; (Hg.), Dorfbarbier. Humoristisch-Satyrische Zeitung 1844-1848/1852; (Hg.), John Falstaff. Wochenblatt für Humor und Satyre 1846-1848.

Literatur Werner Bode, Das Grimmaer Zeitungswesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Diss. Leipzig 1928; Wolfgang Reihlen, Die Herkunft des Grimmaer Journalisten Carl Ferdinand Philippi. Ein Beitrag zur arischen Abstammung (mit Ergänzungen von Werner Bode), in: Die Grimmaer Pflege. Heimatkundliche Blätter für die Stadt Grimma und ihre Umgebung (Monatsbeilage zu den Nachrichten für Grimma) 14/1935, Nr. 1 und 2; Gerhardt Gimpel, Juden in einer kleinen Stadt. Illustrierte Texte zur Stadtgeschichte von Grimma/Sachsen, Beucha 2005; Hannelore Rothenburg, Carl Ferdinand Philippi und sein Verlags-Comptoir, in: Louise-Otto-Peters-Jahrbuch 2/2007, S. 230-242; Henner Kotte, Jüdisches Sachsen. 99 besondere Geschichten, Halle/Saale 2021. – DBA I; Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 9, Berlin/New York 2010.

Porträt Karl Ferdinand Philippi, um 1844, Daguerrotypie, Kreismuseum Grimma, Inventar-Nr. Foto 002080, Quelle: Haendelfan, via Wikimedia Commons (Bildquelle) [CC BY 4.0 Attribution 4.0 International; dieses Werk ist lizensiert unter Creative Commons Attribution 4.0 International License].

Lucas Böhme
9.4.2025


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Carl Ferdinand Philippi,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27917 [Zugriff 13.8.2025].

Carl Ferdinand Philippi



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig, 20008 Amt Grimma, Nr. 1207, 22179 Genealogische Mappenstücke, Nr. Ma 23963; Stadtarchiv Leipzig, 0008 Ratsstube, Ratsbücher, Handelsbuch des Stadtgerichts Leipzig 1832, Bd. 2, 0006 Leichenschreiberei, Leichenbücher, Reg.-Nr. 177 (1852), Gräberbücher 19. Jahrhundert (Rote Reihe); Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. C 131, Nr. 4163 Kirchenbuch Hayn 1822, S. 12, Nr. 2 (ancestry.de); Literarische Zeitung 2/1835, Nr. 20, Sp. 359.

Werke (Hg.), Literarischer Merkur oder wöchentliches Unterhaltungsblatt für alle Stände / Merkur: Mittheilungen aus den Vorräthen der Heimath und der Fremde, für Wissenschaft, Kunst und Leben 1819-1831; (Hg.), Taschenbuch zum geselligen Vergnügen 1826-1829; Dramaturgische Brandraketen des Dresdner Merkur, Dresden 1826; Atrium hebraicum: oder grammatische Vorschule für das exegetisch-dogmatische Studium der Schriften des alten Bundes, Neustadt/Orla 1826; Geschichte des Freistaats von Santo Domingo (Hayti), Dresden 1826/1827; Geschichte der vereinigten Freistaaten von Nordamerika, Dresden 1826, 21827; Geschichte von Venedig, Dresden 1828; Geschichte des Papstthums, 17 Bde., Dresden/Zittau/Leipzig 1828-1840; Die Liquidation der Hilscherschen Buchhandlung und mein Verhältniß zu ihr, Dresden 1831; (Hg.), Constitutionelle Staatsbürgerzeitung und Insel Rügen. Zur Verständigung über Gegenstände des gesellschaftlichen Lebens, der Staats- und Gemeindeverwaltung, der Volksbildung, der kirchlichen Verfassung und des gewerblichen Verkehrs (Bürgerzeitung) 1833-1846; (Hg.), Osterländische Blätter 1833-1847; (Hg.), Die Ameise. Vaterländische Blätter für Haus und Leben 1833-1846/1848; (Hg.), Grimmaisches Wochenblatt 1834-1850/1852; (Hg.), Dorfbarbier. Humoristisch-Satyrische Zeitung 1844-1848/1852; (Hg.), John Falstaff. Wochenblatt für Humor und Satyre 1846-1848.

Literatur Werner Bode, Das Grimmaer Zeitungswesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Diss. Leipzig 1928; Wolfgang Reihlen, Die Herkunft des Grimmaer Journalisten Carl Ferdinand Philippi. Ein Beitrag zur arischen Abstammung (mit Ergänzungen von Werner Bode), in: Die Grimmaer Pflege. Heimatkundliche Blätter für die Stadt Grimma und ihre Umgebung (Monatsbeilage zu den Nachrichten für Grimma) 14/1935, Nr. 1 und 2; Gerhardt Gimpel, Juden in einer kleinen Stadt. Illustrierte Texte zur Stadtgeschichte von Grimma/Sachsen, Beucha 2005; Hannelore Rothenburg, Carl Ferdinand Philippi und sein Verlags-Comptoir, in: Louise-Otto-Peters-Jahrbuch 2/2007, S. 230-242; Henner Kotte, Jüdisches Sachsen. 99 besondere Geschichten, Halle/Saale 2021. – DBA I; Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 9, Berlin/New York 2010.

Porträt Karl Ferdinand Philippi, um 1844, Daguerrotypie, Kreismuseum Grimma, Inventar-Nr. Foto 002080, Quelle: Haendelfan, via Wikimedia Commons (Bildquelle) [CC BY 4.0 Attribution 4.0 International; dieses Werk ist lizensiert unter Creative Commons Attribution 4.0 International License].

Lucas Böhme
9.4.2025


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Carl Ferdinand Philippi,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27917 [Zugriff 13.8.2025].