Benedikt II. Carpzov

Nach privatem Unterricht in Colditz, wo sein Vater 1602 als Kanzler der am Witwensitz lebenden Kurfürstin Sophie, der Frau Christians I., tätig war, studierte C. Rechtswissenschaft zunächst 1610/11 an der Universität Wittenberg und 1615/16 in Leipzig. Er wechselte 1617/18 für kurze Zeit nach Jena, wo der Strafrechtler Petrus Theodoricus (Peter Dittrich) lehrte, und promovierte 1619 in Wittenberg. Eine Bildungsreise führte C. durch Süddeutschland nach Italien, von dort über Savoyen und Piemont durch Frankreich nach England und in die Niederlande. In den Niederlanden erreichte ihn die Berufung zum Adjunkt (außerordentlichen Beisitzer) am Leipziger Schöffenstuhl. Am 25.4.1620 wurde er in diesem Amt vereidigt. Drei Jahre später rückte er als jüngstes Mitglied in den Kreis der Schöffen auf. 1627 heiratete C. eine Tochter aus dem vornehmen Leipziger Handelsgeschlecht Clausbruch, das nach dem Tod Heinrichs d.Ä. 1599 allerdings seine Blütezeit bereits überschritten hatte. – Seit 1620 lebte C. in Leipzig, wurde aber niemals Bürger der Stadt, sondern gehörte lediglich seit seiner Immatrikulation der Universität an. Unter Beibehaltung der Tätigkeit am Schöffengericht, zu dessen Senior er aufgerückt war, wurde C. 1636 auch Assessor am Oberhofgericht in Leipzig. – 1631 erreichte der Dreißigjährige Krieg die Stadt Leipzig, die in den folgenden Jahren von den Heeren beider Kriegsparteien mehrfach belagert, eingenommen und verwüstet wurde. Flüchtlinge kamen und mit ihnen Seuchen. Die Zeitereignisse griffen unmittelbar in das Leben und die Tätigkeit C.s ein. 1637 starb C.s Frau an „hitzigem Fieber“. Die fünf Kinder aus erster Ehe wurden Opfer der extremen Belastung durch den Krieg. Bereits 1632 war das Gebäude der Juristischen Fakultät im Petrinum zerstört worden. – In diesen Jahren erschienen die ersten wissenschaftlichen Arbeiten C.s, 1635 die „Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium“, sein strafrechtliches Hauptwerk (mit Nachauflagen bis 1752), das bis zur Aufklärung auch das Strafrecht in anderen europäischen Ländern beeinflusste. 1638 erschien sein Werk „Peinlicher sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß“, im gleichen Jahr auch „Iurisprudentia forensis Romano-Saxonica ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae“. 1644 holte ihn Kurfürst Johann Georg I. als Geheimen Rat an den Hof nach Dresden. C. blieb Mitglied des Schöffenstuhls in Leipzig. Als nach dem Tod von Sigismund Finckelthaus 1645 das Ordinariat an der Leipziger Juristenfakultät frei wurde, ließ sich C. dorthin berufen. Die Doppelbelastung durch Lehrtätigkeit, den Aufbau des noch nicht wieder hergestellten Fakultätsgebäudes und die Arbeit am Schöffengericht ging wohl zu Lasten der akademischen Tätigkeit. Nachdem 1651 seine zweite Frau gestorben war, ging C. 1653 noch einmal als Rat nach Dresden. Zuvor war 1649 die erste handbuchartige Darstellung des praktischen evangelischen Kirchenrechts, „ Jurisprudentia ecclesiasticae seu consistoriales“, erschienen. Aus gesundheitlichen Gründen kehrte C. 1661 nach Leipzig zurück. Im gleichen Jahr erwarb er ein Haus an der Burgstraße und verfasste sein erstes Testament. 1664 zog er sich von allen Ämtern zurück. – C. war ein Strafrechtswissenschaftler von europäischem Rang. Darüber hinaus leistete er an verschiedenen Gerichten eine immense Arbeit. Entgegen früheren kritischen Einschätzungen war C. allerdings lediglich an zwei Hexenprozessen beteiligt, die beide mit einem Freispruch endeten.

Werke Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium, Wittenberg 1635; Peinlicher sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß, Frankfurt/Main 1638; Iurisprudentia forensis Romano-Saxonica ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae, Frankfurt/Main 1638; Responsa juris electoralia, Leipzig 1642; Opus decisionum illustrium Saxonicarum, 3 Bde., Leipzig 1646-1654; Jurisprudentia ecclesiasticae seu consistoriales, Leipzig 1649; Processus juris in foro Saxonico, Jena 1657.Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium, Wittenberg 1635; Peinlicher sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß, Frankfurt/Main 1638; Iurisprudentia forensis Romano-Saxonica ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae, Frankfurt/Main 1638; Responsa juris electoralia, Leipzig 1642; Opus decisionum illustrium Saxonicarum, 3 Bde., Leipzig 1646-1654; Jurisprudentia ecclesiasticae seu consistoriales, Leipzig 1649; Processus juris in foro Saxonico, Jena 1657.

Literatur G. Jerouschek u.a. (Hg.), Benedict C. Neue Perspektiven zu einem umstrittenen sächsischen Juristen, Tübingen 2000. – ADB 4, S. 11-20; DBA I, II, III; DBE 2, S. 286f.; NDB 3, S. 156f.; Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1, Berlin 1971, S. 595-597; A. Graefe (Hg.), Sächsische Köpfe im zeitgenössischen Bild, Dresden 1938 (Bildquelle).

Siegfried Hoyer
26.8.2005


Empfohlene Zitierweise:
Siegfried Hoyer, Artikel: Benedikt II. Carpzov,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/967 [Zugriff 19.4.2024].

Benedikt II. Carpzov



Werke Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium, Wittenberg 1635; Peinlicher sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß, Frankfurt/Main 1638; Iurisprudentia forensis Romano-Saxonica ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae, Frankfurt/Main 1638; Responsa juris electoralia, Leipzig 1642; Opus decisionum illustrium Saxonicarum, 3 Bde., Leipzig 1646-1654; Jurisprudentia ecclesiasticae seu consistoriales, Leipzig 1649; Processus juris in foro Saxonico, Jena 1657.Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium, Wittenberg 1635; Peinlicher sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß, Frankfurt/Main 1638; Iurisprudentia forensis Romano-Saxonica ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae, Frankfurt/Main 1638; Responsa juris electoralia, Leipzig 1642; Opus decisionum illustrium Saxonicarum, 3 Bde., Leipzig 1646-1654; Jurisprudentia ecclesiasticae seu consistoriales, Leipzig 1649; Processus juris in foro Saxonico, Jena 1657.

Literatur G. Jerouschek u.a. (Hg.), Benedict C. Neue Perspektiven zu einem umstrittenen sächsischen Juristen, Tübingen 2000. – ADB 4, S. 11-20; DBA I, II, III; DBE 2, S. 286f.; NDB 3, S. 156f.; Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1, Berlin 1971, S. 595-597; A. Graefe (Hg.), Sächsische Köpfe im zeitgenössischen Bild, Dresden 1938 (Bildquelle).

Siegfried Hoyer
26.8.2005


Empfohlene Zitierweise:
Siegfried Hoyer, Artikel: Benedikt II. Carpzov,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/967 [Zugriff 19.4.2024].