Carl Birnbaum

Als Schüler Friedrich Gottlob Schulzes zählte B. zu den vehementesten Verfechtern eines Universitätsstudiums für Landwirte und kann als dessen Protagonist in Sachsen angesehen werden. Bekanntheit erlangte er darüber hinaus ebenso durch sein literarisches Schaffen wie durch sein patriotisches Engagement im Deutsch-Französischen Krieg und als nationalliberaler Reichstagsabgeordneter. – Die frühen Lebensstationen B.s folgten der akademischen Laufbahn seines Vaters, die von Löwen über Bonn, Freiburg/Breisgau und Utrecht (Niederlande) nach Gießen führte. Hier besuchte B. das Gymnasium und nahm 1847 das Studium der Kameralwissenschaft auf, das ihn auch mit Justus Liebig in Berührung brachte. Anschließend wandte er sich der praktischen Landwirtschaft zu und besuchte ab 1853 das mit der Universität Jena verbundene landwirtschaftliche Lehrinstitut Schulzes, um sich auch in diesem Fach akademisch zu bilden. Tief geprägt von Schulzes Ideen kehrte B. 1857 nach Gießen zurück, um auf dem Gebiet der Landwirtschaft zu habilitieren und nun seinerseits eine mit der Universität verbundene Privatlehranstalt zu gründen. Obgleich sein Vater der Universität Gießen seit 1847 als Kanzler vorstand, gelang es B. nicht, hier dauerhaft Fuß zu fassen. Stattdessen wechselte er 1866 nach Leipzig, wo sich ihm die Gelegenheit zur Übernahme einer privaten landwirtschaftlichen Lehranstalt im nahe gelegenen Plagwitz bot und zugleich die Aussicht bestand, als Dozent Aufnahme in den Lehrkörper der Universität zu finden. B.s Vorhaben, seine Plagwitzer Lehranstalt in ein Universitätsinstitut umzuwandeln, gelang nicht. Dennoch konnte er 1867 in ein Extraordinariat aufrücken und bekleidete damit die erste Professur für Landwirtschaftslehre an der sächsischen Landesuniversität. Die Gründung des Landwirtschaftlichen Instituts der Universität Leipzig 1869, mit der die Aufhebung der Lehranstalt in Plagwitz einherging, führte zur Errichtung eines Ordinariats für Landwirtschaftslehre, das allerdings mit Adolf Blomeyer besetzt wurde. Neben ihm bekleidete B. weiterhin das Extraordinariat, widmete sich nun jedoch vorwiegend seiner politischen Karriere. Während des Deutsch-Französischen Kriegs war B. Vorsitzender eines Vereins zur Ausbildung Freiwilliger, eines Hilfsvereins zur Unterstützung der Familien von Landwehrleuten und schließlich eines Zweigvereins der Deutschen Invalidenstiftung. Als Abgeordneter der Nationalliberalen Partei zog er 1871 in den Deutschen Reichstag ein, dem er bis 1874 angehörte. Durch Fehlspekulationen und den „Gründerkrach“ 1873 hochverschuldet kehrte B. unter wachsenden finanziellen Sorgen in die akademische Laufbahn zurück. Seine Lehrtätigkeit erstreckte sich nun auf ein breites Spektrum und reichte von der Geschichte der Landwirtschaft über die Tierzuchtlehre bis hin zur Bodenkunde. Sein publizistisches Schaffen beschränkte sich dagegen auf allgemeinverständliche Lehrbücher und Leitfäden, insbesondere zum landwirtschaftlichen Rechnungswesen. Aus Hörergeldern und Autorenhonoraren allein war B. jedoch nicht in der Lage, seine Schulden zu bedienen, sodass er zunehmend auch abenteuerliche Wege der Geldbeschaffung beschritt. 1886 wurde er schließlich wegen Betrugs zu einer Haftstrafe verurteilt und aus dem Lehrkörper der Universität Leipzig ausgeschlossen. Nach seiner Freilassung siedelte B. nach Berlin über und betätigte sich bis zu seinem Tod als landwirtschaftlicher Autor.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 10281/97, 10219/2.

Werke Über die Wirtschaftssysteme, Gießen 1857; Friedrich Gottlob Schulze als Reformator der Landwirthschaftslehre, Frankfurt/Main 1860; Lehrbuch der Landwirtschaft, 3 Teile, Frankfurt/Main 1859-1863; Landwirtschaftliche Taxationslehre, Berlin 1877, ²1890.

Literatur E. Schulze, Agrarwissenschaften an der Universität Leipzig 1740-1945, Leipzig 2005. – B. Haunfelder, Die liberalen Abgeordneten des Deutschen Reichstags 1871-1918, Münster 2004, S. 72.

Porträt Fotografie, Universitätsarchiv Leipzig, FS N06241-096 (Bildquelle).

Christian Augustin
10.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Christian Augustin, Artikel: Carl Birnbaum,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26409 [Zugriff 3.10.2024].

Carl Birnbaum



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 10281/97, 10219/2.

Werke Über die Wirtschaftssysteme, Gießen 1857; Friedrich Gottlob Schulze als Reformator der Landwirthschaftslehre, Frankfurt/Main 1860; Lehrbuch der Landwirtschaft, 3 Teile, Frankfurt/Main 1859-1863; Landwirtschaftliche Taxationslehre, Berlin 1877, ²1890.

Literatur E. Schulze, Agrarwissenschaften an der Universität Leipzig 1740-1945, Leipzig 2005. – B. Haunfelder, Die liberalen Abgeordneten des Deutschen Reichstags 1871-1918, Münster 2004, S. 72.

Porträt Fotografie, Universitätsarchiv Leipzig, FS N06241-096 (Bildquelle).

Christian Augustin
10.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Christian Augustin, Artikel: Carl Birnbaum,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26409 [Zugriff 3.10.2024].